So schlugen sich die Top-Talente 2023Brenners zarter Aufschwung durch Einlegesohlen ausgebremst

Sebastian Lindner

 · 10.12.2023

Kein gutes Jahr für Marco Brenner. Lange Zeit verhinderten Spätfolgen von einem Unfall aus 2020, dass er seine Leistung voll abrufen konnte.
Foto: Getty Images
Zu Beginn der Saison 2023 hatte TOUR den Blick auf zehn Youngster geworfen, die gute Chancen auf einen Durchbruch im Peloton der Profis haben. So lief das Jahr für Marco Brenner.

Wenn es am Ende einer Saison Einlegesohlen sind, die für die weitreichendsten Schlagzeilen um einen Sportler sorgen, dann erklärt es sich von selbst, dass die sportlichen Höhepunkte eher spärlich waren. Genauso ging es Marco Brenner 2023. Auch dieses Jahr ist nicht der Durchbruch des Youngsters im Profigeschäft.



Vielleicht bereut Marco Brenner mittlerweile seinen großen Sprung von den Junioren direkt in das World-Tour-Team von dsm-firmenich. Der als Junior mit Siegen verwöhnte Augsburger ist mittlerweile seit drei Jahren Profi - und das mit 21 Jahren. Doch statt nach oben führte die Karriereleiter in der zurückliegenden Saison eher nach unten.

Brenners Selbsthilfe kostet ihm die Vuelta

Lediglich vier Top-10-Ergebnisse konnte Brenner einfahren. Platz 6 bei der Deutschen Meisterschaft auf der Straße war das Beste, was dabei heraussprang. Der Juni war ohnehin seine stärkste Saisonphase. Beim Criterium du Dauphine kurz davor sprangen mit Platz 9 und 10 auf den ersten beiden welligen Etappen zwei weitere ordentliche Ergebnisse heraus. Brenner konnte sich in Szene setzen, wie schon in den letzten Mai-Tagen, als er bei der Tour of Norway den Prolog als Neunter und die Gesamtwertung später als Zehnter beendete.

Es schien, als wäre der junge Deutsche endlich in Tritt gekommen. Das Problem, was ihm bis dato zu schaffen machte, gefunden und gelöst. Spätfolgen eines Unfalls mit einem Traktor aus dem Jahr 2020, als Brenner noch Junior war, sollen Fehlhaltungen und damit Verspannungen ausgelöst haben, die sich negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkten. Im Juni habe Brenner dann leicht an seiner Sitzposition gefeilt und Einlegesohlen für seine Schuhe besorgt. Mit Erfolg: die Ergebnisse wurden besser.

Allerdings handelte Marco Brenner dabei in Eigenregie. Und das kam im streng organisierten Team dsm-firmenich überhaupt nicht gut an. Als sein offenbar als Anmaßung empfundenes Handeln bekannt wurde, strich die niederländische Mannschaft das große Talent eine Woche vor dem Beginn der Vuelta a Espana aus dem Aufgebot. “Natürlich ist die Enttäuschung groß, weil ich ja lange Zeit nominiert war und jetzt kurzfristig aus dem Team genommen wurde. Aber ich kann es schon irgendwie nachvollziehen. Das Team hat seine Prinzipien, und die stehen über alle”, sagte Brenner der Augsburger Allgemeine und versuchte noch einigermaßen diplomatisch rüberzukommen. Dass dsm ihm aber kein alternatives Rennprogramm gab, naheliegend wäre die Deutschland Tour gewesen, sorgte beim Youngster schon für große Enttäuschung.

Gelingt Marco Brenner der Neustart in der Schweiz?

Drei Renntage absolvierte er noch - insgesamt kam er damit nur auf 46 - im September, hinter zweien stand ein DNF. Dann war die Saison beendet. Und wahrscheinlich gilt das auch für das zerrüttete Arbeits- und Vertrauensverhältnis zwischen Fahrer und Team. Zwar hat Brenner noch bis 2024 Vertrag bei den Niederländern. Es ist immer noch sein erster, er hatte als Neoprofi gleich für vier Jahre unterschrieben. Doch mehren sich die Gerüchte, dass Brenner vorzeitig in die Schweiz wechselt. Offiziell hat es noch keine Seite bestätigt, aber die Chancen stehen gut, dass er im kommenden Jahr für das Tudor Pro Cycling Team an den Start geht.

Und damit eine Liga tiefer, denn das Team von Ex-Profi Fabian Cancellara ist mit einer Pro-Lizenz ausgestattet. Doch das dürfte der ins Stocken geratenen Karriere von Marco Brenner eher entgegenkommen denn hinderlich sein. Kleinere Rennen, größere Erfolgsaussichten: Für das angeschlagene Selbstbewusstsein des Hochveranlagten dürfte das im kommenden Jahr mehr Wert sein als eine weitere Grand Tour im Niemandsland der Klassements zu beenden.

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