Wilier Filante SL im TestAn der Preisobergrenze - aber fährt es auch so?

Das Wilier Filante SL im TOUR-Test
Foto: Matthias Borchers
Leichte und schnelle Profirennräder ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Allerdings sind moderne High-End-Modelle oft sehr teuer. Doch es gibt erschwinglichere Alternativen, die technisch und optisch fast gleichwertig, aber deutlich preiswerter sind. Wir haben 17 dieser Modelle getestet – darunter das Wilier Filante SL. Willkommen in der spannenden Ultegra-Klasse!

​​​​​​​Alle weiteren 16 Wettkampfrennräder des TOUR-Tests

​Wilier Filante SL: Bezahlbarer Ableger der Profiversion

Das Wilier Filante debütierte in seiner aktuellen Form bereits 2020, seinerzeit noch als ausgewiesenes Aero-­Rennrad neben dem sehr leichten Zero. Schnell stellte sich aber heraus, dass die jüngere Konstruktion der ­bessere Alleskönner ist. Im Profi-Trimm war es aerodynamisch deutlich schneller, aber kaum schwerer als das Zero: Ein Filante SLR mit High-End-Ausstattung hatten wir mit nur 6,9 Kilogramm auf der Waage, bei durchaus passabler Aerodynamik. Das geringe Gewicht ist heute noch ein Top-Wert, auch wenn es inzwischen deutlich mehr gleichwertige Konkurrenten gibt. Allerdings werden beim Traditionshersteller aus Rossato Veneto ­für das leichte Traumrädchen mindestens 11.700 Euro ­fällig.

Um das Modell auch einem weniger solventen Publikum zugänglich zu machen, gibt es seit zwei Jahren den Ableger Filante SL, dessen Rahmen mit einer günstigeren Carbonqualität gefertigt und mit preiswerteren Komponenten aufgebaut wird. Das immer noch zeitgemäß ­wirkende Rahmendesign und die Geometrie sind mit dem Top-Modell, das in diesem Jahr von der Mann­schaft Groupama - FDJ in der Tour de France pilotiert wurde, identisch. Ein echtes Schnäppchen ist aber auch diese Variante nicht. Mit glatt 7.000 Euro markiert das Wilier mit Shimanos Ultegra-Komponenten die preisliche Obergrenze unseres Testfeldes. Es kann jedoch in der Konkurrenz nicht vom ­höheren Budget profitieren. Im Gegenteil folgt es nach Noten und auch beim Fahrverhalten den Testsiegern, die zum Teil deutlich günstiger sind, mit gebührendem Abstand. Dabei lassen sich die Gründe für den deutlichen Unterschied auf den ersten Blick nur schwer ausmachen.

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Mit glatt 7000 Euro markiert das Wilier mit Shimanos Ultegra-Komponenten die preisliche Obergrenze unseres Testfeldes.Foto: Matthias BorchersMit glatt 7000 Euro markiert das Wilier mit Shimanos Ultegra-Komponenten die preisliche Obergrenze unseres Testfeldes.

Das teuerste, aber nicht das beste Rad im Testfeld

Die preiswerten Reifen sind noch das augenfälligste Detail, davon abgesehen wirkt das Rad attraktiv aufgebaut. Auch das Filante SL kommt mit 50 Millimeter hohen ­Aero-Felgen und einer Lenkereinheit aus Carbon, wie sie auch die deutlich teurere Variante auszeichnet.

Das Filante SL kommt mit 50 Millimeter hohen ­Aero-Felgen und einer Lenkereinheit aus Carbon, wie sie auch die deutlich teurere Variante auszeichnet.Foto: Matthias BorchersDas Filante SL kommt mit 50 Millimeter hohen ­Aero-Felgen und einer Lenkereinheit aus Carbon, wie sie auch die deutlich teurere Variante auszeichnet.

