Marius Mayrhofer“Ich will bei den Klassikern performen”

Andreas Kublik

 · 24.01.2025

Marius Mayrhofer: “Ich will bei den Klassikern performen”Foto: Getty Images/Christian Kaspar-Bartke
Der sprintstarke Allrounder Marius Mayrhofer will in dieser Saison beim aufstrebenden Tudor-Rennstall zurück auf die Siegerstraße – und träumt von Starts bei Frühjahrsklassikern und der Tour de France.

Es wirkte wie ein Senkrechtstart, als Marius Mayrhofer im Januar 2023 Schlagzeilen machte. Gerade 22 Jahre alt, sprintete er damals zum Sieg beim Cadel Evans Great Ocean Road Race. Ein Ausrufezeichen – schließlich ist es das erste Eintagesrennen im Programm der wichtigsten Radsport-Rennserie World Tour. Ein Hinweis auf eine große persönliche Zukunft – und darauf, dass der deutsche Radsport einen neuen Siegertyp erwarten darf. Doch für den Rennfahrer aus Tübingen ist es auch zwei Jahre später der einzige Sieg als Profi geblieben. Seine Stärken glaubt er zu kennen: “Wenn ich ne gute Form hab, dann sind es auf jeden Fall diese profilierteren Rennen, wo es am Ende zum Sprint kommt.” Sprints aus kleinen Gruppen, Jagd auf Etappensiege – darauf können sich die deutschen Fans bei diesem Rennfahrer freuen. Seine Stärken sind nicht verloren gegangen, aber sie haben zuletzt nicht zum nächsten großen Erfolg geführt. Das soll sich ändern.

Erstes Saisonziel: Die Klassiker auf Kopfsteinpflaster

Und er würde gerne in diesem Frühjahr ein Ausrufezeichen setzen. “Ich will bei den Klassikern performen. Mein persönliches Ziel ist es, mich in Richtung Kopfsteinklassiker zu entwickeln. Ich habe das Vertrauen, dass ich da erfolgreich sein kann”, sagt er über sein vielleicht wichtigstes Saisonziel und seine langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten. Die ernsthafte Vorbereitung darauf beginnt mit seinen ersten Saisoneinsätzen in Spanien, beim GP Castellon (25. Januar) und beim GP Valencia am Tag darauf.

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Unsichere Startmöglichkeiten

Unter Palmen: Marius Mayrhofer feierte seinen bisher einzigen Profisieg 2023 in AustralienFoto: Getty Images/Tim de WaeleUnter Palmen: Marius Mayrhofer feierte seinen bisher einzigen Profisieg 2023 in Australien

In diesem Jahr ist der junge Deutsche in Australien gar nicht am Start gewesen, genau wie sein aktuelles Team – und es ist auch noch nicht sicher, bei welchen Rennen er selbst und seine neue Mannschaft künftig am Start stehen können. Seit vergangener Saison fährt er im Trikot des Tudor Pro Cycling Team. Die Mannschaft aus der Schweiz hat nur eine international zweitklassige Lizenz als Pro-Team – und damit kein gesichertes Startrecht bei den wichtigsten Rennen wie in Australien, bei Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix oder Tour de France. Die Mannschaft von Eigentümer Fabian Cancellara muss auf Einladungen der Veranstalter hoffen. “Wir können halt noch nicht richtig planen”, weiß Mayrhofer von den Nachteilen für ein Pro Team, das bei den wichtigsten Rennen des Jahres auf die Einladung der Veranstalter per Wildcard hoffen muss. Beim vorherigen Arbeitgeber, dem World-Tour-Team DSM, waren die Startmöglichkeiten für Team und Rennfahrer langfristig sicher. Den Wechsel hat er dennoch nicht bereut. Im Gegenteil. “Ich bin extrem zufrieden hier bei Tudor und fühle mich sehr wohl”, betont er.

Wechsel aus Licht und Schatten? Marius Mayrhofer will im neuen Trikot mehr StabilitätFoto: Team TudorWechsel aus Licht und Schatten? Marius Mayrhofer will im neuen Trikot mehr Stabilität

