Jens Klötzer
· 02.05.2025
Der US-amerikanische Komponentenanbieter mit Entwicklungsabteilung in Schweinfurt mauserte sich in den vergangenen 15 Jahren vom Rennrad-Newcomer mit technischen Schwächen zum Innovationstreiber mit stetig wachsenden Marktanteilen. SRAM forcierte früh moderne Technologien wie Scheibenbremsen, Funkschaltungen und Ein-Kettenblatt-Antriebe und beeinflusste damit auch die Produktpolitik der Wettbewerber. Schaltverhalten und Antriebstechnik wurden immer weiter verbessert und stehen der Konkurrenz kaum mehr nach. Angesichts der aktuellen Red AXS, die im vergangenen Jahr vorgestellt wurde, muss sich selbst Komponentenriese Shimano warm anziehen: Das Ensemble wird durchweg gelobt. Vor allem mit den starken Bremsen, der intuitiven Bedienung der App und einer nahtlosen Integration von Leistungsmessung, Navigationscomputer und Fahrdatenauswertung haben sich die Amerikaner in einigen Disziplinen einen relevanten Vorsprung vor der Konkurrenz erarbeitet.
Im Gegensatz zur Gravel-Variante mit Einfach-Kettenblatt, die mit 13 Ritzeln fürs Hinterrad angeboten wird, verfügt die Straßenvariante der Red AXS mit Doppel-Kettenblatt über die im Wettbewerb üblichen zwölf Zahnscheiben. Für die Kassetten ist ein SRAM-Freilauf Pflicht, den die meisten Laufradhersteller optional anbieten. Mit den wählbaren Übersetzungen werden auch weniger trainierte Fahrer glücklich: Neben drei Kettenblatt-Kombis werden vier unterschiedlich abgestufte Ritzelpakete angeboten – diese Vielfalt gibt es bei der Konkurrenz nicht. Im kleinsten Gang ist eine deutliche Untersetzung (33/36) für steile Berge möglich. Kritikwürdig sind die sehr teuren Verschleiß- und Ersatzteile: Eine neue Kassette kostet mehr als 400 Euro Listenpreis. Die beiden Kettenblätter sind aus einem Stück gefräst, auch das (optionale) Powermeter ist untrennbar integriert. Sind sie verschlissen, werden mit Leistungsmessung 448 Euro fällig.
Die aktuelle Red läuft ruhiger und schaltet spürbar geschmeidiger über die Ritzel als ihre Vorgängerin – Verdienst einer neuen, flexibleren Kette und größerer Schaltröllchen. Der Umwerfer besitzt eine automatische Trimmfunktion und arbeitet ebenfalls präziser. Die Amerikaner liegen in Sachen Schaltqualität damit erstmals auf Augenhöhe mit den ausgefeilten Getrieben von Shimano.
Während sich das Schaltwerk kinderleicht via Smartphone-App einstellen lässt, bleibt vor allem die korrekte Ausrichtung des Umwerfers sensibel. Die Akkus können untereinander getauscht werden, falls einer der Komponenten der Strom ausgeht. Ihre Reichweite liegt auf dem Niveau der Konkurrenz: je nach Schaltintensität sind 2.000 Kilometer und mehr drin. Geladen werden sie ausschließlich in einem Ladeport.
Das Schaltschema haben auch völlige Neulinge in Sekunden verinnerlicht: Es gibt nur zwei große Tasten, links geht’s leichter, rechts schwerer. Für den Wechsel des Kettenblatts werden beide Knöpfe gleichzeitig gedrückt. Die Tasten sind gut erreichbar und geben gutes Feedback. Mit den schlanken und langen Griffkörpern kommen große wie kleine Hände gut zurecht. Griffweite und der Druckpunkt der Bremse können unabhängig voneinander eingestellt und auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt werden. Der Bremshebel ist flach und breit, was sich komfortabel anfühlt. Kritisieren könnte man den wenig ausgeprägten Griffhöcker, der keine echte Halteposition für die Hände bietet. An den Hebeln von Shimano und Campagnolo kann man besser zupacken. Ein kleiner Bedienknopf an der Innenseite des Höckers kann entweder mit der Schaltfunktion belegt werden, nach unserer Erfahrung ist das Feedback dafür aber nicht präzise genug und die Position überflüssig. Besser ist die Option, den Radcomputer damit zu steuern – so kann man die Ansichten auf dem Display wechseln, ohne die Hände vom Lenker zu nehmen.
Unbestritten das Highlight der Red AXS. Bremskraft steht beinahe im Überfluss zur Verfügung, auch in steilen Abfahrten lässt sich spielerisch aus hohem Tempo eine Notbremsung hinlegen, mehr als zwei Finger sind dafür nicht nötig. Dabei übertrifft die Bremsleistung die bisherigen Spitzenreiter von Shimano und Campagnolo deutlich. Auch bei hoher Leistung lässt sich die Bremse prima dosieren, bei moderatem Tempo erledigt man alles mit dem Zeigefinger. Schleifgeräusche und Hitzeprobleme sind kein Thema, mit Quietschen bei Nässe muss man aber auch bei der neuen Red-Bremse rechnen.
In Sachen Software-Anbindung setzt SRAM aktuell den Maßstab. In der App lassen sich Akkustände abrufen, man kann die Feineinstellung des Schaltwerks vornehmen oder die Knopfbelegung ändern. Über eine zugehörige Web-Anwendung können Fahrten ausgewertet werden: Gangstatistiken, Leistungsdaten und sogar der Reifendruck, sofern man sich registriert hat und die entsprechenden Sensoren verbaut sind. Die Leistungsmessung in der Kurbel ist bei den meisten Kompletträdern obligatorisch. Wer die Gruppe einzeln kauft, bekommt auch den hauseigenen Navigationscomputer von Hammerhead dazu, auch an vielen Kompletträdern ist er bereits verbaut. Mit den Hammerhead-Anwendungen können nicht nur Routen am Rechner geplant und danach navigiert werden; der Computer kann ebenso den Akkustand, den eingelegten Gang und die Daten vom Powermeter anzeigen, ohne dass die Komponenten dafür erst umständlich gekoppelt und eingerichtet werden müssen.