Optisch ist es damit von einem High-End-Rennrad kaum zu unterscheiden. Im Windkanalversuch schneidet es dennoch messbar langsamer ab als seinerzeit das Profirad. Wie sich zeigt, ein Nachteil der Laufräder und/oder Reifen: Mit unseren Referenz-Laufrädern von Zipp wird das ­Testrad um vier Watt schneller – und trifft mit dann ordent­lichen 215 Watt das Niveau des Top-Modells. Hinzu kommt eine Schwäche, die sich bei unseren Steifigkeitsmessungen im Testlabor offenbart: Das Rahmen-Set ist nicht so fahrstabil wie bei modernen Rennrädern ­üblich. Zwar ist das zumindest für leichte ­Piloten nicht kritisch.

Die Fahreigenschaften des Wilier Filante SL

Dennoch lenkt sich das Rad besonders in schnellen Kurven weniger definiert und kontrolliert. Für relativ schwere Fahrer kann das unangenehm werden. Eine weitere Lücke zur Konkurrenz klafft beim Gewicht. Hier belegt das Filante SL einen hinteren Platz, nur Bianchi und Trek sind schwerer. Nicht nur der etwa 150 Gramm schwerere Rahmen und die Schaltgruppe führen dazu, dass das Rad ein sattes Kilogramm mehr wiegt als das eingangs ­erwähnte Profimodell. Wieder müssen vor allem die Laufräder und Reifen Kritik einstecken; gegenüber den leichtesten Sets von Benotti und Storck steckt hier schon ein Nachteil von gut 500 Gramm.

Schnellverschluss: Das linke Ausfallende ist für den einfacheren Lauf­radwechsel unten offen. Die passende Steckachse kostet jedoch extra.Foto: Matthias BorchersSchnellverschluss: Das linke Ausfallende ist für den einfacheren Lauf­radwechsel unten offen. Die passende Steckachse kostet jedoch extra.

Letztlich sind sie es auch, die den Fahrspaß auf dem Rad ein wenig dämpfen. Das Filante beschleunigt weniger spritzig und wirkt beim Einlenken etwas träge. Gegenüber den in dieser Preisklasse üblicherweise aufgezogenen Top-Reifen, teils mit Tubeless-Set-up, rollen die Vittoria Rubino mit Butylschlauch etwas zäher und unkomfortabler ab, obwohl sie mit über 30 Millimetern recht breit ausfallen. Ein wirksamer Tuning-Tipp liegt damit auf der Hand. Ansonsten würden wir an den Komponenten wenig ändern, der bequeme Sattel und die angenehm zu greifende Lenkereinheit mit dem ovalen Oberlenker haben uns sogar ausnehmend gut gefallen.



Spaßbremse: Ein Wechsel auf leichtere, besser rollende Reifen würde das Rad spürbar beschleunigen.Foto: Matthias BorchersSpaßbremse: Ein Wechsel auf leichtere, besser rollende Reifen würde das Rad spürbar beschleunigen.

Einsatzbereich und Ausstattung

Ob die Kompaktkurbel zu den eigenen Ansprüchen passt, ist Geschmackssache. Wer keine ambitionierten Rennen fährt, sondern nur gelegentlich sportliche Trainingsrunden in Angriff nimmt, dürfte dankbar sein, weil sich auch mit wenig Leistung die feine Abstufung der Kassette nutzen lässt. Mit einem Wechsel der Ritzel ließe sich zudem ohne großen Aufwand eine sehr bergtaugliche Übersetzung realisieren. Insgesamt werden neun Ausstattungen des Filante SL angeboten. Los geht’s bei 5100 Euro mit SRAM Rival oder Shimano 105 Di2 samt Alu-Laufrädern, womit das Gewicht ­jedoch auf knapp neun Kilogramm steigen dürfte. Das Top-Modell kommt mit der ­edlen Campagnolo Super Record und kostet 9800 Euro. Der leichtere SLR-Rahmen mit Ultegra und leichteren Laufrädern liegt schon bei 9400 Euro.

