Kristian Bauer
· 14.03.2023
Das ist im Radsport einzigartig: fünf österreichische Continental Teams übernehmen die Organisation der neuen Tour of Austria vom Österreichischen Radsportverband. Unser Interview zum Neustart.
Nach drei Jahren Pause kommt die Österreich Rundfahrt unter dem neuen Namen Tour of Austria zurück. International beispiellos ist die Organisation der Rundfahrt: die fünf österreichischen Continental Teams übernehmen die Leitung von Österreichs wichtigster Radsportveranstaltung. Als Tourdirektoren treten Thomas Pupp vom Tirol KTM Team und Thomas Kofler vom Team Vorarlberg auf.
Wie sieht der Neustart der Tour of Austria konkret aus? Wir haben bei Thomas Pupp, Geschäftsführer der Tour of Austria GmbH, nachgefragt.
TOUR: Warum gibt es den neuen Namen Tour of Austria?
Pupp: Es war in der Vergangenheit schon so, dass die Österreichrundfahrt als Tour of Austria aufgetreten ist, aber das war unter der Wahrnehmungsschwelle – Facebook-Account und Website gab es schon unter diesem Namen. Es gab auch Partner, die dezent auf ihre internationale Bedeutung hingewiesen haben. Bei unseren internen Überlegungen war es dann die internationale Bedeutung, die die Rundfahrt über viele Jahrzehnte gehabt hat, dass man gesagt hat: okay, wir machen aus der Österreich Rundfahrt die Tour of Austria. Wir sind stolz auf die lange Tradition und demütig, dass wir jetzt diese lange Reihe an Rundfahrten fortsetzen können. Der Name ist neu, aber die DNA unserer Rundfahrt bleibt: Sprungbrett für junge Talente und vor allem, weil wir auch viele touristische Partner haben, die schönste Sightseeing Tour durch unser Österreich.
TOUR: Der Österreichische Radsportverband (ÖRV) hat die Rundfahrt über Jahrzehnte ausgetragen. Gibt es jetzt Zahlungen an den ÖRV und wie lange läuft der Vertrag?
Pupp: Wir haben da einen sehr konstruktiven Prozess mit dem Präsidium und dem Vorstand des Verbandes gehabt, weil ich diese Differenzierung wir und auf der anderen Seite steht der Verband nicht für korrekt halte: wir fünf Continental Team sind ein ganz wichtiger Bestandteil des österreichischen Radsportverbands. Man kann sagen, es war ein Geschäft innerhalb des Verbandes, das maßgebliche Mitglieder, nämlich die fünf Teams, mit den gewählten Gremien und Vorstand abgeschlossen haben. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, dass wir für drei Jahre diese Rundfahrt organisieren können mit der Option auf zwei weitere Jahre. Ich gehe mal davon aus, wenn uns jetzt ein guter Neustart gelingt, dass wir das die nächsten fünf Jahre machen. Ich glaube man hat die letzten Jahre gesehen: es ist unheimlich schwierig für einen Verband, so etwas zu organisieren und die Rundfahrt hat extrem viele Ressourcen gebunden. Die Aufgaben für einen Verband sind heutzutage sehr umfangreich und herausfordernd und da sollte man sich auch auf andere Dinge konzentrieren können, als über mehrere Monate gebunden zu sein mit der Organisation einer Rundfahrt.
TOUR: Finanziell gibt es keine Vereinbarung, dass der Verband von der Tour of Austria irgendwie profitieren würde?
Pupp: Nein. Das Einzige, was wir mit dem Verband ausgemacht haben, weil das ja auch zur DNA der Rundfahrt zählt, ist dass wir ein kleines Nachwuchsprojekt unterstützen werden, wenn etwas übrig bleibt. Aber diese monetäre Komponente ist nie im Raum gestanden. Das war die letzten Jahre kein Geschäft. Es war eher Spitz auf Knopf: findet sie statt oder findet sie nicht statt? Das Projekt ist nicht darauf ausgerichtet, dass das wirklich eine Cash Cow wird. Wir möchten einfach diese Rundfahrt wieder voranbringen. Wenn am Ende eine schwarze Null steht und wir ausgeglichen bilanzieren, dann sind wir alle zufrieden.
TOUR: Die wirtschaftliche Grundlage sind die fünf österreichischen Continental Teams - die haben das Gründungskapital für die Tour Austria GmbH gestellt?
Pupp: Genau, das haben die fünf österreichischen Teams mit ihrer Rechtsform oder durch Einzelpersonen gemacht, plus als sechster Gesellschafter Wolfgang Konrad. Er ist langjähriger Veranstalter des Wiener City Marathons und natürlich durch seinen Sohn Patrick Konrad mit dem Radsport verbunden. Als er mitbekommen hat, dass wir fünf Teams uns auf diese Tour begeben hat er gesagt: Wenn ihr mich braucht, dann wäre ich gern dabei. Das freut uns, weil der Wolfgang Konrad, einer der renommiertesten Sportveranstalter des Landes ist.
