Mit dem neuen Addict RC ist Scott ein echter Paukenschlag geglückt. Nachdem die Strahlkraft des Rennrad-Klassikers der Schweizer in den vergangenen Jahren etwas erlosch, auch wegen der starken Performance des Foil RC, macht die neue Version wieder von sich Reden. Und wie! Schließlich soll das Top-Modell nur 5,9 Kilogramm auf die Waage bringen, womit es zu den leichtesten Disc-Rädern der Welt zählt.
Die Leichtbau-Wertung bei TOUR führt seit Kurzem das hochexklusive Schmolke Leggerissima (5,4 Kilo) an. Direkt dahinter reiht sich das Addict RC ein und lässt Räder wie das Benotti Fuoco Carbon Ultra (6,1 Kilo), Specialized S-Works Aethos (6,2 Kilo) oder Giant TCR Advanced SL (6,5 Kilo) hinter sich. Sofern die Gewichtsangabe von Scott stimmt, da wir die Neuheit im Vergleich zu den Konkurrenten noch nicht an der Waage hängen hatten.
Dass vier der fünf Modelle in diesem Jahr auf den Markt kamen, zeigt, dass es für Leichtbau-Modelle offenbar weiterhin einen Markt gibt. Im Profi-Zirkus dominieren zwar die aerodynamisch optimierten Boliden, da diese trotz eines höheren Gewichts die schnellere Alternative sind. Für ambitionierte Kletterkünstler hat es aber weiter einen großen Reiz, mit einem ultraleichten Renner die Berge zu erklimmen. Und das dürfte mit dem Scott ziemlich gut gelingen.
Basis des neuen Addict RC ist ein puristisches Rahmen-Set, das dank eines präzisen Fertigungsverfahrens unnötiges Carbon oder Harz sparen soll. Bei hohen Steifigkeiten, wie sie bereits der Vorgänger erreichte. Scott bietet zwei Rahmenqualitäten an: Für die SL-Version, die ausschließlich beim Top-Modell zum Einsatz kommt, nennen die Schweizer ein Gewicht von 599 Gramm. Die Gabel soll 270 Gramm wiegen. Insgesamt sei das Rahmen-Set dadurch 215 Gramm leichter als beim Vorgänger. Das “normale” Rahmen-Set des Pro, 10, 20 und 30 ist laut Herstellerangabe 76 Gramm schwerer. Alle Angaben beziehen sich auf unlackierte Bauteile in Rahmengröße M.
Scott beließ das Gewichtstuning aber nicht nur beim Chassis, sondern setzte bei jedem noch so kleinen Bauteil den Rotstift an. Vom neuen One-Piece-Cockpit über die Sattelstütze bis hin zu den Spacern: Jede Komponente speckte etwas ab und soll seinen Teil zum formidablen Gesamtgewicht von 5,9 Kilogramm beitragen. Die weiteren Ausstattungsvarianten bewegen sich zwischen 6,5 und 7,7 Kilogramm.
Das Top-Modell namens Addict RC Ultimate profitiert zudem vom Aufbau mit exklusiven Vollcarbon-Laufrädern von Syncros. Die Capital SL mit 40 Millimeter hohen Felgen wiegen knapp unter 1200 Gramm und sind damit rund 80 Gramm leichter als die Zipp 353 NSW, die bislang im Top-Modell steckten. Auch die brandneuen Aerothan-Reifen von Schwalbe, die offiziell im neuen Jahr vorgestellt werden und signifikant leichter sein sollen als bisherige Gummis, und die neue SRAM Red AXS halfen Scott, eines der leichtesten Wettkampfräder der Welt zu entwickeln. Die Carbonlaufräder in den günstigeren Ausstattungsvarianten wiegen rund 80 Gramm mehr.
Als Racer muss sich das Addict RC natürlich auch an seiner Aerodynamik messen lassen. Scott gibt hierzu lediglich an, dass das neue Modell zwölf Watt schneller als das alte sei. Zurückzuführen ist das Ergebnis unter anderem auf die neue Lenker-Vorbau-Einheit, die ebenfalls Syncros beisteuert und über einen leichten Flare verfügt. Ein totales Ergebnis teilten die Schweizer nicht mit. Typischerweise bewegen sich Leichtbau-Spezialisten um 220 Watt, um den eigenen Luftwiderstand von 45 km/h zu überwinden. Das alte Modell, das TOUR kurz nach der Vorstellung vor vier Jahren mit flachen Laufrädern (Zipp 202 NSW) getestet hat, erreichte 227 Watt. Mit unseren schnellen Referenzlaufrädern (Zipp 404) verbesserte es sich um sieben Watt.
Damit bleibt die Trennlinie zum Foil RC sehr klar. Der Aero-Bolide aus dem Modelljahr 2023 benötigte in unserem Windkanal-Versuch 206 Watt und ist damit weiter deutlich schneller als das Addict RC. An der Waage wiederum setzt sich die Neuheit deutlich ab. Für die nicht mehr erhältliche Version mit Zipp 454 NSW und alter Red AXS ermittelten wir 7,2 Kilogramm.
Für den nötigen Federkomfort, eine der großen Stärken der Vorgängerversionen, zeichnet eine neue Carbonstütze inklusive integrierter Klemmung verantwortlich. Indem diese ins Rahmeninnere wandert, können die Wände des Sitzrohres dünner gehalten werden, woraus insgesamt mehr Flex resultieren soll. Wie beim Foil RC lässt sich in die Sattelstütze ein Rücklicht klipsen. Zumindest bei den Modellen 10, 20 und 30. Die Top-Versionen Pro und Ultimate verzichten auf die Zusatzfunktion. Natürlich: Um Gewicht zu sparen.
Eine praktische Dreingabe ist ein im Lenkerende verstecktes Werkzeug, mit dem sich unterwegs die nötigsten Einstellungen vornehmen lassen. Scott setzt ähnlich wie Canyon am neuen Aeroad auf einen einheitlichen Schraubenstandard (T25). Vorbau, Lenker, Sattelstütze, Sattelklemmung, Flaschenhalter und Laufräder können mit dem integrierten Werkzeug eingestellt bzw. montiert werden.
Fünf Ausstattungsvarianten stehen zum Marktstart zur Auswahl. Alle Modelle sind mit elektronischen Schaltgruppen von Shimano (105, Ultegra, Dura-Ace) oder SRAM (Red) aufgebaut. Der SL-Rahmen ist dem Top-Modell vorbehalten. Die beiden Einstiegsmodelle kommen mit einer Lenker-Vorbau-Kombi, allen anderen Versionen spendiert Scott das neue One-Piece-Cockpit. Mit einer rennmäßigen Geometrie richtet sich das Addict RC an trainierte Fahrer. Die Preise: Das Basismodell startet bei 4999 Euro, die High-End-Variante kostet satte 12999 Euro.