Als unangefochtener Marktführer bestimmte Shimano die technische Entwicklung von Rennrad-Komponenten über Jahrzehnte fast im Alleingang. Die Japaner brachten mit der Di2 die erste elektronische Schaltung auf den Markt. Die aktuelle, vierte Generation ist die erste mit Funkübertragung und unter den drei Wettbewerbern am längsten auf dem Markt, die Einführung war 2022. Das unübertroffene Schaltverhalten setzt im aktuellen Wettbewerb immer noch Maßstäbe, auch wenn die Unterschiede kleiner geworden sind. Weitere Stärke der Japaner: Eine effiziente und ausgefeilte Metallverarbeitung. Auch an der teuersten Ausführung findet sich wenig Carbon, das Gewicht der Dura-Ace ist trotzdem konkurrenzfähig. Die effiziente Fertigungstechnik und identische Verschleißteile für Rennräder und Mountainbikes schlagen sich auch in den Preisen nieder: Gruppe und Ersatzteile sind 20 bis 30 Prozent günstiger als bei der Konkurrenz.
Im Vergleich zu den Wettbewerbern ist die Auswahl an Übersetzungen vergleichsweise gering: Die Standard-Kassette mit 11-30 Zähnen ist extrem fein abgestuft, zweite Option ist eine Bergkassette mit 11-34 Zähnen. Damit lässt sich maximal eine 1:1-Übersetzung realisieren. Neben der traditionellen Kompaktkurbel mit 50/34 gibt es noch eine sportliche 52/36; Profis fahren 54/40. Die Kassetten passen dank des größeren Anfangsritzels (SRAM und Campagnolo beginnen mit zehn statt elf Zähnen) auf den Standard-HG-Freilauf und damit auch auf ältere Laufräder; Einschränkungen bei der Laufradwahl gibt es damit nicht. Kritikpunkte im Betrieb sucht man vergeblich. Die größten Pluspunkte sind der ruhige Lauf, ein sehr geschmeidiges Schaltverhalten und nicht zu teure Verschleißteile.
Während es bei anderen Getrieben vor allem beim Schalten auf kleinere Ritzel immer mal kracht, wechselt Shimanos Top-Gruppe die Gänge etwas leiser. Geheimnis sind über Jahrzehnte verfeinerte, perfekt aufeinander abgestimmte Ritzel und Ketten. Auch der vordere Umwerfer arbeitet beeindruckend schnell und präzise in allen Situationen – besser geht es derzeit nicht. Die Schaltung lässt sich simpel und intuitiv einstellen. Die Montage bekommt man ohne Weiteres auch ohne Anleitung hin, die Feineinstellung des Schaltwerks mit der Shimano-App ist ein Kinderspiel. Der zentrale und verkabelte Akku, der das Schaltwerk und den Umwerfer versorgt, ist meist fest im Rahmen verbaut – das Rad muss zum Aufladen per Magnetkabel deshalb immer in die Nähe einer USB-Steckdose gebracht werden.
Die Anordnung der Schaltknöpfe hinter den Bremshebeln geht auf Shimanos Schaltlogik der mechanischen Systeme zurück: Der vordere Knopf wechselt auf ein größeres Ritzel oder Kettenblatt, der hintere auf ein kleineres. Wer die mechanischen Shimano-Hebel noch gewohnt ist, kommt damit schnell zurecht. Alternativ lassen sich die Tasten umprogrammieren oder eine Automatik einstellen. Die beiden Schalttasten sind klarer voneinander abgegrenzt und auch mit Handschuhen eindeutig zu fühlen. Die schlanken Griffkörper können kleine wie große Hände gut greifen, die Griffweite lässt sich einstellen. Der vordere Höcker ist leicht nach innen geneigt und bietet guten Halt, wenn man sich im Wind flach machen will.
Die Shimano-Disc spricht sensibel an und lässt sich gut dosieren. Bei leichten Bremsungen benötigt sie etwas mehr Handkraft als Campagnolo und SRAM. Doch im Ernstfall steht auch bei der Dura-Ace (und der etwas günstigeren Ultegra) viel Bremskraft zur Verfügung, weil ein integrierter Bremskraftverstärker mit zunehmendem Hebelweg immer mehr Bremsleistung herausholt. Eine Schwäche sind die leichten Bremsscheiben mit Aluminiumkern. Bei Nässe sind sie anfällig für Quietschgeräusche. Bei starken Bremsungen können sie anschließend leicht an den Belägen schleifen. Schwere Athleten sollten auf Vollstahlscheiben setzen, denn uneingeschränkt standfest ist die Sandwich-Konstruktion nicht.
Die Shimano-App zeigt sich nutzerfreundlich und bietet viel: Die Schaltung ist schnell gekoppelt, per Smartphone lassen sich dann die Schaltung einstellen, Knöpfe neu belegen oder Schaltautomatiken festlegen. Zusatzknöpfe auf dem Höcker der Schaltgriffe können mit Funktionen belegt werden, zum Beispiel für die Bedienung von Garmin- oder Wahoo-Computern. Im Detail ist die Menüführung etwas umständlich, bietet aber mehr Individualisierungsoptionen als die Konkurrenz. Auch das optionale Powermeter (ca. 1.000 Euro) wird hier verwaltet, allerdings nur Ladezustand und Kalibrierung. Für die Verwaltung aufgezeichneter Fahrten bietet Shimano eine zusätzliche Web-Anwendung mit Fokus auf Trainingssteuerung.