Wilier Filante SL: Infos & Test-Note

  • Preis: 7000 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 7,9 Kilo
  • Rahmengrößen: XS, S, M, L, XL, XXL (Testgröße gefettet)
  • TOUR-Note: 2,6
Wilier Filante SLFoto: Matthias BorchersWilier Filante SL

Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 522/555/151 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 570/385 Millimeter/1,48
  • Stack+/Reach+/STR+: 618/586 Millimeter/1,05
  • Radstand/Nachlauf: 1000/63 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: Shimano Ultegra (2x12; 50/34, 11-30 Z.) | Note: 1,0
  • Bremsen: Shimano Ultegra (160/140 mm) | Note: 1,0
  • Reifen: Vittoria Rubino 28 mm (eff.: 31 mm) | Note: 2,5
  • Laufräder: Miche SWR Evo 50
  • Laufradgewichte: 1347/1785 Gramm (v./h.)

Messwerte

  • Gewicht Komplettrad: 7920 Gramm | Note: 3,0
  • Aerodynamik: 219 Watt | Note: 2,7
  • Fahrstabilität: 6,2 N/mm | Note: 3,0
  • Komfort Heck: 166 N/mm | Note: 2,7
  • Komfort Front: 94 N/mm | Note: 2,7
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 51 N/mm | Note: 2,7

Vor- und Nachteile des Wilier Filante SL

  • Plus: gute Kontaktpunkte, angenehmes Handling
  • Minus: relativ schwer, Schwächen bei der Fahrstabilität, einfache Reifen

tour/image_165c64bd714a36ae6f9450e8d7a962c4Foto: TOUR

So testet TOUR

Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplett­radgewicht in der einheit­lichen Testradgröße ­56–57 Zentimeter. Wir weisen zur ­Orientierung aber auch die Laufradgewichte aus. Die ­Notenskala ist so gelegt, dass bei einem mittleren Streckenprofil von 1000 Höhenmetern pro 100 Kilometer die physikalische Wirkung von Gewicht und Aerodynamik für die Durchschnittsgeschwindigkeit vergleichbar ist. Zur Orientierung: Die aerodynamische ­Optimierung des Rades kann auf solch einer Strecke bis zu knapp vier Kilogramm Gewicht kompensieren. Gleichzeitige Bestnoten in Gewicht UND Aerodynamik schließen sich aus, aber es gibt Renn­räder, die einen sehr guten Kompromiss finden. Ist die Strecke bergiger als unsere Referenzstrecke, nimmt die Bedeutung des Gewichts zu, ist die Strecke flacher, wird die Aero­dynamik wichtiger.

Luftwiderstand (25 Prozent der Gesamtnote): Dynamisch gemessen im Windkanal, mit TOUR-Dummy, drehenden Rädern, bewegten Beinen und über ein großes Spektrum von Anströmwinkeln. Verdichtet zu einer Aerodynamik-Note für typische Umweltbedingungen.

Frontsteifigkeit (10 Prozent der Gesamtnote): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern aus­reichend fahrstabile Rahmen.

Tretlagersteifigkeit (10 Prozent der Gesamtnote): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten ­Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit ­einer realitätsnahen Auf­spannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.

Komfort Heck (10 Prozent der Gesamtnote): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahr­bahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute ­Noten be­deuten auch eine ­ordentliche Fahr­dynamik, die sich auf schlechten Straßen positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.

Komfort Front (5 Prozent der Gesamtnote): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.

Schalten (5 Prozent der Gesamtnote): Die Schalteigen­schaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.

Bremsen (5 Prozent der Gesamtnote): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Brems­körper, ­Belägen und Scheiben be­wertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie lang sind die Bremswege?

Reifen (5 Prozent der Gesamtnote): Bewertet werden Roll­widerstand und Grip – soweit bekannt aus einem ­unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahr­eindrucks. Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozent­angaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.

Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozent­angaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.

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