TOUR: Ich stelle mir die Arbeitsteilung schwierig vor, bei so vielen Beteiligten?
Pupp: Es gibt da großes, großes Vertrauen, weil ja jeder von uns Erfahrungen und Talente einbringt. Wir haben uns auf einen eher untypischen Zeitpunkt geeinigt, wo wir wöchentlich unseren telefonischen Jour Fixe abhalten. Das ist immer um 7:00 Uhr in der Früh am Montag. Was die die Hauptarbeit anbelangt haben wir zwei Geschäftsführer: den Thomas Kofler und mich. Aber es ist im Grunde genommen jeder von uns Fünfen gefordert, da seinen Beitrag zu leisten, weil es geht sich gut aus, dass die fünf Teams ihre Etappen regional zugeordnet austragen werden. Und da macht jedes Team sein Ding in seinem Bundesland.
TOUR: Es ist also die Aufgabe jedes einzelnen Teams in seiner Region auch Kontakt aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass das funktioniert?
Pupp: Ja, genau. Alle Teams haben sich eingesetzt in ihrer Heimatregion. Der Prozess ist unheimlich sympathisch, weil er in dieser Form, glaube ich, noch nie stattgefunden hat bei einer größeren europäischen Rundfahrt, dass die Teams sagen, wir nehmen das Heft in die Hand, weil wir haben einfach in den letzten Jahren gesehen haben, wir brauchen diese Rundfahrt. Es ist die größte Radsportveranstaltung des Landes. Und darum finde ich es toll, dass wir da zueinander gefunden haben. Es ist wie eine klassische Grassrootsbewegung. Die Betroffenen haben gesagt okay, wir müssen was tun. Und das macht es sehr spannend und ist ein lustvoller Prozess.
Im Spitzensport in Österreich waren wir in den letzten Jahren, mehr Radsportnation als Skisportnation
TOUR: Ist es vielleicht auch eine typisch österreichische Art der Zusammenarbeit, weil man sich dort auch gegenseitig kennt und dann auch die Wege direkter sind?
Pupp: Das ist jetzt eine deutsche Frage (lacht) nach dem Motto die Österreicher, die lassen auch mal Fünfe grade sein. Ich glaube nicht, dass das typisch Österreichisch ist. Es ist aus der Überzeugung heraus gewachsen, dass wir dieses Projekt benötigen. Aber das gegenseitige Vertrauen, dieses Projekt bestmöglich umzusetzen, steht über allem. Ich finde die Situation, wie wir sie jetzt haben, gut. Ich finde sie auch gut für den Verband, weil der jetzt freigespielt ist für andere Dinge, um dem Radsport auch bei uns in Österreich diese öffentliche Bedeutung zukommen zu lassen, die er aufgrund der vielen Entwicklungen in den letzten Jahren haben sollte. Da rede ich jetzt nicht nur vom Spitzensport, sondern der touristischen Bedeutung oder der Infrastruktur in den Städten. Im Spitzensport in Österreich waren wir in den letzten Jahren, mehr Radsportnation als Skisportnation. Wenn man schaut, wie viele Profis in der obersten Liga fahren, wie erfolgreich die Frauen sind. Also da ist sportlich sehr, sehr viel passiert. Da noch bessere Strukturen zu schaffen, das sehe ich als primäre Aufgabe von einem Verband, Lobbying zu betreiben bei der Wirtschaft, bei der Industrie, bei den Medien. Darum haben wir gesagt: die Österreichrundfahrt ist eine Spitzensportveranstaltung, aber wir müssen da neu denken. Der Spitzensport ist die Plattform, auf der man alle möglichen Themen aufsetzen kann.
TOUR: Ist auch angedacht, dass man im Rahmen der Tour of Austria irgendeine Hobbysportveranstaltung macht?
Pupp: Das haben wir auch diskutiert, aber es ist eine organisatorische Frage - es müssen die Ressourcen da sein. Wenn man schon weiß, wie schwierig die Organisation von größeren Radsportveranstaltungen ist, mit den ganzen behördlichen Auflagen und dann noch zusätzlich mit einem Hobbyrennen, wo ich dann über ganz andere Zeiträume spreche! Eigentlich ist der Spitzensport viel leichter zu organisieren als ein Radmarathon, wo die Straßen für viel längere Zeit gesperrt sind, weil das Teilnehmerfeld weit auseinandergezogen ist. Deshalb haben wir für heuer gesagt das schaffen wir nicht.
TOUR: Die TV-Übertragung ist für die Vermarktung entscheidend – gibt es da Verträge?
