Myvelo aus dem Schwarzwald muss sich als relativ junge Marke in der Fahrradwelt gegen viele etablierte Hersteller behaupten. Das 2018 gegründete Unternehmen startete zunächst mit elektrifizierten Falträdern. Doch weil die beiden Gründer und ehemaligen Amateurrennfahrer Fabian Huber und Vincent Augustin ein Faible für den Radrennsport verbindet, beschlossen sie bald, auch Rennräder ins Portfolio aufzunehmen. Seit dem TOUR-Testdebüt vor zwei Jahren, ebenfalls mit dem Verona, wurde die Palette erweitert: Neben dem aerodynamischen Racer, den auch die Rennfahrer des jungen Myvelo-Profiteams fahren, sind noch ein komfortabel abgestimmter Leichtrenner namens Tourmalet und ein schlichtes Endurance-Rennrad mit Aluminiumrahmen im Programm, außerdem ein Triathlonrad und zwei Gravelbikes.
Damit ist die Palette mit Rennlenker übersichtlich, der Schwerpunkt der Marke liegt weiterhin auf Fahrrädern mit Motor. Als wichtiges Argument, um dennoch als Rennradmarke ernst genommen zu werden, bringt Myvelo ein ausgesprochen gutes Preis-Leistungsverhältnis mit. Das Verona gehört mit 5.499 Euro zu den günstigsten Rädern im Test. Für 7.000 Euro wäre im Baukasten-Programm sogar eine noble Dura-Ace-Gruppe drin gewesen. Versteckte Sparmaßnahmen finden sich bei der Ausstattung des Testrads auf den ersten Blick nicht.
Die Xentis-Laufräder sind zwar selten, aber keine Billigteile. Auch Top-Reifen und ein Vollcarbonsattel sind montiert, was selbst bei teureren Wettbewerbern nicht üblich ist. Der Rahmen gibt eine extrem sportliche Sitzposition vor, der Lenker sitzt vergleichsweise tief und es lastet viel Gewicht auf dem Vorderrad. Trotz der sehr rennmäßigen Haltung fährt sich das Rad wohltuend unaufgeregt, ohne dass der Fahrspaß zu kurz kommt. Bei kräftigen Antritten geht es gut voran; das verwindungssteife Tretlager und die relativ leichten Laufräder bringen die Kraft verlustarm auf die Straße. Bei hohem Tempo zieht das Rad unverdrossen seine Spur, dafür reagiert es weniger flink auf schnelle Lenkmanöver als die meisten anderen Räder im Test.
Eine Schwäche, die sich im Sattel bemerkbar macht, ist der geringe Federkomfort des Rades. Die Sattelstütze bietet zwar den Vorteil eines großen horizontalen Verstellbereichs, mit dem die Sitzlänge um mehrere Zentimeter verändert werden kann; nachgeben kann die Stütze indes kaum, was dazu führt, dass auch feine Fahrbahnunebenheiten nahezu ungefiltert weitergereicht werden. Verstärkt wird der harte Fahreindruck durch den unflexiblen Carbonsattel, dessen Oberfläche zudem sehr glatt ist – er wäre das erste Teil, das wir tauschen würden.
Obwohl das Verona mit dem nach vorne leicht abfallenden Oberrohr und der voluminösen Sattelstütze Assoziationen an ein schnelles Zeitfahrrad weckt und sogar spezielle Aero-Reifen von Schwalbe aufgezogen sind, bleibt es in der Aero-Wertung hinter den Erwartungen zurück. Mit 226 Watt für 45 km/h belegt es in dieser Disziplin den letzten Platz in unserem Vergleich. Schnellere Laufräder bewirken noch eine Verbesserung um vier Watt, doch zu den schnellsten Rädern dieser Klasse klafft auch damit noch eine relativ große Lücke. In den anderen Disziplinen schneidet das Rad unauffällig bis gut ab. Die Punktabzüge bei Aerodynamik und Federkomfort führen jedoch dazu, dass das Myvelo die meisten Konkurrenten ziehen lassen muss – mit Cube oder Rose auch solche, die vergleichbar günstig sind. Ein Vorteil gegenüber großen Herstellern ist die Möglichkeit, sich ein Rad nach Wunsch selbst zusammenzustellen: Im Baukasten lässt sich das Rad mit den drei elektronischen Schaltgruppen von Shimano konfigurieren, außerdem werden vier Laufrad-Optionen angeboten. Eine davon sind Lightweight Meilenstein – damit kann das Rad auch an die Sieben-Kilo-Marke getunt werden, ohne dass der Preis utopisch wird: Selbst die teuerste Ausführung bleibt noch unter 9.000 Euro. Individualaufbauten sind im Flagship-Store in Oberkirch möglich, dann auch mit Schaltungen von Campagnolo oder SRAM.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung aber auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass bei einem mittleren Streckenprofil von 1.000 Höhenmetern pro 100 Kilometer die physikalische Wirkung von Gewicht und Aerodynamik für die Durchschnittsgeschwindigkeit vergleichbar ist. Zur Orientierung: Die aerodynamische Optimierung des Rades kann auf solch einer Strecke bis zu knapp vier Kilogramm Gewicht kompensieren. Gleichzeitige Bestnoten in Gewicht UND Aerodynamik schließen sich aus, aber es gibt Rennräder, die einen sehr guten Kompromiss finden. Ist die Strecke bergiger als unsere Referenzstrecke, nimmt die Bedeutung des Gewichts zu, ist die Strecke flacher, wird die Aerodynamik wichtiger.
Luftwiderstand (25 Prozent der Gesamtnote): Dynamisch gemessen im Windkanal, mit TOUR-Dummy, drehenden Rädern, bewegten Beinen und über ein großes Spektrum von Anströmwinkeln. Verdichtet zu einer Aerodynamik-Note für typische Umweltbedingungen.
Frontsteifigkeit (10 Prozent der Gesamtnote): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent der Gesamtnote): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Komfort Heck (10 Prozent der Gesamtnote): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (5 Prozent der Gesamtnote): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Schalten (5 Prozent der Gesamtnote): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent der Gesamtnote): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent der Gesamtnote): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.