Manuel Jekel
· 31.07.2016
Ein Pinarello Dogma F8 ist nicht irgendein Rennrad. Es ist das Rad des Tour-Siegers 2016 und für viele Fans eine Ikone. Doch was ist das Rad ohne die Beine von Chris Froome wert? Der Test verrät es.
Nüchtern betrachtet ist das Dogma F8 ein hochwertig ausgestattetes, modernes Rennrad. Aber wer betrachtet ein italienisches Rennrad schon emotionslos? Zumal, wenn es sich um das Modell handelt, auf dem 2015 die Tour de France gewonnen wurde? Der Sieg von Chris Froome vom Team Sky war bereits der zwölfte Tour-Erfolg seit 1988 für die Marke aus Villorba. Für viele Pinarello-Fans ist vermutlich alleine das Grund genug, ihr Herz dem Dogma F8 zu schenken und den Geldbeutel dafür weit zu öffnen.
Ein solches Rad einem schnöden Labortest zu unterziehen, erscheint da ja beinahe als Majestätsbeleidigung. Bei aller Ehrfurcht konnten wir am Ende aber nicht aus unserer Haut. Wie gut ist das Dogma F8 ohne Chris Froome? Um das herauszufinden, prüften wir das Rad im TOUR-Labor auf Herz und Nieren und führten einen Einzeltest im GST-Windkanal am Bodensee durch. Viel Aufwand für ein einzelnes Rad, bei der Prominenz des Kandidaten aber angemessen.
EIGENSTÄNDIGE ERSCHEINUNG
Formal bleibt sich Pinarello beim Dogma F8 treu. Das Rad verfügt über jene Portion Extravaganz, die viele italienische Räder auszeichnet. Was nicht unbedingt gleichbedeutend ist mit Eleganz; ob das an einen Schiffsbug erinnernde Steuerrohr oder der Absatz am Übergang zwischen Gabelkopf und Steuerrohr elegant sind, darüber lässt sich streiten. Auch die gegenläufig geschwungene Gabel mit den auffällig weit auseinanderstehenden Scheiden könnte Anhänger klassischer italienischer Rahmenbaukunst irritieren. Die etwas eigenwillige Form rechtfertigt sich jedoch beim Blick auf das Windkanalergebnis. 206,2 Watt Widerstand, gemessen bei 45 km/h mit Fahrer-Dummy, sind ein Spitzenwert.
Verglichen mit anderen aktuellen Aero-Rennrädern (siehe TOUR 1/2016) ist das Dogma F8 ein bemerkenswert unkomplizieres Rad. Es verfügt über normale Seitenzugbremsen und ein Tretlager mit italienischem Gewinde. Darüber freuen sich nicht nur Profi-Mechaniker, die beim Montieren viel Zeit sparen, sondern auch selbstschraubende Hobbyfahrer. Trotzdem erzielt das Dogma F8 in der Aero-Wertung Rang fünf der schnellsten bisher von TOUR gemessenen Räder. In der Gesamtwertung des Tests im Januar wäre das Rad unter 15 Konkurrenten auf Rang vier gelandet.
SCHNELL, STEIF, HART
Zu diesem guten Ergebnis trägt auch die exzellente Rahmensteifigkeit bei, das Dogma F8 ist überragend verwindungssteif und fahrstabil. Weniger im Fokus der Entwickler standen Gewicht und Federkomfort. Etwas mehr als 1.000 Gramm für den Rahmen in Größe 55 und zusätzliche 409 Gramm für die extrem steife Gabel sind vergleichsweise schwer, mit Blick auf den Einsatzzweck aber eher nebensächlich. 7,0 Kilo wiegt das Testrad mit kompletter Dura-Ace Di2-Gruppe, Lenker-Vorbau-Einheit und Zeitfahr-Laufrädern von Mavic mit 60 Millimeter hohen Felgen. Mit einigen Änderungen – vor allem leichteren Laufrädern – lässt sich das Rad problemlos auf die 6,8 Kilo bringen, die der Weltverband UCI für Wettkampfräder als Untergrenze vorschreibt. Allerdings sind die CXR-60-Laufräder ein wichtiger Faktor für das gute Aero-Ergebnis. Bei der Vergleichsmessung ist das Dogma F8 damit sogar einen Wimpernschlag schneller als mit der Referenz Zipp 404. In der Praxis dürfte man das Rad dennoch sehr selten mit den CXR 60 sehen. Mit mittelhohen Felgen ist das Rad agiler, klettert leichter und reagiert weniger auf Seitenwind als mit den CXR 60. Was auf der Straße auch auffällt, ist die ausgeprägte Härte an Lenker und Sattel – sicher die große Schwäche des Rades. Spaß macht das Dogma F8 deshalb vor allem dann, wenn man es richtig krachen lässt. Dank der enormen Steifigkeit liegt das Rad extrem sicher auf der Straße. Auf schnellen Abfahrten fühlt man sich sehr sicher, auf langen Geraden gegen den Wind meint man den Aerovorteil deutlich zu spüren. Locker rollen hingegen klappt irgendwie nicht – das Rad scheint einen ständig zum Schnellfahren zu zwingen.
TEURES SPONSORING
Sich mit dem Dogma F8 anzufreunden, fällt nicht schwer – bis man den Preis erfährt. Der deutsche Vertriebspartner FPO bat uns, nur den Preis für das Rahmen-Set zu veröffentlichen; der Preis für das komplette Rad, wie wir es fahren konnten, dürfte nicht allzu weit von der 15.000-Euro-Marke entfernt liegen. Offensichtlich ist FPO die aus Italien vorgegebene Kalkulation selbst etwas unangenehm. Vermutlich muss Pinarello für Räder dieses Kalibers aber einen deutlich fünfstelligen Preis verlangen, schließlich sponsert man als vergleichsweise kleiner Hersteller mit Team Sky doch einen der teuersten Rennställe im Profi-Peloton. Weil Pinarello weiß, wie wichtig das Image der Siegermarke für den Erfolg der Firma ist, wurde der Ausrüstervertrag mit Sky erst kürzlich vorzeitig um vier Jahre verlängert. Wahrscheinlich gewinnt eher wieder ein Pinarello-Pilot die Tour, als dass der Preis des Dogma in absehbarer Zeit auf pulssenkendes Niveau fällt ...
FAZIT: Wettkampfrad ohne Kompromisse. Super aerodynamisch, extrem fahrstabil, exzellente Kraftübertragung, sehr viele Rahmengrößen. Kaum Federkomfort, abgehobener Preis.
GESAMTNOTE 1,6
Preis 4.999 Euro (Rahmen-Set)
Gewicht 7,0 Kilo
Info www.pinarello.com
Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager* 1.019/405/82 Gramm
Rahmengrößen** 42, 44, 46,5, 47, 50, 51,5, 53, 54, 55, 56, 57,5, 59,5, 62 cm
Sitz-/Ober-/Steuerrohr 540/555/158 mm
Stack/Reach/STR*** 564/391 mm/1,44
Antrieb/Bremsen Shimano Dura-Ace (50/34 Z.; ital. Gewinde)
Schaltung Shimano Dura-Ace Di2
Laufräder/Reifen (Gewichte) Mavic CXR Ultimate 60T/Mavic CXR Ultimate Powerlink/Griplink 23 mm (Schlauchreifen; v./h. 1.084/1.476 Gramm)
* Gewogene Gewichte.
** Herstellerangabe, Testgröße fett.
*** Stack/Reach projiziertes senkrechtes/ waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.