Sebastian Lindner
· 26.04.2023
Ein knackiger Prolog zum Auftakt im Saarland, drei Etappen im Klassiker-Stil und zum Abschluss ein Massensprint in Bremen - das ist die Deutschland Tour 2023. Auf 724 Kilometern führt die einzige deutsche Rundfahrt auf Elite-Niveau durch fünf Bundesländer im Westen der Republik.
Im letzten Jahr war die Deutschland Tour mit der Bergankunft auf dem Schauinsland im Schwarzwald eine Angelegenheit für echte Kletterer und fand in Adam Yates seinen Sieger. Die nun vom vom 23. bis zum 27. August 2023 anstehende 38. Auflage der Deutschland Tour, die wieder in der UCI Pro Series - eine Stufe unter Worl-Tour-Niveau - angesiedelt ist, dürften aber eher die Klassiker-Spezialisten unter sich ausmachen. Ins Hochgebirge geht es nicht, doch vor allem die Hügel des Sauerlandes dürften das Klassement in Bewegung versetzen.
Starten wird die Deutschland Tour in St. Wendel. Ein Prolog sortiert die Gesamtwertung erstmals durch. Obwohl nur 2,2 Kilometer lang, wird der Auftakt nicht zu unterschätzen sein. Denn der Parcours führt einmal um die Altstadt und ist entsprechend kurvenreich, mehrere Spitzkehren und 90-Grad-Kurven brechen immer wieder den Rhythmus und kommen antrittsstarken Fahrern entgegen. Gut möglich also, dass sich ein Sprinter das Rote Trikot des Gesamtführenden überstreifen darf.
Die 1. Etappe bleibt im Saarland, startet wieder in St. Wendel und führt nach Merzig. 2018 war die Deutschland Tour bereits einmal dort - es siegte der spätere Gesamtsieger Matej Mohoric vor Nils Politt. Die damalige Zielanfahrt wird in diesem Jahr gleich auf zweimal absolviert - inklusive des Anstiegs zur Kreuzbergkapelle, dem schwersten Hindernis zum Ende der Etappe. Da aber auch bereits zuvor im Verlauf des Teilstücks viele steile Hügel genommen werden müssten, sind hier die Fahrer fürs hügelige Terrain gefragt und werden um den Tagessieg kämpfen.
Das gilt auch auf der 2. Etappe, die nicht nur die längste der Rundfahrt ist, sondern getrost als Königsetappe gewertet werden darf. Doch um dort hin zu gelangen, steht zunächst ein langer Transfer für Fahrer und Staff an. Denn der Abschnitt beginnt im rund 400 Kilometer entfernten Kassel. Das Terrain des Tages ist durchgehend wellig, das Finale in Winterberg hat es in sich. Zunächst wird in Altlastenberg der höchste Punkt der diesjährigen Rundfahrt auf rund 770 Metern Höhe erreicht, dann geht es nochmal bergab - aber nur, um die 2,5 Kilometer lange Schlusssteigung zu fahren. Insgesamt werden 2310 Höhenmeter absolviert - die letzten in einem Bergauffinish direkt vor der Ziellinie.
Auf der 3. Etappe mit Start in Arnsberg wird es etwas ruhiger. Zumindest im letzten Drittel der Etappe Richtung Essen. Davor warten allerdings mehrere steile Anstiege mit jeweils zweistelligen Steigungsprozenten. Es schreit nach Ausreißergruppe - oder die Sprinter haben das Bedürfnis, sich vor dem flachen Teilstück auf der letzten Etappe schon mal warmzufahren.
Denn das Finale in Bremen werden sich die schnellen Männer keinesfalls nehmen lassen wollen. Lediglich 370 Höhenmeter werden nach dem Start in Hannover und dem Ziel in der Bremer Überseestadt absolviert. Vor dem Bremer Rathaus wartet noch etwas Kopfsteinpflaster auf das Feld, doch das dürfte nicht für Probleme sorgen.
Fabian Wegmann, als Sportlicher Leiter der Deutschland Tour verantwortlich für den Kurs, erwartet “im Saarland, Sauerland und auf dem Weg nach Essen eine wahre Jagd auf das Rote Trikot”. Dazu komme der “Sekundenkrimi” im Prolog sowie der “Sprint Royal in Bremen als krönender Abschluss”, sagte Wegmann auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Strecke.
Mit Jens Zemke betrachtete dabei auch ein Akteur der anderen Seite die Situation. Der Sportliche Leiter von Bora-Hansgrohe maß vor allem den 2200 Metern des Prologs eine große Bedeutung zu. “Man muss einen guten Zeitfahrer mitbringen, denn wenn man da schon 10 oder 15 Sekunden verliert, könnte es schon eng werden für die Gesamtwertung”, sagte Zemke. “Die ersten beiden Etappen machen dann sehr viel im Klassement aus, die letzten zwei Etappen sehe ich dann eher für die Verteidigung der Position.”
Den deutschen Radsport-Fans machte Zemke dabei auch Hoffnung, die deutschen Stars seines Teams zur Rundfahrt zu schicken. “Ich sehe Fahrer wie Nils Politt oder Lennard Kämna in sehr guter Position, denn man muss ein kompletter Rennfahrer sein, um in diesem Jahr zu gewinnen.”
Gerade für Kämna wäre ein Sieg bei Deutschland Tour 2023 mit der Abschlussetappe in Bremen ein besonderer Moment. Der 26-Jährige wuchs vor den Toren der Hansestadt in Fischerhude auf und wurde in Bremen erstmals Mitglied in einem Radsportverein.