Pupp: Ja, das Allerwichtigste ist in jedem Fall die Fernsehübertragung, in jeder Hinsicht. Wir haben mit der Österreichischen Firma K19 eine Vereinbarung. K19 hat sich die die letzten Jahre sehr gut entwickelt, bei vielen Übertragungen, aber unter anderem auch Radübertragungen. Das heißt, das ist unser Producer. Damit gewährleisten wir mal eine Live-Stream-Übertragung. Ich denke an die letzten 90 Minuten jeder Etappe, auch mit einer entsprechenden Medialisierung im Vorfeld. Und dieses Material stellen wir dann Fernsehanstalten zur Verfügung für entsprechende Zusammenfassungen. Wir haben mit dem Österreichischen Rundfunk einen sehr guten Partner gefunden. Ob es dann eine Live-Etappe geben wird, muss man sehen. Wenn das kurze Zusammenfassungen sind, wenn man das entsprechend auch breit streuen kann über Onlinemedien, dann soll uns das auch recht sein.
Der Glanz der Tour de France überstrahlt alle anderen Rundfahrten
TOUR: Ein Problem der Österreich Rundfahrt seit Jahren ist, dass sie im Schatten der zeitgleich stattfindenden Tour de France ist. Haben Sie auch über alternative Termine geredet?
Pupp: Ich sehe das ein bisschen anders, weil ich glaube, der Glanz der der Tour de France überstrahlt alle anderen Rundfahrten. Ich glaube, das Problem haben auch der Giro d’Italia und die Vuelta. Ich finde es nicht gut, dass sich eigentlich das gesamte mediale Interesse und auch das Interesse der Sponsoren zu 85 Prozent auf ein Ereignis konzentrieren. Für die Österreich Rundfahrt ist es kein Problem, weil im unmittelbaren medialen Fokus ist eine nationale Rundfahrt in diesen fünf sechs Tagen näher, als die Tour de France. Auch beides kann parallel in den Medien bestmöglich bestehen. Diese Parallelität hat auch Vorteile in der Einladungspolitik, weil es waren in der Vergangenheit die großen Teams immer froh die Österreich Rundfahrt zu haben, um eine zweite Mannschaft sportlich auszulasten. Natürlich denkt man, wenn man so etwas neu aufsetzt, auch über andere Termine nach. Aber der Kalender der UCI wird immer voller und wo findet man da noch gute Fenster? Und da haben wir dann gesagt: wir bleiben bei dem Termin.
TOUR: Zum sportlichen Konzept der Tour of Austria: Sie haben angedeutet, dass man noch mal eine Runde durch den Ort einbaut und Ähnliches. Aber am sportlichen Konzept ändert sich nicht viel?
Pupp: Nachdem ich die letzten Jahre auch bei der Tour selbst mitgearbeitet habe, habe ich so die Erfahrung gemacht, dass diese etwas kürzeren Etappen mit der Möglichkeit von eins zwei Schlussrunden auch bei den Teams sehr gut angekommen sind. Darum hat man gesagt, lieber etwas kürzere Etappen dort, wo es sich anbietet, Finale zu fahren, wo der Zuschauer mehr mitbekommt. Ich glaube, das ist es schon. Ich denke, man muss ja auch immer berücksichtigen, für wen macht man die Rundfahrt? Wir sind Kategorie 2.1. Das würde dir zwar die Möglichkeit geben, 50 Prozent des Starterfeldes mit World-Tour-Mannschaften zu besetzen, was wir aber nicht wollen, weil es soll auch eine Rundfahrt für die österreichischen Teams sein. Also ich glaube, dass so die Struktur der Etappen, wie man sie heuer anlegt haben, auch vom Spannungsaufbau her gut ist, weil ich denke die Entscheidung wird am letzten Tag am Sonntagberg fallen. Und wir haben auf diesen fünf Etappen viel drinnen, was Österreich zu bieten hat: der Großglockner ist ein Monument und es ist landschaftlich sehr schön - die Donau ist mit dabei. Auf der letzten Etappe entlang der Donau und dann der Anstieg Basilika Sonntagberg, das war in den letzten Austragungen schon immer ein Klassiker mit einem sehr großen Publikumsinteresse.
TOUR: Gibt es innovative Zukunftsideen?
Pupp: Die Tour of Austria ist die schönste Sightseeing Tour Österreichs. Es gibt viele Regionen, die begonnen haben, auf das Thema Rad zu setzen - dafür kann die Österreich Rundfahrt ein toller Unterstützer sein. Vielleicht können wir auch einmal den Prolog in einer etwas ungewöhnlicheren Lokalität austragen. In Innsbruck hat es öfters ein Radrennen in der Olympia Bobbahn gegeben. Das wäre zum Beispiel ein spektakulärer Prolog, wenn die Rundfahrt wieder mal in Innsbruck starten sollte. Unser Anliegen ist es, diese Österreich Rundfahrt als Plattform für das Radland Österreich zu positionieren. Ich glaube, das ist das Spannende - da muss man über die Sportveranstaltung hinausdenken. Und wenn das gelingt, ich glaube, dann kommt man auch zu ganz neuen Partnerschaften.