Unbekannt
· 27.04.2015
Campagnolo liegt im Rennen um Marktanteile deutlich hinter Shimano. Das neue Sortiment ist überarbeitet und gestrafft. Ob Campa damit aufholen kann, klärt unser Test.
Campa hat einen Gang hochgeschaltet – das Rennen ist eröffnet, endlich. Aber es wird verdammt schwer für das italienische Traditionsteam, die Equipe Shimano wieder einzuholen. Die Japaner haben ein gut gestaffeltes Angebot innovativer Komponentengruppen am Start, die regelmäßig und konsequent überarbeitet werden und stets den Stand der Technik markieren. Das Campagnolo-Team hingegen ist seit rund sechs Jahren fast unverändert im Rennen; 2012 haben die Italiener nachgezogen und elektronische Varianten samt Detailverbesserungen nachgerüstet. Doch im gleichen Jahr konterte Shimano, stockte ebenfalls von zehn auf elf Ritzel auf und zog wieder davon. Um im Bild zu bleiben: Derzeit sieht es aus, als entfernten sich die Japaner immer weiter Richtung Horizont, während die Campa-Squadra aus Vicenza alleine und chancenlos im Wind steht. Oder wie soll man es interpretieren, dass in unserem Test von Rennrädern zwischen 2.000 und 3.000 Euro kein einziges der 24 Räder mit Campagnolo-Komponenten ausgestattet ist?
Doch Campa gibt noch nicht auf. Für 2015 haben die Italiener nicht nur die Technik ihrer Komponentengruppen gründlich und umfassend überarbeitet, sondern auch das Angebot neu sortiert und gestrafft. Bei den drei Top-Gruppen Super Record, Record und Chorus können Käufer künftig zwischen einer mechanischen und einer elektronischen Variante (EPS) wählen. Darunter angesiedelt gibt es noch zwei mechanische Gruppen: Die Elffach-Athena sowie die Zehnfach-Veloce als günstigste Möglichkeit, in den Campa-Kosmos einzusteigen. Aus dem Angebot gestrichen wurden die Athena EPS und die Centaur. Insgesamt bietet Campa nun also noch fünf Baureihen an. Um zu sehen, was Campagnolo unternommen hat, um für Radhersteller und Endkunden wieder attraktiver zu werden, haben wir an drei Stellen ins Sortiment gegriffen: Ganz oben schauen wir uns – als Technologieträger – die High-End-Gruppe Super Record in der mechanischen Version an, aus der Mitte des Programms – als nominelle Konkurrentinnen von Shimanos Ultegra-Gruppe – die Chorus mechanisch und elektronisch, sowie die neue Athena.
BEWÄHRTES BLEIBT
Treu geblieben sind sich die Italiener in ihrem Grundsatz – im Gegensatz zu den Wettbewerbern Shimano und SRAM –, bei der Überarbeitung ihrer Gruppen nicht alle Teile komplett neu zu machen. Bewährtes geht unangetastet in die nächste Generation – beispielsweise die als sehr haltbar bekannten Elffach-Kassetten und -Ketten. Auch die Skeleton-Bremsen – deren Design seit 2007 nahezu unverändert ist – bekamen lediglich neue Beläge. Die elektronischen Bauteile der EPS-Gruppen bleiben ebenso; neu ist nur ein etwas kleinerer, im Rahmen montierbarer Akku mit einer Nennladung von 720 Milliamperestunden, statt, wie bisher, 950 mAh.
Neu hingegen ist, dass Campagnolo alle Gruppen angefasst hat – die umfangreichste Überarbeitung des Sortiments seit sechs Jahren. Die größten Änderungen betreffen die High-End-Gruppen Super Record, Record und Chorus: Die Kurbelgarnituren und die Schaltmechanik samt Bedienhebeln, Schaltwerk und Umwerfer sind neu. Erkennungsmerkmal der neuen Generation ist die vierarmige Kurbel, an deren beiden Lochkreisen – je einer für das kleine und das große Blatt – sich alle Kettenblatt-Kombinationen montieren lassen. Es bleibt bei den Varianten 53/39, 53/36 und 50/34.
Das große Blatt ist komplex gefertigt und sehr ausgeprägt nach innen gewölbt. Vier Steighilfen und zusätzliche Stahlstifte nehmen die Außenlaschen der Kette beim Schalten auf und hieven sie auf die Zähne. Diese Technik erinnert an die zweiteiligen Shimano-Blätter, ist aber im Gegensatz dazu aus einem Stück gefertigt, und die Steighilfen sind noch stärker ausgeformt. Der vordere Umwerfer hat nun einen verlängerten Hebelarm – auch ähnlich den neuen Shimano-Gruppen: Die Bedienkräfte sinken, Hebelwege werden kürzer – und das spürt man deutlich: Die Funktion ist top, nichts verbiegt sich, auch unter Last schalten die Blätter äußerst präzise und geräuschfrei; kein Nachteil mehr gegenüber der japanischen Konkurrenz, die hier lange einen Schritt voraus war. Die massiven Kettenblätter sind etwas schwerer, die neue Kurbel ist etwas leichter – in Summe bedeutet das für die neue Super Record 20 Gramm mehr als bisher.
