Erste 13-fach SchaltgruppeCampagnolo Super Record 13 im Test

Jens Klötzer

 · 10.09.2025

Nobles Set-Up - Das Powermeter für die Super Record ist optional und kostet gut 1000 Euro Aufpreis
Foto: Wolfgang Papp
Campagnolo präsentiert die weltweit erste Rennradschaltung mit 13 Ritzeln. Doch das ist nicht die einzige Neuheit: Innovative Übersetzungskonzepte werden eingeführt, und der legendäre Daumenschalter kehrt zurück. Könnte die Super Record 13 Campagnolos Rückkehr einleiten?

Als Campagnolo Ende Mai ausgewählte Journalisten in den Hauptsitz nach Vicenza einlud, lockte das Unternehmen mit Superlativen. Vor der Kulisse des in unmittelbarer Nähe gastierenden Giro d’Italia dürfe man einem ganz besonderen Ereignis beiwohnen. Nicht weniger als ein komplett neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte wolle der Hersteller von Fahrradkomponenten aufschlagen; die Zukunft der Traditionsmarke grundlegend neu ausrichten. Große Worte aus einem Haus, um das sich in den vergangenen Jahren nicht nur die treuen Anhänger der Marke Sorgen machten: Vom denkmalsgleichen Ruhm des einstigen Branchenprimus, dem Erfinder des Schnellspanners und des Parallelogramm-Schaltwerks, der über Jahrzehnte die technische Entwicklung des Rennrades mitbestimmte, ist nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Als Ausstatter für neue Rennräder spielten die Italiener zuletzt keine nennenswerte Rolle mehr. Die Konkurrenz aus Japan und den USA ist längst enteilt und teilt den Markt mehr oder weniger unter sich auf. Rennradler, die erst in den vergangenen Jahren zum Sport kamen, können mit dem einst klangvollen Namen oft gar nichts mehr anfangen. Als Anbieter von Rennrad-Komponenten drohte die Marke in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Ein Neustart wäre also dringend nötig.



Trendwende in der Unternehmenspolitik?

Nun hat Campa mit der Super Record 13 eine komplett neu entwickelte, drahtlos und elektronisch schaltende Rennrad-Gruppe vorgestellt. So mancher von weither angereiste Gast könnte da etwas enttäuscht gewesen sein, denn die Schaltung war eine Woche zuvor bereits beim Giro-Start in Albanien im Rennbetrieb unterwegs und war längst auf allen einschlägigen Digital-Plattformen mit Bild und Text besprochen worden. Und ist eine neue Schaltgruppe für einen Komponentenhersteller nicht ­Tagesgeschäft? Glaubt man den Worten des Chefs und Gründersohns Valentino Campagnolo bei der offiziellen Präsentation, steckt tatsächlich mehr dahinter als „nur“ ein neues, etwas verfeinertes Produkt. Denn die Gruppe soll nur der erste Baustein einer neuen Unternehmens­politik sein. Das System soll gleich in mehrfacher Hinsicht einen Meilenstein für das traditionsreiche Haus dar­stellen.

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Erste 13-fach Schaltung auf dem Markt

Skulptural - Das filigran gestaltete Schaltwerk steht nicht mehr so weit vom ­Rahmen ab wie sein ­VorgängerFoto: Wolfgang PappSkulptural - Das filigran gestaltete Schaltwerk steht nicht mehr so weit vom ­Rahmen ab wie sein ­Vorgänger

Es ist zunächst einmal die erste und bislang einzige 13-fach-Gruppe für Rennräder. In diesem Zusammenhang passt das Bild vom neuen Kapitel im Buch der Unternehmens­geschichte sehr gut, denn die Italiener waren in den vergangenen Jahrzehnten immer die Ersten, die ein achtes, neuntes, zehntes, elftes und zwölftes Ritzel am Hinterrad einführten und damit jeweils neue Generationen der Antriebstechnik lancierten. Die Diskussion, ob es das weitere Ritzel nun braucht oder nicht, wurde in Fachkreisen und an Stammtischen jedes Mal neu vom Zaun gebrochen und erübrigte sich spätestens, wenn die Konkurrenz nachzog; wir wollen sie auch hier nicht führen. Dass ein zusätzliches Ritzel immer sinnvoll ist, weil damit schlicht mehr Fahr­situationen mit einer passenden Übersetzung abgedeckt werden können, darf man voraussetzen; dass die mit der Mechanik extrem erfahrenen Entwickler das Ganze auch technisch im Griff haben, zunächst mal auch.



