Christiane Bertelsmann
· 14.05.2023
Mit dem Fahrrad und der Bahn klimafreundlich in den Urlaub – das erscheint vielen als zu umständlich. Wir haben uns in Deutschland und ein paar Nachbarländern angeschaut, ob die Bahnreise mit Rennrad oder Gravelbike stressfrei funktionieren kann und wie die Fahrradmitnahme möglich ist.
Markus Vogt nimmt sich für die Anreise mit Bahn und Rad immer einen Extra-Tag frei. Der Rad-Blogger und Gravelbiker aus Tübingen reist fast grundsätzlich per Bahn in den Radurlaub. “Aber man muss eben immer mit Verspätungen rechnen. Wer dann nicht flexibel ist und zeitlich alles auf Kante genäht hat, bleibt im wahren Wortsinn auf der Strecke”, so seine Erfahrung.
David Koßmann, Chefredakteur des Magazins “fahrstil”, sieht das ganz ähnlich: “Ich nehme nie den letzten Zug, wenn ich das Rad dabeihabe.” Und ein Rad hat Koßmann eigentlich in der Bahn immer dabei: “Ohne fühle ich mich, als hätte ich etwas vergessen. Ich hatte noch nie ein Auto, dafür besitze ich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Bahncard 50.”
Einigen Horrormeldungen zum Trotz, etwa Mega-Verspätungen, Baustellen, unwirsche Schaffner oder auch Mitreisende, die kein Verständnis für Menschen haben, die ihr Rad in der Bahn mitnehmen (O-Ton Berliner S-Bahn-Gast: “Ick hab jehört, mit den Dingern kann man auch auf der Straße fahren.”) – unterm Strich klappt die Fahrradmitnahme in der Bahn innerhalb Deutschlands und im angrenzenden Ausland immer besser, wenn man sich an drei Grundregeln hält: gut planen, sich für die Reise Zeit lassen, rechtzeitig buchen!
Die Bahn-Verkehrsbetriebe in der EU sind sogar gezwungen, sich auf Reisende mit Fahrrädern einzustellen, das ist gesetzlich verankert: Laut einer EU-Neuverordnung aus dem Jahr 2020 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr haben Reisende künftig ein Recht auf Fahrradmitnahme in Fern- und Regionalzügen.
Bei der Deutschen Bahn (DB) ist man stolz, dass die Fahrradmitnahme inzwischen immer öfter genutzt wird: 2022 hat die DB nach eigenen Angaben im Fernverkehr mehr als 570.000 Fahrräder transportiert, elf Prozent mehr als 2021. Auch auf einigen ICE-Verbindungen kann man mittlerweile das Rad mitnehmen – sofern im Radabteil noch Platz ist. Eine Reservierung mit Zugbindung und Radkarte ist aber obligatorisch.
Doch Achtung: Die Halter an der Wand im Radabteil fassen nur relativ schmale Reifen. Rennräder passen problemlos hinein, die Reifen von Mountainbikes oder E-Bikes oft nicht – und ist der Schaffner stur, darf das Rad dann nicht mit.
Und die Sicherheit des Rades im Abteil? Die Bahn empfiehlt, die Räder während der Reise abzuschließen und eine Sitzplatzreservierung direkt beim Radabteil zu wählen. “Ich versuche immer, in der Nähe meines Rades zu bleiben und sichere es mit einem guten Schloss am Haltebügel”, sagt Rad-Blogger Vogt. Speziell in Bahnhöfen wie Frankfurt am Main oder in Köln, wo der Zug länger stehe und viel Betrieb sei, passe er besonders gut auf.
In Nahverkehrszügen ist die Fahrradmitnahme anders geregelt: Man braucht eine Fahrradkarte für sechs Euro, kann aber keinen Stellplatz reservieren. Dort gilt: Voll ist voll. Die Schweizerische Bundesbahn (SBB) regelt das flexibler. Bei großer Nachfrage öffnet die SBB ihre Gepäckabteile für “Velos”, wie Fahrräder in der Schweiz heißen. SBB-Mitarbeiter verstauen dort die Räder und händigen sie den Reisenden am Zielbahnhof wieder aus.
So viel Flexibilität wünscht man sich auch von der Deutschen Bahn. Aber weil die DB nicht so flexibel ist, müssen es eben die Reisenden sein. So wie David Koßmann. Sein Tipp: “Ich montiere die Laufräder ab, drehe den Lenker um 90 Grad und verstaue das Rad in einer großen Packtasche.” Die Laufräder steckt Koßmann in eine Extratasche, die er zwischen den Sitzen platzieren kann. Damit die Radtasche nicht umfällt, befestigt er sie am Handlauf im Gang mit einem Riemen. “Das funktioniert meistens”, sagt Koßmann – auch außerhalb Deutschlands reist er mit dem so zerlegten Rad.
Zwar gelten für Gepäckstücke Höchstmaße, die von Land zu Land variieren; als Faustregel gilt aber, dass man das möglichst klein verpackte Fahrrad selbst transportieren können muss. David Koßmann jedenfalls hatte mit seiner Methode bislang immer Glück: “Nur einmal wollte mich ein eifriger Nachwuchsschaffner rausschmeißen, doch der nächste Halt war sowieso meiner.”
Dres Balmer, TOUR-Reisereporter aus Bern und nach eigenen Angaben immer und überallhin mit Rad und Bahn unterwegs, nimmt sein Velo grundsätzlich in der Packtasche mit. Gerade wenn er nach Frankreich will oder von Frankreich aus zurück nach Hause in die Schweiz.
