Ratgeber Reifendruck - Der richtige Luftdruck beim Rennrad

Robert Kühnen

 · 18.11.2021

Ratgeber Reifendruck - Der richtige Luftdruck beim RennradFoto: Skyshot/Greber

Luft in den Reifen ist der Schlüssel zum Fahrgefühl des Rennrads. Aber wie viel Luft ist optimal? Wie kommt sie rein, und wie bleibt sie möglichst lange dort? Was passiert mit dem Druck, wenn die Temperatur steigt? Alles über den Reifendruck am Rennrad.

Die Reifen nur fingerdick und knallhart aufgepumpt – das war einmal. Heute sind Rennradreifen breiter, voluminöser, und sie benötigen deutlich weniger Druck; auf breiten Felgen sind weniger als vier Bar möglich. Trotzdem rollen sie schneller und komfortabler und haften besser auf der Straße. Hier steht alles Wissenswerte zum Rennrad-Reifendruck

Fahrergewicht und Reifendruck am Rennrad

Der passende Luftdruck beim Rennrad: Mit unserer Übersichtstabelle finden Sie den passenden Reifendruck. Der hängt vom Fahrergewicht (oben), der Reifenbreite (links in Millimeter) und der Felgenbreite (C) ab.Foto: TOUR
Der passende Luftdruck beim Rennrad: Mit unserer Übersichtstabelle finden Sie den passenden Reifendruck. Der hängt vom Fahrergewicht (oben), der Reifenbreite (links in Millimeter) und der Felgenbreite (C) ab.

Über ihr Körpergewicht sowie ihre Reifen-Felgen-Kombination können Sie unsere Empfehlung ablesen. Je schwerer der Fahrer und je schmaler Reifen und Felge, desto mehr Druck gehört in den Pneu. Die Werte sind als Empfehlung zu sehen, als Ausgangspunkt fürs eigene Ausprobieren – passend zu Strecke und Fahrstil, oder auch Beladung mit Gepäck. Die Reifen sollen federn, aber nicht springen oder sich schwammig anfühlen. Ohne Schlauch kann man den Druck um 0,5 bis 0,7 Bar senken. Breitere Felgen gestatten noch niedrigeren Druck. Der Vorderreifen kann ein paar Zehntel Bar weniger aufgepumpt sein als der hintere. Das obere Limit diktieren die Grenzen von Reifen oder Felge – die niedrigere Angabe ist im Zweifel ausschlaggebend. Die unteren Grenzwerte, die auf vielen Reifenflanken stehen, sind oft nicht mehr praxisgerecht; die Hersteller wollen sich beim Rennrad-Reifendruck absichern, aber es kann sich lohnen, auf eigene Gefahr tiefer zu gehen.

Rennrad Reifendruck richtig messen

Der Druck im Rennradreifen ist der Überdruck gegenüber dem Umgebungsdruck, meist in der Einheit Bar angegeben, manchmal auch in PSI (pounds per square inch).

Die Umrechnung: 1 bar = 14,5 psi

  Den Luftdruck im Reifen zu schätzen, ist schwierig. Manometer sind die bessere Lösung. Für unterwegs gibt’s kleine elektronische Druckmesser (wie z.B. <a href="https://www.awin1.com/cread.php?awinmid=28561&awinaffid=471469&clickref=T+Schwalbe+Airmax+Pro&ued=https%3A%2F%2Fwww.alltricks.de%2FF-11929-outillage%2FP-1858699-schwalbe_airmax_pro_11bar_manometer" target="_blank" rel="noopener noreferrer">Schwalbe Airmax Pro</a>*) für die Trikottasche.Foto: Robert Kühnen
Den Luftdruck im Reifen zu schätzen, ist schwierig. Manometer sind die bessere Lösung. Für unterwegs gibt’s kleine elektronische Druckmesser (wie z.B. Schwalbe Airmax Pro*) für die Trikottasche.

Kontaktfläche Hinterreifen – unabhängig von der Reifenbreite

Anderthalb oder knapp zwei Briefmarken als Kontaktfläche zur Straße? Der Reifendruck bestimmt die Größe der Fläche, auf der wir mit dem Rennrad fahren. (Beispiel für 80 kg Systemgewicht, 60 Prozent der Last auf dem Hinterrad)

Bei 6 Bar und 48 kg Radlast: 7,8 Quadratzentimeter

Bei 5 Bar und 48 kg Radlast: 9,4 Quadratzentimeter + 20 Prozent mehr Fläche

Ziel: Mehr Komfort durch den passenden Reifendruck am Rennrad

Die Reifen sind wesentlicher Teil des Rennradfahrwerks, sie steuern mindestens die Hälfte des Federwegs bei. Zudem lässt sich das Rad über den Reifendruck ganz einfach auf Fahrer und Strecke abstimmen – wenn man der Versuchung widersteht, so viel Luft wie möglich in den Reifen zu pressen. Die auf den Reifenflanken angegebenen Werte für den Reifendruck sind dazu oft kein guter Ratgeber, denn sie orientieren sich nicht an den Anforderungen des Fahrers, sondern beschreiben die Grenzen der Belastbarkeit des Reifens. Zwischen zu hart und richtig eingestellt liegen Welten; aber auch ein halbes Bar mehr oder weniger ist schon deutlich zu spüren.