Zumindest bei der Testfahrt in den Hügeln um Vicenza und einer mehrtägigen Testphase in der Redaktion vermittelte die Schaltung keinerlei Anzeichen, dass die Ritzel­anzahl zum Problem werden könnte. Im Gegenteil waren wir regelmäßig froh, zum einen über die sehr feine Abstufung verfügen zu können oder zum anderen über noch einen Berggang, den man mit einer ähnlich abgestuften Zwölffach-Kassette nicht hätte. Auch das Getriebe der ­Super Record 13 lässt sich an die eigenen Bedürfnisse ­anpassen – und das in einem Maße, wie es kein anderer Hersteller bietet. Drei Kassetten stehen zur Auswahl; die kleinste (10-29) trägt neun Ritzel hintereinander mit nur einem Zahn Abstand, die größte (11-36) immer noch sechs. Dazu gesellen sich insgesamt sieben (!) unterschiedliche Kettenblatt­-Kombinationen von 45/29 bis 53/39.

Vom Gravelbike bis zum Aero-Renner lässt sich damit alles maßgeschneidert bestücken. Zum positiven Eindruck gehört auch, dass der Antrieb ausgesprochen leise läuft. Eine neu­artige Chrom-Beschichtung, die Kette und Ritzel in dunklem Grau statt silbrig glänzend erscheinen lässt, soll dazu beitragen. Sie soll die Verschleißteile auch haltbarer machen und die Reibung reduzieren. Ob diese Maßnahme tatsächlich Wirkung zeigt, oder ob die penible Einstellung und Schmierung der Schaltung ab Werk unser Testrad leise und samtweich schalten ließ, müssen intensivere Tests noch zeigen. Der Umwerfer geht dafür mit relativ lautem Motorengeräusch zu Werke, unserem ersten Eindruck nach arbeiten die vorderen Werfer der Shimano Ultegra Di2 und SRAM Red AXS 2024 auch etwas schneller. Das neue, ex­trem filigran ­designte Campa-Schaltwerk soll dafür nun deutlich schneller die Gänge wechseln als bisher, was aber kaum spürbar und sicher nicht rennentscheidend ist.

Viel Auswahl - Bei 13 Ritzeln findet sich ­immer der richtige Gang, die Kurbel gibt es in sieben Kettenblatt-Abstufungen. Ein 1x13-Getriebe fürs Gelände soll im Herbst folgenFoto: Wolfgang PappViel Auswahl - Bei 13 Ritzeln findet sich ­immer der richtige Gang, die Kurbel gibt es in sieben Kettenblatt-Abstufungen. Ein 1x13-Getriebe fürs Gelände soll im Herbst folgen

Aus technischer Sicht soll ein zweites Merkmal die Super Record 13 als Meilenstein qualifizieren: Trotz mehr Übersetzungen soll sie die leichteste Gruppe am Markt sein. Mit viel Einsatz von Carbon und Titanschräubchen, wo immer möglich, sparten die Entwickler Gramm um Gramm. Campagnolo gibt ein Gewicht von 2.445 Gramm an, äußert sich aber nicht, für welche genaue Spezifikation das gilt. Unsere Testgruppe wiegt etwas mehr, mit knapp über 2.600 Gramm läge sie minimal hinter den Wettbewerbern von Shimano und SRAM. Allerdings verfügt sie über ein Powermeter; die Kurbel ohne Leistungsmessung dürfte deutlich leichter sein. Auch die Gewichte der ­Antriebsteile sind nicht direkt vergleichbar, denn bei SRAM und Shimano haben wir nur kleinere Kassetten (28 bzw. 30 Zähne statt 10-33) gewogen. In vergleichbarem Set-up dürfte sich das Gewicht dem der Wettbewerber also annähern. Auf diesem Niveau spielt das Ranking aber letztlich keine Rolle, weil es auf Details wie die Länge der Leitungen und die Übersetzungen ankommt, ob eine Gruppe minimal mehr oder weniger wiegt als die Konkurrenz. Dass die neue Super Record trotz einem Ritzel mehr das Gewichtsniveau der Wettbewerber erreicht, darf man in Vicenza auf jeden Fall als Erfolg verbuchen.

Rückkehr zum Daumenschalter

Zurück auf Start - Mit dem Daumenschalter kehrt ein bewährtes Bedienkonzept zurück; am neuen Griff gibt es einen frei ­belegbaren ZusatzknopfFoto: Wolfgang PappZurück auf Start - Mit dem Daumenschalter kehrt ein bewährtes Bedienkonzept zurück; am neuen Griff gibt es einen frei ­belegbaren Zusatzknopf

Intensiver als über das Gewicht dürfte ohnehin über die Bedienung von Schaltung und Bremsen diskutiert werden, vor allem über die Rückkehr des Daumenschalters. Einst war der Knopf an der Innenseite der Griffhöcker ein Alleinstellungsmerkmal der mechanischen Campa-Gruppen und trug maßgeblich zu ihrem unverwechselbaren Charakter bei. Bei der letzten elektronischen Wireless-Gruppe wurden daraus jedoch zwei übereinander liegende Taster an der Außenseite des Bremshebels – was Campagnolo viel Kritik einbrachte. Die Rückbesinnung auf das bewährte Konzept dürfte viele Nutzer freuen. Der neue Schaltknopf sitzt relativ weit hinten und lässt sich hervorragend aus dem Unterlenkergriff bedienen. Anders als der letzte Daumenknopf der EPS sitzt er aber zu nahe am Lenker, um ihn auch aus Bremsgriffhaltung ­bequem mit dem Daumen erreichen zu können – dazu müsste man die Hände etwas verdrehen und kann nicht mehr gleichzeitig kräftig an den Bremshebeln ziehen. Mittelgroße Hände kommen auch von der Unterseite mit dem Mittelfinger heran, was sich, für uns zumindest, beim ­lockeren Cruisen als die bequemere Variante herausstellt, aber auch dann verliert man die Kontrolle über den Bremshebel.

