Thomas Goldmann
· 25.11.2022
Das Jahr 2022 ist eine Zäsur im Profi-Radsport. Zahlreiche Stars beenden ihre Karriere - wie Philippe Gilbert. TOUR blickt zurück auf die größten Erfolge und die Karriere des Belgiers.
Bei Paris-Tours hat Philippe Gilbert sein letztes Radrennen als Profi bestritten. Mit 40 Jahren ist Schluss für den belgischen Ausnahmefahrer, der in seiner 20-jährigen Laufbahn 80 Siege* einfahren konnte.
2002 wurde der im wallonischen Teil Belgiens geborene Gilbert Stagiaire - also Praktikant - bei Francaise des Jeux und 2003 Profi beim französischen Team, das heute Groupama-FDJ heißt.
Gilbert spezialisierte sich auf die Eintagesrennen. Es dauerte allerdings bis 2006, ehe er bei Omloop Het Volk (heute Omloop Het Nieuwsblad) einen ersten großen Sieg einfahren konnte. 2008 folgte Paris-Tours - noch im Trikot von Francaise des Jeux. 2009 ging Gilbert zu Silence-Lotto, dem Vorläufer der heutigen Lotto-Soudal-Mannschaft (ab 2023 Lotto-Dstny). Dort mauserte er sich zu einem der besten Klassikerjäger. 2009 gewann er die Lombardei-Rundfahrt und damit erstmals eines der fünf Monumente des Radsports.
Sein erfolgreichstes Jahr bei Lotto war 2011, als er binnen einer Woche Amstel Gold Race, Fleche-Wallone und Lüttich-Bastogne-Lüttich für sich entschied. Dieses Ardennen-Triple in einem Jahr war zuvor nur Davide Rebellin gelungen. Im Spätsommer 2011 folgte bei der Clasica San Sebastian ein weiterer großer Erfolg. Ende des Jahres 2011 wurde Gilbert mit dem Velo d’Or ausgezeichnet, dem goldenen Fahrrad für den besten Fahrer des Jahres.
2012 folgte der Wechsel zum BMC-Rennstall, bei dem er bis Ende 2016 blieb. Das Niveau aus Lotto-Zeiten vermochte Gilbert nicht zu halten. Seinen größten Erfolg während seiner Zeit bei BMC errang er im Trikot der belgischen Nationalmannschaft, als er 2012 in Valkenburg Straßenweltmeister wurde.
Mit dem Wechsel zu Quick-Step Floors im Jahr 2017 hauchte Gilbert seiner Karriere neues Leben ein. Unter der Ägide von Patrick Lefevere erlebte der Wallone einen goldenen Spätherbst. Mit einem Solo über 55 Kilometer feierte Gilbert 2017 einen denkwürdigen Triumph bei der Flandern-Rundfahrt. Zwei Jahre später besiegte er Nils Politt im Sprint bei Paris-Roubaix. Damit hatte Gilbert vier von fünf Monumenten des Radsports gewonnen. Es fehlte ihm nur noch Mailand-Sanremo, um die Sammlung zu vervollständigen. Doch der Triumph auf der Via Roma sollte ihm bis zum Karriereende nicht mehr vergönnt sein. Somit bleibt es dabei, dass in der Geschichte des Radsports nur drei Fahrer alle fünf Monumente gewinnen konnten: Rik van Looy, Roger De Vlaeminck und Eddy Merckx - allesamt Landsleute von Gilbert. 2020 kehrte Gilbert zu Lotto zurück. Ein großer Sieg bei einem Klassiker sprang nicht mehr heraus.
Die Karriere des Belgiers war auch geprägt durch Stürze und schwere Verletzungen. Allein zweimal brach er sich die Kniescheibe. Das erste Mal, als er sich bei der Tour de France 2018 in den Pyrenäen in der Abfahrt des Col de Portet d’Aspet versteuerte und über eine Straßenmauer eine Böschung hinabflog.
Zwei Jahre später ereilte ihn dieselbe Diagnose, nachdem er bei der Auftaktetappe der Frankreich-Rundfahrt rund um Nizza schwer gestürzt war.
*Angabe laut procyclingstats.com