  Auf Rüttelpassagen rollt es sich mit weniger Reifendruck leichter.Foto: Gruber Images
Auf Rüttelpassagen rollt es sich mit weniger Reifendruck leichter.

Der geringstmögliche Druck ist erreicht, wenn Stöße den Reifen bis auf die Felge durchschlagen lassen. Schläuche platzen dann. Reifen ohne Schläuche kann man deshalb mit weiteren 0,5 bis 0,7 Bar weniger Druck fahren – hier setzt die Felge das Limit, die nicht verbeulen soll. Auch die Lenkung wird bei zu wenig Druck schwammig. Breitere Felgen wirken dieser Tendenz entgegen, weil sie die Reifen auch unter wenig Druck formstabil halten. Breite Reifen federn mehr als schmale, weil sie mit weniger Druck noch sicher zu fahren sind.

Ziel: Mehr Grip durch passenden Reifendruck

Rennfahrer wissen: Auf regenglatten Straßen hilft es, den Rennrad-Reifendruck um ein Bar zu senken. Weniger Druck bedeutet mehr Aufstandsfläche, auf der sich der Gummi mit dem Asphalt verzahnen kann – dadurch haftet er sicherer. Zugleich federt der weichere Reifen mehr und folgt dem Untergrund besser, was den Grip ebenfalls fördert. Außerdem sinkt das Risiko, dass der Reifen auf Unebenheiten springt und dann wegrutscht.

Ziel: Mehr Speed mit dem Rennrad

Auf einem idealen, glatten Untergrund – etwa einer Radrennbahn – rollen härter aufgepumpte Reifen leichter. Auf echten Straßen nicht. Das liegt daran, dass Asphalt nicht wirklich glatt ist und zu harte Reifen darauf nicht mehr ausreichend federn. Stattdessen springen sie, rütteln den Fahrer durch – und der Fahrwiderstand nimmt zu. Extrem ist das auf Kopfsteinpflaster-Strecken. Dort geht es, ähnlich wie im Gelände, darum, den Druck so weit wie möglich zu senken, um das Fahrwerk zu verbessern.

Foto: Markus Greber

Tubeless Rennradreifen: Vorteil durch niedrigen Reifendruck

Jan ­Niklas Jünger, Produktmanager Road/Gravel bei Continental im Interview

TOUR: Profis fahren meistens Schlauchreifen, dabei sind Tubeless-Reifen auf Prüfständen schneller. Wäre Tubeless nicht ein Vorteil in vielen Rennsituationen?

Niklas Jünger: In den meisten Anwendungsfällen des Profiradsports bietet der Tubeless-Reifen Vorteile: Rollwiderstand, Dämpfung, Druckbereiche. Wir haben schon vor zwei Jahren mit Profis auf den Klassikerstrecken getestet und dabei festgestellt, dass ein Fahrer mit Tubeless-Reifen an einem Pflasteranstieg sechs Sekunden Vorsprung in nur einer Minute rausfahren könnte.

Das ist sehr viel. Warum sieht man Tubeless trotzdem nicht regelmäßig in Rennen?

Dieser extreme Vorteil ist ein Resultat aus niedrigem fahrbarem Luftdruck und besserer Dämpfung, bei kleinen Einbußen im Rollwiderstand. Die größte Herausforderung ist die Abstimmung des Set-ups der Teams aus Reifen-, Laufrad- und Rahmensponsor.

Warum sind Tubelessreifen eigentlich so viel schneller als Schlauchreifen?

Vor allem, weil wir mit weniger Druck fahren können und der reale Gesamtwiderstand dadurch sinkt. Einen 32-Millimeter-Tubeless-Reifen können die Profis mit deutlich weniger als 4 Bar fahren, der Mindestdruck für Schlauchreifen liegt hingegen bei 4,5 bis 5 Bar.

Ist auf normalen Straßen ein 32er-Tubeless-Pneu mit weniger als 4 Bar konkurrenzfähig gegenüber einem härter gepumpten Schlauchreifen?

Der Rollwiderstand verläuft linear zu Systemgewicht und Geschwindigkeit; bei mehr als 40 km/h ist eine Ersparnis im zweistelligen Wattbereich möglich. Selbst auf der feinsten französischen Landstraße ist ein Tubeless-Reifen mit geringem Luftdruck schneller als ein knallharter Rennrad-Schlauchreifen.