Super Bedienkonzept

Für hektische Rennsituationen würden wir uns die Schaltfunktion zusätzlich auf die kleinen Knöpfe an der Innenseite der Griffhöcker legen. Sie sind ebenfalls neu und, ganz ohne Übertreibung, mit Abstand die besten ihrer Art. Sie sind erhöht und deshalb gut zu ertasten, geben – anders als bei SRAM und Shimano – hervorragendes Feedback und der Daumen liegt ohnehin die meiste Zeit an der Stelle. Alternativ lassen sich die Knöpfe mit der zugehörigen App auch anders belegen, beispielsweise mit der Steuerung des Radcomputers.

Lob verdienen auch die neu geformten Bremshebel, die viel Platz für große Hände lassen, aber auch mit kurzen Fingern gut zu erreichen sind. Die Griffkörper sind etwas schlanker und auf der Oberseite flacher, der Bremshebel unterstützt mit einer sehr ergonomischen Auflagefläche für die Finger bei starken Bremsungen. Tolle Ergonomie war, vom Ausrutscher bei der Vorgängerin mal abgesehen, schon immer eine Stärke der Italiener. Die ist bei der Super Record 13 noch besser geworden. Unverändert blieben die Bremsen, wobei die Italiener in dieser Disziplin nicht im Rückstand waren. Zwar gelten die neuen SRAM-AXS-Bremsen vielen derzeit als Nonplus­ultra, aber zuvor waren die Campa-Stopper vorbildhaft, und sie sind nach wie vor konkurrenzfähig.

Nachholbedarf bei der App

Aufholbedarf besteht hingegen bei der App, deren Funk­tionsumfang derzeit noch nicht über die Basis wie Knopfbelegung und Akku-Ladestandsanzeige hinausreicht. Campa hatte schon früher angekündigt, bald neue Funktionen einzuführen, was aber nie passierte. Andererseits hielt sich die nun ausgemusterte Gruppe auch nur kurze Zeit am Markt. Um das Produkt rund zu machen und mit der Konkurrenz Schritt zu halten, sollte mindestens die Schaltungseinstellung integriert werden. Einen Schritt in die richtige Richtung geht Campa schon jetzt bei der Preisgestaltung: Mit 4300 Euro (ohne Leistungsmessung) liegt die Super Record 13 rund 900 Euro unter dem bisherigen Preis. Damit ist die Schaltung zwar immer noch sehr teuer, aber vielleicht nicht mehr ganz so abgehoben wie bisher.

Das allein wird indes nicht reichen, um kurzfristig wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz zu gelangen. Um dieses Ziel zu erreichen, steht der Mannschaft aus Vicenza noch viel Arbeit bevor. Angekündigt sind neue Produkte, die neben den Preziosen für Gutbetuchte wieder ein breit gefächertes Produktportfolio für alle Rennradler bilden sollen: Günstigere Versionen sind ebenso im Gespräch wie Gravelbike-Ableger mit 13 Ritzeln und einem Kettenblatt. Wenn diesen Ankündigungen ­Taten folgen, stehen die Chancen gut für etwas Aufwind und wieder mehr Beachtung für Campagnolo in der Rennrad- und Radsport-Welt. Dass die Produkte aus Vicenza das Zeug dazu haben, ebenso begeisternd wie wettbewerbsfähig zu sein, haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Gruppen wie Chorus, Athena oder Potenza waren technisch top. Es ­wäre den Italienern zu wünschen – der Markenvielfalt zuliebe, und damit der ruhmreichen Unternehmenshistorie noch einige Kapitel mehr hinzugefügt werden können.

Die Gewichte im Vergleich

Campagnolo Super Record 13Shimano Dura-Ace Di2SRAM Red AXS 2024
Schaltwerk296217286
Umwerfer15295169
Kassette241223180
Kette213242236
Kurbelgarnitur733689545
Innenlager405476
Schalt-/Bremshebel und Bremsen702656689
Bremsscheiben242214260
Akku-69-
Summe2619 Gramm2459 Gramm2441 Gramm

Die von uns gewogenen Komponenten liegen in der Summe etwas über der Herstellerangabe von 2.445 Gramm. Allerdings ­verfügte die Testgruppe von ­Campagnolo über ein integriertes Powermeter sowie eine größere Kassette als die Vergleichsteile von Shimano und SRAM. In vergleichbarer Konfiguration dürften sich die Gewichte auf einem ähnlichen Niveau einpendeln.

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