Topstars als neue Teamkollegen

Für den 24-jährigen Schwaben könnte das Jahr wichtige Weichenstellungen bringen. Es wird Fingerzeige zu folgenden Fragen geben: Ist er ein Siegertyp für große Rennen? Oder wird er sich beim aufstrebenden Rennstall womöglich in der zweiten Reihe eingliedern müssen? Reicht das Talent für die absolute Weltspitze? Fragen, die sich jedem jungen Radprofi stellen, der in den ersten Jahren seinen Platz in Team und Peloton finden muss. Ganz allgemein. Und vielleicht im Speziellen bei Tudor. Schließlich hat die Mannschaft zur neuen Saison in Julian Alaphilippe und Marc Hirschi zwei Topstars verpflichtet. Grundsätzlich ändert sich dadurch die Hierarchie im Team, und es verändert die Chancen, die andere Rennfahrer bekommen, auf eigene Rechnung zu fahren. Allerdings bedeuten die Neuzugänge nicht nur stärkere Konkurrenz intern, es bedeutet auch bessere Chancen bei Toprennen am Start zu stehen. Tudor gilt im vierten Jahr des Bestehens erstmals als möglicher Kandidat für eine Wildcard bei der Tour de France. “Ich träume natürlich, wie wahrscheinlich so ziemlich jeder Rennfahrer davon, früher oder später mal die Tour zu fahren”, sagt Mayrhofer zu den verbesserten Aussichten. Ob es gelingt, ist für Team und Rennfahrer ungewiss – der Rennveranstalter hat seine Einladungen für 2025 noch nicht verteilt.

Begeisterung für die Klassiker auf Kopfsteinpflaster

Vorteil Mayrhofer: Die beiden Top-Neuzugänge haben voraussichtlich keine großen Ambitionen bei den Rennen, für die sich Mayrhofer begeistert: Die Frühjahrsrennen über das Kopfsteinpflaster. Alaphilippe und Hirschi gelten eher als Favoriten bei den folgenden, bergigeren Rennen in den Ardennen. Dem jungen Deutschen soll das recht sein. Die Anstiege in den Ardennen erscheinen ihm selbst zu lang für seine Stärken. Und die Prioritäten der Stars für andere Rennen verbessern seine Chancen bei möglichen Starts auf den Pavés. “Was ich schön finde bei diesen Rennen: Es kommt auf mehr an als nur auf die pure Leistung. Wenn ich ein Bergzeitfahren angucke, ist im Endeffekt das einzige, was zählt: Watt pro Kilo! Man kann das nicht über etwas anderes wie Bike-Handling oder Taktik ausgleichen”, sagt der Radprofi. Wenn es im Frühjahr nicht klappt, hat er weitere Ziele. Mayrhofer liebäugelt mit einem Start bei der Deutschland Tour, wo erfahrungsgemäß die Strecken für einen Rennfahrer mit seinen Fähigkeiten gute Erfolgschancen bieten.



Anlaufschwierigkeiten im neuen Team

Das wichtigste Ziel für 2025: Es soll besser, erfolgreicher werden als zuletzt. Das erste Jahr bei Tudor war schwierig: Sturz und Rippenbruch bei Tirreno-Adriatico, Aufgabe beim Giro nach Krankheit. “Ich bin gut gestartet ins letzte Jahr. Ich hätte auch Rennen gewinnen können oder müssen. Es hat halt einfach ein bisschen dieses Quäntchen Glück gefehlt”, bilanziert der Radprofi. Zweiter war er im Januar 2024 bei der Trofeo Andratx auf Mallorca, Dritter beim Etappensieg von Wout van Aert bei der Algarve-Rundfahrt im Februar. “Die Konkurrenz schläft ja auch nicht. Nuancen können schon einen Unterschied ausmachen ob man vorne mitspielt”, betont er angesichts knapp verpasster Siege.

Marius Mayrhofer als Junior: Erster Verfolger von Remco Evenepoel

Talentiert: Mayrhofer (links) war 2018 bei den Junioren WM-Zweiter hinter Remco EvenepoelFoto: Getty Images/Justin SetterfieldTalentiert: Mayrhofer (links) war 2018 bei den Junioren WM-Zweiter hinter Remco Evenepoel

Dabei kam Mayrhofer schon einst beim Rennen in Australien nicht aus dem Nichts. Bei der Rad-WM 2018 auf dem schweren Kurs rund um Innsbruck gewann er hinter Remco Evenepoel im Straßenrennen der Junioren Silber. “Zweiter ist erster Verlierer”, sagt er auch Jahre später noch. Der Anspruch an sich selbst ist hoch. Er will zurück an die Spitze, Erster werden. Nach seinem Sieg einst in Australien weinte er vor Glück – und schämte sich kurz darauf im TOUR-Interview ein bisschen dafür: “Im Nachhinein ist es mir unangenehm, diese Bilder von mir zu sehen. Ich sag mir: Hättest du dich mal ein bisschen mehr zusammengerissen! Aber es ist passiert. Ich hatte eine schwere Zeit hinter mir - es war einfach ein sehr, sehr schöner Moment, gleich zu Anfang des Jahres ein Rennen zu gewinnen. Dieser ganze Druck fällt an der Ziellinie innerhalb ­einer Millisekunde ab. Ich wollte schon so lange ein Profirennen gewinnen.” Mal sehen, wie er nach seinem nächsten Sieg aussieht, der ebenfalls nach einer langen Durststrecke käme.

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