Die Chorus dagegen profitiert vom neuen Design, sie ist mehr als 50 Gramm leichter. Die zweiteilige Tretlagewelle mit Stirnverzahnung bleibt den hochwertigen Gruppen erhalten, bei der Super Record ist sie aus Titan, bei Record und Chorus aus Stahl. Super Record und Record verfügen über Keramiklager in zwei unterschiedlichen Qualitäten, die Chorus über Stahlkugellager, die auf die Wellenhälften aufgepresst sind. Für die Montage in Rahmen mit unterschiedlichen Tretlagersystemen hält Campagnolo für alle gängigen Tretlagersysteme eigene Adapter bereit. Zusätzlich gibt es zwei Elffach-Kurbeln im Fünfarm-Design ohne konkrete Gruppenzuordnung mit 30-Millimeter-Welle für BB30- oder BB386-Lager.
NEUE TECHNIK IM ALTEN KLEID
Die mechanischen Bedienhebel sind zumindest äußerlich kaum verändert, nur ein Griffüberzug mit neuer Textur weist auf die Generation 2015 hin. Die viel gelobte Form von Griffkörper und Bremshebel bleibt, ebenso der Daumenhebel, der bis zu fünf Schaltschritte mit einem Klick erlaubt. Die Geometrie des Schaltwerks wurde so verändert, dass das obere Schaltungsröllchen nun etwas weiter vorn sitzt und näher an der Kassette läuft. Dadurch umfasst die Kette jedes der elf Ritzel besser. Davon merkt man zwar beim Fahren nichts – das Schaltverhalten bleibt wie bisher tadellos –, es soll aber den Verschleiß von Kette und Ritzeln senken, weil mehr Zähne in die Kette greifen.
Für den Umwerfer reichen nun zwei Klicks am Daumenhebel zum Runterschalten: einer für den Blattwechsel, ein weiterer zum Trimmen. Mit dem rechten Hebel kann man weiterhin bis zu fünf Gänge auf kleinere und bis zu vier auf größere Ritzel in einem Rutsch wechseln. Geändert wurden aber die Zugwege – was bedeutet, dass man die neuen Schaltkomponenten nun nicht mehr mit den vorherigen Elffach-Komponenten mischen kann; mindestens Schaltwerk, Umwerfer und Hebel müssen zueinander passen. Die Kombination von beispielsweise Super-Record- und Chorus-Teilen einer Generation funktioniert aber – und ist vom Hersteller auch freigegeben. Zur leichteren Erkennung hat Campagnolo eine Markierung eingeführt, die auf die Kompatibilität der Einzelteile hinweist: Auf den neuen, zusammenpassenden Komponenten findet sich nun jeweils ein aufgedrucktes, eingerahmtes "A".
FUNKTION STATT LEICHTBAU
Auf der Waage dokumentiert sich eine ungewohnte Entwicklung: Die Super Record, das Flaggschiff der Italiener, ist im Vergleich zur vorherigen Generation etwas schwerer geworden. Zwar sind es nur verschwindende 40 Gramm für die komplette Gruppe, die leichteste Komplettgruppe am Markt ist sie damit aber nicht mehr; der Wanderpokal geht nun an die SRAM Red. Da Gewicht aber bekanntlich überbewertet wird, lautet die entscheidende Frage: Hat die Squadra Campagnolo nach der Runderneuerung das Zeug dazu, das Team Shimano wieder einzuholen? Die Antwort fällt schwer.
Die neuen mechanischen Gruppen sind überzeugend weiterentwickelt, tadellos verarbeitet und begeisternd ästhetisch. Doch um im Wettbewerb gleichzuziehen, fehlen wichtige Aspekte. Vor allem bei den Bremsen ist Campa zurückgefallen. Das gilt nicht nur für die neue Technik der Scheibenbremsen; hier hat Campa zwar noch gar nichts zu bieten, aber es gibt auch noch mehr als genug Rennradfahrer, die diesen Trend ablehnen. Auch und vor allem bei klassischen Felgenbremsen haben sich Shimano und SRAM in den vergangenen Jahren einiges einfallen lassen, um Bremspower, Dosierbarkeit und Ergonomie merklich zu verbessern. Record und Super Record bieten für Top-Gruppen zu wenig Fortschritt, die Chorus ist als Ultegra-Alternative zu teuer. Es bleibt für Team Campa jedenfalls verdammt schwierig, das Loch zu den Japanern zuzufahren.
EINZELGEWICHTE UND NOTEN
Die Endnoten zeigen, wie nah die Gruppen beieinander liegen. Die höheren Gruppen profitieren etwas vom geringeren Gewicht, die unteren von haltbareren Verschleißteilen. Beim Schaltverhalten haben die elektronischen EPS-Gruppen nur einen kleinen Vorteil, sind aber deutlich schwerer.