Bei Paris-Roubaix 2019 fuhr Alexander Kristoff 25 Millimeter breite Tubeless-Reifen, hatte zahlreiche Pannen und beklagte anschließend die falsche Reifenwahl. Hatte er Pech, oder war der Reifen zu schmal fürs grobe Pflaster?

Aus der Beobachtung kann ich nur schließen, dass der Fahrer falsch beraten wurde. Ein mehr als 80 Kilogramm schwerer Fahrer wäre auf dem Untergrund mit einem 30-Millimeter-Reifen und 4 Bar auf einer flachen Felge sicher unterwegs gewesen. Ein schmaler Reifen auf hoher Felge erhöht nur die Gefahr eines Durchschlags. Auch Tubeless-Reifen sind nicht völlig pannenfrei, aber die Technik erweitert die Möglichkeiten, das Reifen-Set-up an die konkrete Anforderung anzupassen. Mountain- und Gravelbiker sind da schon weiter und kennen zumeist schon die Vorteile des geringen Luftdrucks.

Foto: Markus Greber

Fragen und Antworten zum Rennrad Reifendruck

Macht viel Luftdruck jeden Rennrad-Reifen schnell?

Nein. Auf glattem Untergrund rollt zwar jeder Reifen etwas leichter, wenn er stärker aufgepumpt wird. Aber Konstruktion und Gummimischung haben starken Einfluss aufs Rollen. Sehr gute Reifen halbieren den Rollwiderstand bei gleichem Druck gegenüber einfachen Modellen und rollen auch mit geringem Reifendruck sehr gut.

Muss man bei Flugreisen mit dem Rennrad Luft aus den Reifen lassen?

Nein. Es wird oft gefordert, ist technisch aber unsinnig, da der Druck während des Fluges nur marginal zunimmt. Wenn das Rad verpackt fliegt, kann die Luft im Reifen bleiben. Aber Achtung: CO2-Kartuschen sind im Flugzeug nicht erlaubt und werden beim Scannen des Gepäcks erkannt.

Kann die Hitze beim Bremsen oder beim Transport im Auto Reifen platzen lassen?

Wurde der Reifen bei 20 Grad aufgepumpt, steigt der Druck bei der Erwärmung auf 80 Grad um maximal 20 Prozent. Aus 7 können so 8,4 Bar werden. Große Bremshitze kann Schläuche platzen lassen – aber nicht wegen des höheren Drucks, sondern weil der Schlauch an Festigkeit einbüßt.

Schützt mehr Reifendruck vor Pannen?

Ja. Zumindest ist ein Mindestdruck erforderlich, damit der Reifen den Schlauch nicht einzwickt, wenn ein Hindernis überfahren wird. Denn dann reißt der Schlauch auf. Den klassischen Durchschlag erkennt man an den zwei kleinen nebeneinanderliegenden Löchern, die dabei entstehen. Es sieht aus wie ein Schlangenbiss, weshalb das englische „Snakebite“ gerne dafür verwendet wird.

Kann man Rennrad-Reifen zu hart aufpumpen?

Ja. Sowohl Reifen als auch Felgen unterliegen Beschränkungen. Bei höherem Druck besteht die Gefahr, dass der Reifen abspringt. Die Grenzwerte sind sehr verschieden. Hakenlose Clincher-Felgen haben die niedrigsten Limits (und sind nur mit bestimmten Reifentypen zugelassen).

Woran merke ich, dass zu wenig Luft im Reifen ist?

Wenn das Rad sich schwammig fährt und unpräzise lenkt, ist der Druck zu niedrig. Der Reifen verformt sich zu stark und bringt die Lenkkraft nur verzögert auf den Boden. Auch wenn die Felge bei Stößen durchschlägt, ist der Druck zu niedrig.

Wie oft muss ich nachpumpen?

Von täglich bis wöchentlich – das hängt vom verwendeten Reifensystem ab (siehe Seite 43).

Woran merke ich, dass in Tubeless-Reifen die Dichtflüssigkeit nachgefüllt werden muss?

Wenn man immer häufiger nachpumpen muss, ist die Milch gealtert. In diesem Fall über den Ventilschaft Dichtmittel nachfüllen (vorher den Ventileinsatz herausschrauben).

Altern Ventile im Rennrad-Schlauch?

Ja. Insbesondere Tubeless-Ventile verkleben mit der Zeit und funktionieren nicht mehr richtig. Dann den Ventileinsatz tauschen.

Altern Rennrad-Schläuche?

Ja. Butyl hält mehrere Jahre, sollte dann aber aus Sicherheitsgründen auch mal gewechselt werden. TPU-Schläuche verformen sich plastisch und sollten beim Wechsel des Mantels erneuert werden. Latex-Schläuche altern ebenfalls und sind prinzipbedingt anfälliger für Schäden.

Altern Rennrad-Mäntel?

Ja. UV-Strahlung macht die Seitenwände porös, die Lauffläche ändert ihre Eigenschaften. Solange keine größeren Risse auftreten, kann man den Reifen aber weiter fahren.

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