Thomas Goldmann
· 07.10.2022
Am Sonntag wird die erste UCI-Gravel-WM der Männer-Elite ausgetragen. Mit dabei ist auch Alban Lakata. Der mehrmalige Mountainbike-Marathon-Weltmeister spricht im Interview mit TOUR über die Favoriten, die Strecke und seine persönlichen Ambitionen.
TOUR: Wie geht es Ihnen vor dem Start der Gravel-WM? Wie ist die Form?
Lakata: Man merkt schon, dass der Herbst kommt. Aber ich habe mich nochmal motiviert, um für die WM, die dieses Jahr mein letztes Rennen sein wird, richtig gut in Form zu kommen.
Ich bin recht guter Dinge, bin zwar auch etwas kränklich, aber nicht gravierend. Ich hoffe, dass es nicht noch schlimmer wird. Aber es haben wahrscheinlich momentan viele Fahrer mit Corona und Verkühlungen zu kämpfen. Ich glaube, meine Wattwerte sind ganz gut. Im Vergleich zu den anderen Fahrern weiß ich zwar nicht, wo ich stehe, weil es da keine richtigen Vergleiche gab, aber ich bin zuversichtlich.
TOUR: Wie sah die Vorbereitung aus?
Lakata: Ich habe mein Rad erst recht spät bekommen. Vorher bin ich ähnlich wie Mathieu van der Poel auf einem Rennrad mit breiteren Reifen gefahren. Das finde ich aber eher suboptimal. Die Reifenfreiheit ist relativ gering. Wenn es etwas matschig wird, schleift es und auch die Dämpfung ist im Gelände nicht so gut. Wir haben von Bulls vor zwei Wochen ein neues Gravelbike bekommen, das Bulls Machete. Ich habe das Rad nach und nach richtig eingestellt und bin vor einer Woche nochmal auf einen kleineren Rahmen umgestiegen. Dementsprechend war jede Trainingsfahrt eine Testfahrt. Was für eine Reifenbreite nehme ich? Welcher Reifen passt generell für mich? Es wurden viele Sachen ausprobiert.
Ich habe mir zum Trainieren Bedingungen gesucht, die ähnlich wie bei der WM sind: Schotter, der auch mal etwas grober ist und Abschnitte, die Trails ähneln, um zu sehen, ob ich auch im Gelände in der Ebene ordentlich Druck aufs Pedal bringe. Das gelingt mir jetzt ganz gut und auch das Setup vom Rad ist sehr gut. Deswegen blicke ich der Gravel-WM sehr zuversichtlich entgegen.
TOUR: Welche Herausforderungen gab es beim Setup des Gravelbikes?
Lakata: Es ist bei den Gravelbikes generell ein Problem, dass sie eher auf Komfort gebaut sind. Man hat eine etwas aufrechtere Position. Das habe ich auch bei mir gemerkt. Mit dem Large-Rahmen, den ich zuerst probiert habe, war ich zu tourimäßig unterwegs. Ich habe mich dann für einen kleineren Rahmen entschieden. Da fühle ich mich viel wohler, eher wie auf einem Cyclocross-Rad.
TOUR: Mit welcher Reifenbreite gehen Sie bei der Gravel-WM an den Start?
Lakata: Weniger als 40 Millimeter möchte ich nicht drauf haben. Mit 45 Millimetern hat man mehr Komfort. Die Tendenz geht aber dahin, dass viele Fahrer 40 Millimeter oder noch schmaler fahren. Da habe ich mich dann jetzt doch dafür entschieden, auf die 40 Millimeter zu gehen.
TOUR: Sie haben die Strecke bereits abgefahren. Was sind Ihre Eindrücke?
Lakata: Ich habe mir die Strecke vor einer Woche angeschaut, war allerdings die meiste Zeit im Regen unterwegs. Da war für mich der Eindruck, dass es im Rennen richtig schwer wird. Am Anfang gibt es zwei kurze Hügel. Die sind schon anspruchsvoll, aber von der Länge her so, dass da die meisten Fahrer mitkommen sollten. Danach ist die Strecke größtenteils flach auf tendenziell gutem Belag. Es gibt immer wieder mal Schwenker in Äcker und Wiesen, aber der Großteil - gerade im Mittelstück um Padua herum - führt über guten Schotter, auch Asphalt. Es geht schon viel links und rechts mit 90-Grad-Kurven. Dann kommen wir auf die beiden finalen Runden um den Zielort Cittadella. Das ist ein Mix aus recht unebenen Strecken mit Matschlöchern und der anderen Hälfte mit Asphalt und etwas Kopfsteinpflaster. Es ist für alle Fahrertypen etwas dabei.
TOUR: Was erwarten Sie denn für ein Rennen am Sonntag?
Lakata: Es gibt keine richtigen Nationalteams, die in sich zusammenarbeiten, und man kennt sich nicht so wie bei einem Straßenrennen beispielsweise. Es wird am Anfang denke ich, etwas unübersichtlich werden. Deshalb sollte man sich nach dem Start sehr aktiv zeigen und schauen, dass sich niemand aus dem Staub macht oder keine größere Gruppe wegfährt. Es wird für viele eine neue Erfahrung. Genau das macht diese Gravel-WM so spannend.
Der Anfang mit den beiden Anstiegen könnte eine Schlüsselstelle des Rennens sein. Da wird jeder versuchen, dabei zu sein. Falls sich da niemand absetzen kann, wird es wohl ein Ausscheidungsfahren. Eventuell bildet sich nochmal später im Rennen eine kleine Gruppe. Die unwahrscheinlichste Variante für mich ist, dass eine große Gruppe auf die letzte Runde geht.
TOUR: Wer ist Ihr Favorit auf den WM-Titel?
Lakata: Ich schätze Mathieu van der Poel sehr stark ein. Er bringt alles mit und beherrscht sein Rad super. Aber auch er kann sich vergreifen bei der Materialwahl oder einen schlechten Tag haben. Auch die Gravelspezialisten sind natürlich zu beachten und ich kenne auch einige gute Mountainbiker, die am Start stehen. Die Strecke ist auf jeden Fall selektiv genug, dass der Stärkste gewinnt. Ein klarer Favorit außer van der Poel ist schwierig auszumachen.
TOUR: Und Ihr persönliches Ziel? Was haben Sie sich für die Gravel-WM vorgenommen?
Lakata: Ich will ein gutes Rennen fahren. Die Leistung abrufen, die ich momentan bringen kann. Ich habe mir keine konkrete Platzierung als Ziel gesetzt. Vielleicht kann man Schlüsse aus dem Rennen ziehen, wie es für mich selbst im Gravelbereich weitergeht. Für die Marke Bulls wird es auf jeden Fall eine gute Gelegenheit, um das neue Machete-Gravelbike in Szene zu setzen. Ich freue mich richtig auf das Rennen.
TOUR: Es stehen viele Straßenprofis am Start. Ist das gut für den Gravelsport oder nicht?
Lakata: Ich fände es schade, wenn ein van der Poel das Regenbogentrikot holt und sich nicht zeigt damit im nächsten Jahr. Andererseits kann die Präsenz der Straßenprofis auch positiv sein. Wenn van der Poel Weltmeister werden sollte, könnte er zu einem großen Werbeträger für den Sport werden. Denn der gesamte Gravelbereich steckt noch in den Kinderschuhen. Wenn man das gut vermarktet, könnte es die Gravelrennen aufwerten, weil vielleicht auch noch andere Top-Fahrer herüberwechseln.