Sein Tipp: “Da gibt’s nur eins: Velo in den Sack!” Erst im Herbst 2022 war er in Südfrankreich, es musste mal wieder die Route des Grandes Alpes sein. Von Nizza aus wollte er mit dem Zug zurück in die Schweiz. Also hat er das Rad leicht zerlegt, die Laufräder ausgebaut und in den Packsack gesteckt – so geht es sogar mit Hochgeschwindigkeit im französischen TGV Richtung Bern zurück.
Für die Fahrradmitnahme in der Deutschen Bahn braucht man im Nahverkehr ein Fahrradticket (6 Euro), erhältlich online oder am Bahnschalter. Damit ist man in allen Verkehrsverbünden (mit unterschiedlicher Preispolitik) auf der sicheren Seite.
Infos: www.bahn.de – dort unter “Info & Service”/”Individuelle Anreise”.
Im Fernverkehr können Räder im IC, EC und in vielen ICE mitgenommen werden. Wer mit Fahrrad im ICE reisen will, braucht zur Fahrradkarte für 9 Euro noch eine kostenfreie Reservierung. Radkarten und die Reservierung können inzwischen online beim Ticketkauf dazugebucht werden und, wenn noch Fahrradplätze vorhanden sind, auch noch kurz vor Abfahrt des Zuges über die App “DB Navigator” oder online.
Die grenzüberschreitende Fahrradmitnahme kostet in Deutschland ebenfalls neun Euro (Ausnahme: Über den Brenner nach Italien sind es 12 Euro) – zu buchen nur in DB-Reisezentren, bei DB-Agenturen oder unter der Service-Rufnummer 030/2970.
In die Schweiz gibt es täglich zweistündlich Verbindungen Hamburg–Frankfurt–Zürich–(Chur) und Berlin–Frankfurt–Interlaken mit langen ICE 4 mit je acht Fahrradstellplätzen. Auf der Verbindung München–Bregenz–Zürich sind schweizerische Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ ETR 610 “Astoro” mit vier Fahrradstellplätzen unterwegs.
Auf der Strecke Stuttgart–Singen–Zürich verkehren zweistündlich aus schweizerischen Wagen gebildete Intercitys mit je zehn Fahrradstellplätzen sowie ein Zugpaar Intercity 2K mit acht Fahrradstellplätzen.
>> Nach Italien gibt es die Verbindung München–Brenner–Bozen–Verona mit bis zu 26 Fahrradstellplätzen.
>> Nach Österreich fahren IC mit sieben bis 16 Fahrradstellplätzen auf den Strecken Frankfurt am Main beziehungsweise Dortmund oder Saarbrücken–Stuttgart–Ulm–Lindau/
Innsbruck beziehungsweise München–Klagenfurt–Graz. Auf der neuen Verbindung Frankfurt–Stuttgart–Ulm–Friedrichshafen–Innsbruck–Wien kommen ÖBB-Railjets mit fünf Fahrradstellplätzen zum Einsatz.
Für den – wie Schweizer sagen – Velo-Selbstverlad ab Deutschland in die Schweiz benötigt man eine internationale Fahrradfahrkarte (20 Franken) plus Reservierung für die Fahrradmitnahme – die Fahrkarte gilt vom Abfahrts- bis zum Zielort, telefonisch zu bestellen unter 0041/(0)848446688; auch wer von der Schweiz aus weiterreist, etwa nach Italien oder Österreich, bekommt unter dieser Nummer Auskunft und Fahrkarten.
Im innerschweizerischen Nahverkehr lohnt sich die Velo-Tageskarte für 14 Franken, für die man keine Reservierung braucht (sie ist bei fast allen Bahn- und Busunternehmen und sogar auf einigen Schiffen und in einigen Bergbahnen gültig).
Weitere Infos zu den Velobilletten innerhalb der Schweiz unter www.sbb.ch – dort unter “Hilfe & Kontakt”/”Billette”/”Velobillette Schweiz”.
Die App “SBB Mobile“ ist für Reisen in der Schweiz eine gute Begleiterin, weil sie neben der einfachen Reservierung von Zügen in Echtzeit auch über Verspätungen und Störungen informiert und den Fahrplan des gesamten Schweizer öffentlichen Verkehrs enthält.
Infos: www.sbb.ch/de/fahrplan/reisehinweise/velos.html
Etwas kompliziert: Wer von Deutschland aus mit ICE, TGV oder dem Thalys anreist, darf kein Fahrrad mitnehmen. Deshalb: Mit dem Nahverkehrszug (hier dürfen Räder mit) anreisen über Straßburg oder Luxemburg, dann weiter mit dem TGV (reservierungspflichtig, kostet 10 Euro) oder dem Intercite. Im Regionalzug TER darf das Rad zwar kostenfrei mit, aber nur außerhalb der Stoßzeiten (Montag bis Freitag vor 6.30 Uhr und zwischen 9.30 und 16.30 Uhr sowie nach 19.30 Uhr) und auch nicht auf allen Strecken.
Infos: www.france.fr/de/nuetzliche-tipps/fahrradtransport-im-zug
Klingt bequem: Die Anreise mit dem Nightjet aus Deutschland mit Zielen nicht nur in Österreich. Für den Nightjet braucht man eine Fahrradkarte (grenzüberschreitend kostet das Biking-International-Ticket 12 Euro), die Fahrradmitnahme ist reservierungspflichtig und die Anzahl der Stellplätze in den meisten Zügen auf nur drei begrenzt.
Infos: www.nightjet.com/de/angebote/fahrradmitnahme
Innerhalb Österreichs ist die Fahrradmitnahme möglich, jedoch variieren die Ticketkosten von Bundesland zu Bundesland und von Strecke zu Strecke.
Infos: ÖBB-Kundenservice (Telefon 0043/(0)51717) und an den ÖBB Ticketschaltern.