Kristian Bauer
· 01.02.2023
Die amtierende Olympiasiegerin im Straßenrennen, Anna Kiesenhofer, hat einen Vertrag bei einem World-Tour-Team unterschrieben. Bisher hatte Kiesenhofer ihre Saison ohne festes Profi-Team im Frauenradsport bestritten.
Die 31-jährige Österreicherin hatte 2022 bei der Spanienrundfahrt der Frauen nur einen Kurzeinsatz in einer Teamstruktur. Nach ihrem Olympiasieg 2021 hatte sie in Interviews noch erklärt, sie wolle nicht dauerhaft in einem Team gebunden sein.
“Es ist eine Ehre, die Olympiasiegerin im Straßenrennen in den IPTR-Farben fahren zu sehen und wir freuen uns sehr, Anna Kiesenhofer im Team begrüßen zu dürfen. Anna ist extrem talentiert und fährt mutig, wie wir bei ihrem Sieg in Tokio gesehen haben, und auch letztes Jahr, als sie den Etappensieg bei der Ceratizit Challenge by La Vuelta knapp verpasst hat. Sie wird eine große Bereicherung für das Team sein und uns bei unserer weiteren Entwicklung in der Women’s World Tour helfen”, sagt Israel-Premier-Tech Roland-Geschäftsführer Ruben Contreras.
“Ich bin sehr glücklich, dass ich mich Israel-Premier Tech Roland anschließen kann. Das Umfeld und die Ausrüstung sind ideal für mich, um bei einigen der wichtigsten Rennen im WWT-Kalender mein Bestes zu geben. Insbesondere möchte ich die Tour de France und andere schwere Etappenrennen ins Visier nehmen. Ich bin gespannt auf diese neue Herausforderung. Es wird nicht einfach werden, aber ich denke, wir haben ein tolles Team und werden heuer für einige Überraschungen sorgen”, so Kiesenhofer in der Pressemitteilung des Teams.
Neu im Team ist auch die afghanische Straßenmeisterin Fariba Hashimi: “Um Fariba mehr Zeit für ihre Entwicklung zu geben, wird sie das Jahr mit dem Israel-Premier Tech Roland Development Team beginnen, bevor sie Mitte des Jahres in das World Team aufsteigt”, erklärt Contreras.
Anna Kiesenhofer , die österreichische Olympiasiegerin im Straßenrennen von Tokio, hatte einen Vertrag bei einem World-Tour-Team ausgeschlossen. 2022 fuhr sie überraschend die Spanienrundfahrt der Frauen. Möglich war das durch einen Kurzzeit-Vertrag mit dem spanischen Team Soltec nur für die Vuelta. Im August 2022 haben wir ein Interview mit Kiesenhofer geführt, das wir in Auszügen widergeben:
TOUR: Die Nachricht überrascht - Sie hatten sich doch bewusst gegen solche Rennen entschieden?
Kiesenhofer: Es ändert nicht so viel und war schon ein bisschen Zufall. Mich hat der Teammanager angesprochen, dass sie noch eine Leaderin für die Vuelta suchen. Ich habe mir die Etappen angeschaut und gesehen, dass mir da schon ein paar Etappen zusagen. Das hat nichts zu tun mit dem, was ich bei Lotto Soudal damals gemacht habe. Da musste ich die Frühjahrsklassiker mit Kopfsteinpflaster fahren und war komplett ins Team eingebunden.
TOUR: Angriffe werden vermutlich schwierig, weil die anderen Sie als Olympiasiegerin auf dem Zettel haben?
Kiesenhofer: Klar, aber man kann attackieren und muss nicht unbedingt gewinnen. Ich selber habe keine großen Erwartungen. Wenn Leute meinen, dass ich jetzt eine Konkurrentin von Annemiek van Vleuten bin, ist das unrealistisch. Vor Tokio war ich unbekannt und niemand hat mit mir gerechnet und jetzt meinen alle ich müsste gewinnen. Ich selber habe keine Erwartungen – das kommt nur von Außen.
TOUR: Sie haben immer wieder erklärt, dass sie Angst vor Stürzen haben…
Kiesenhofer: Ja, schon – ich habe eine Hassliebe zum Radsport. Das Sturzrisiko ist einfach real und da habe ich auch Angst. Aber ich weiß auch, dass man das Risiko nie ganz ausschließen kann – sonst muss man im Bett bleiben.
TOUR: Sie haben ihren Uni-Job als Mathematikerin aufgegeben, um sich auf den Radsport zu konzentrieren. War das einfach?
Kiesenhofer: Die Sponsorensuche war schwierig und hat viel Zeit gekostet. Ich habe ein paar gute Sponsoren gefunden, aber es wird einem als Olympiasiegerin nicht die Tür aufgehalten und Millionen geboten. Ich vermute da ist der Frauenradsport auch schwierig - Fußball oder Tennis wäre sicher einfacher. Ich bin aber mit meinen Sponsoren sehr zufrieden und kann davon leben. Mir geht es nicht darum, den Profit zu maximieren.
TOUR: Sie haben keinen Profi-Vertrag bei einem Team – sind Sie Hobbysportlerin?
Kiesenhofer: Ich sehe mich als Profisportlerin – mehr als manche die in Teams sind. In der Women‘s World Tour gibt es jetzt das Mindestgehalt, aber außerhalb können die Wenigsten davon leben. Für mich sind das dann keine Profis. In anderen Sportarten wie im Triathlon ist es auch völlig normal, wenn man in keinem Team ist.
TOUR: Das heißt Sie leben 100 Prozent vom und für den Sport?
Kiesenhofer: Ja, ich kann so viel trainieren wie ich will, aber gerade am Anfang gab es viel Organisationsarbeit. Die Suche nach Sponsoren, Physio oder Fahrradausstatter hat auch Zeit gekostet. Ich bin mit meinem Freund in den Kanton Wallis umgezogen und ein bisschen war es schon wegen den guten Trainingsbedingungen. Es ist schon schön, wenn man keine Ampeln auf der Ausfahrt hat. Mein Training steuere ich immer noch selbst, aber inzwischen habe ich jemanden, der mich berät.
TOUR: Es heißt ihr langfristiges Ziel sind die Olympischen Spiele 2024?
Kiesenhofer: Ja, es ist weiter Paris mit dem Hauptziel Einzelzeitfahren. Ich kenne die Strecke vom Straßenrennen noch nicht, aber da gibt es vermutlich keine großen Höhenmeter.