Sebastian Lindner
· 17.09.2023
Genau zehn Jahre ist es her, dass Chris Horner den ersten amerikanischen Sieg einfuhr. Nun ist der 29-jährige Kuss aus Durango, Colorado mit deutschen Vorfahren sein Nachfolger. Kuss ist zudem der dritte Profi von Jumbo-Visma, der in diesem Jahr eine der drei großen Landesrundfahrten gewinnt. Tour-Sieger Jonas Vingegaard und Giro-Gewinner Primoz Roglic komplettieren zudem das Vuelta-Podium und machen damit den absoluten Triumph perfekt. Mit einem entsprechenden Sondertrikot war das niederländische Team am Schlusstag auch unterwegs.
“Ich bin weiter ich, der Sieg verändert einiges, aber nicht mich”, sagte der emotionale Kuss nach der Etappe. “Es war eine Erfahrung mit schönen Erinnerungen, aber es wird auch noch Zeit benötigen, bis ich alles verarbeitet habe. Heute ist Feiern angesagt, viele aus meiner Familie und Freunde sind hier. Und dann sind da noch der ganze Staff und die Fahrer, mit denen ich anstoßen will.”
Doch bevor Kuss in den Genuss abgleiten konnte, galt es eine zumindest ab der Hälfte extrem hart gefahrene Schlussetappe zu komplettieren. “Es ist unglaublich, heute habe ich fast am meisten gelitten bei der gesamten Vuelta. Ich bin froh, dass sie vorbei ist. Das war heute härter als der Angliru für mich”, erklärte Kuss und nahm damit bezug auf den Ausreißversuch, den Lennard Kämna und Nico Denz (beide Bora-Hansgrohe) initiiert hatten und mit prominenter Unterstützung bis ins Ziel durchzogen.
“Unser Plan war es, nach dem Bonussprint mit Lenny für ein wenig Chaos zu sorgen”, sagte Denz mit einem Schmunzeln. “Ich glaube er wollte seiner Vuelta noch ein würdiges Ende geben und dann kamen diese starken Fahrer zu uns. Das heute war zum Spaßhaben. Es war eine Gruppe der Champions und ich bin froh da dabei gewesen zu sein.” Neben Etappensieger Groves hatten sich unter anderem auch Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) und Remco Evenepoel (Soudal - Quick Step) dazugesellt. Der italienische Zeitfahr-Weltmeister sprintete letztlich auf Platz 2 - vor Denz.
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Dass Groves, für den ein Massensprint wahrscheinlich die sichere Variante auf den Etappensieg dargestellt hätte, in die Gruppe ging, war dabei nicht geplant. “Wir wollten unbedingt gewinnen - aber nicht aus einer Fluchtgruppe heraus. Remco war eine Gefahr und ich hatte schon vermutet, dass er etwas probiert, um die Etappe zu gewinnen. Ich musste ihm folgen”, erklärte der 24-Jährige. Es stellte sich letztlich nicht als Fehler heraus.
Groves gewann in Madrid sein drittes Teilstück bei dieser Rundfahrt und ist damit gemeinsam mit Evenepoel der erfolgreichste Etappenjäger der Vuelta. Durch den Sieg sitzt letztlich auch das Grüne Trikot relativ sicher auf seinen Schultern. Mit 315 Punkten ist er der erste Australier, der sich diese Wertung in Spanien sichert. Evenepoel landete 236 Punkten auf Rang 2 vor Andreas Kron (Lotto Dstny) mit 167 Zählern.
Viel deutlicher sicherte sich Evenepoel hingegen das Bergtrikot. Mit 135 Punkten liegt er meilenweit vor Vingegaard (53) und Michael Storer (Groupama-FDJ / 39) auf Rang 2 und 3.
Relativ klar hat Juan Ayuso das Weiße Trikot, 4:48 Minuten vor Cian Uijtebroeks und 6:38 Minuten seinem Teamkollegen Joao Almeida gewonnen. Völlig unangefochten geht die Teamwertung an Jumbo-Visma. 229:42:26 Stunden benötigten die jeweils besten Drei einer jeden Etappe des niederländischen Teams für die Rundfahrt. 21:09 Minuten länger dauerte es bei Bahrain-Victorious, 33:07 Minuten mehr waren es bei Bora-Hansgrohe.
Insgesamt beendeten 148 Fahrer die Rundfahrt, 28 mussten unterwegs aufgeben. Rui Oliveira (UAE Team Emirates) hatte mit 4:32:55 Stunden mehr als Kuss am längsten für die mehr als 3100 Kilometer benötigt.
Nach dem Start auf der Pferderennbahn in einem Madrider Außenbezirk wurde viel fotografiert, viel gewinkt, viel gepost. Nachdem Jumbo-Visma auch sein Sektchen getrunken hatte, übernahm das Team dann auch die Aufgabe, das Feld auf die neun Schlussrunden zu führen. Das war etwa bei Mitte der 101 Kilometer langen Etappe der Fall.
Auf dem 5,8 Kilometer langen Rundkurs, der neunmal zu absolvieren war, übernahm Alpecin-Deceuninck. Zumindest bis zum Zwischensprint gleich auf der ersten Runde, den Groves seinem Konto gutschrieb. Danach wurde attackiert. Und zwar von Kämna, Denz und Rui Costa (Intermarche-Circus-Wanty). Das Trio gab richtig Gas, holte sich bis zu einer halben Minute Vorsprung heraus.
Kurios wurde es, als kurz darauf in Evenepoel und Groves das Berg- sowie das Grüne Trikot und Ganna mit seinen Teamkollegen Kim Heiduk und Omar Fraile nachsetzten. Die beiden opferten sich, um das Trio nach vorne zu fahren und ließen sich dann zurückfallen. Vorne kämpfte fortan ein Sextett.
Hinten machte EF Education EasyPost die meiste Arbeit, aber auch UAE Team Emirates und Team dsm-firmenich arbeiteten, teils sogar mit Bergfahrern wie Joao Almeida und Romain Bardet. Zwischendrin zeigte sich immer wieder Geraint Thomas für Ganna, um ein wenig zu stören.
Abgesehen von Denz hatte jeder des Sextetts bereits eine Vuelta-Etappe gewonnen, 13 Etappen bei Grand Tours in diesem Jahr waren es insgesamt, wovon auch Denz zwei Giro-Siege beisteuerte. Diese geballte Klasse hatte selten mehr als 20 Sekunden Vorsprung, hielt diesen aber bis auf die letzte Runde.
Erst im absoluten Finale begannen die Sechs zu pokern, sodass 800 Meter vor dem Ziel das Feld die Lücke geschlossen hatte. Doch das Tempo war so hoch, dass keiner mehr an den Besten vorbei kam. 500 Meter vor dem Ziel eröfffnete Evenepoel notgedrungen den Sprint, konnte ihn aber nicht bis zum Ende durchziehen. Zuerst schoss Groves an ihm vorbei. Der hatte Ganna am Hinterrad - und dabei blieb es auch.