Wer sich schon einmal mit einem verbogenen oder gar abgerissenen Schaltauge an seinem Renner herumschlagen musste, wird sich unweigerlich gefragt haben, wie Fahrradkonstrukteure seit Jahrzehnten an dieser unausgereift wirkenden Lösung festhalten konnten. Die filigranen Kleinteile, die das hintere Schaltwerk am Rahmen halten, bestehen meist aus weichen Aluminiumlegierungen, damit sie möglichst leicht sind und im Notfall auch abreißen. Eine Aufgabe besteht also darin, dass der Rahmen selbst bei einem leichten Sturz keinen Schaden nimmt.
Doch der vermeintliche Vorteil entwickelt sich häufig zum Nachteil: Das flexible Teil mindert nicht nur die Schaltqualität an sich. Einmal verbogen, muss es meist ersetzt werden, weil Zurückbiegen nur eine Notlösung ist. Das Material ist häufig so geschädigt, dass es bei der nächsten größeren Belastung bricht.
Dann ist es meist schwer, Ersatz zu bekommen, weil Schaltaugen keinem einheitlichen Standard folgen, sondern von Rahmen zu Rahmen unterschiedlich aussehen und sich sogar von Modelljahr zu Modelljahr ändern können. Die Folge: Es gibt Tausende verschieden designter Exemplare – das richtige zu finden, kann zur unlösbaren Aufgabe werden, wenn der Rahmenhersteller nicht direkt weiterhelfen kann. Dann ist der Rahmen trotzdem Schrott.
Eine Lösung für das Problem präsentierte jüngst Komponentenhersteller SRAM mit der neuen Mountainbike-Gruppe Eagle Transmission. Deren Schaltwerk wird nicht mehr mit der klassischen Schraube am Schaltauge befestigt. Stattdessen hängt es an zwei massiven Alu-Bügeln direkt an der Steckachse und umschließt das Ausfallende von beiden Seiten. Das macht die Aufhängung um Welten steifer und robuster: In sozialen Medien kursieren Videos, in denen sich Tester auf das Schaltwerk am Boden liegender Räder stellen und die Mechanik völlig unversehrt bleibt. Ein nützlicher Nebeneffekt der Konstruktion ist, dass das Schaltwerk immer exakt zur Kassette positioniert ist – lästige Einstellungen wie die der Endanschläge und des Abstands zu den Ritzeln entfallen. Das Transmission-Schaltwerk verzichtet auch gleich auf die entsprechenden Einstellschrauben. Außerdem rückt die komplette Mechanik weiter nach innen, wodurch sie besser vor äußeren Einflüssen geschützt ist. Das Schaltwerk ist modular aus drei Teilen aufgebaut, die sich einzeln ersetzen lassen.
Voraussetzung für die Montage der Gruppe ist ein Rahmen, der am Ausfallende nach dem 2019 von SRAM eingeführten UDH-Standard (Universal Derailleur Hanger) designt ist. Ursprünglich sollte dieser Standard zu einheitlichen Schaltaugen an Mountainbikes führen, etwa 200 Hersteller schlossen sich dem an. Nun zeigt sich, dass die Amerikaner damit den Weg für ihr Transmission-Konzept ebneten.
Theoretisch ließe sich die Transmission-Gruppe auch an Gravelbikes verbauen, denn das elektronische Schaltwerk arbeitet mit dem AXS-Protokoll und ist mit den Schalthebeln der Rennrad-Gruppen Red, Force und Rival kompatibel. Bislang gibt es aber nur sehr wenige Gravelbikes mit UDH-Standard, Beispiele stammen von Lauf oder YT. Ob sich die Lösung am Gravelbike oder gar am Rennrad etablieren wird, muss sich noch zeigen – aber die Entwicklung ist angestoßen. Shimano und Tektro haben bereits Patente für ähnliche Schaltwerke angemeldet.