Sie bauen ihre Rahmen aus Stahl, haben Mut zur Farbe und machen alles, was geht, selbst. Dabei sind die jungen Chefs bei Veloheld, Rotor oder Sour alles andere als Ostalgiker. Die Nachwende-Generation profiliert sich mit charaktervollen Rädern und sympathischem Gründerstolz. In Leipzig und vor allem Dresden – dem “Freiburg des Ostens” – klumpt sich eine lebendige Radszene. Man kennt sich, nutzt Synergien und Gründerzuschüsse, leistet Lobbyarbeit fürs Fahrrad. In der Initiative “Cycling Saxony” finden sich neben solchen Manufakturen und Spezialisten wie den Carbontüftlern von Beast oder den Laufradbauern von Light Wolf auch Traditionsunternehmen und große Versender. Mitte Oktober wird die Bespoked-Messe für handgemachte Fahrräder zum zweiten Mal in Dresden stattfinden. Was geht in Sachsen – und warum? Auf der Suche nach einem frischen Sportrad-Spirit hat sich TOUR im östlichen Freistaat umgeschaut.
Als Carsten Maiwald schweißglänzend sein Titanrad ins Büro schiebt, arbeiten seine Kolleginnen und Kollegen schon eine Weile. Maiwald darf das, schließlich gehört ihm der Laden. Und seine einstündige Pendelstrecke ist definitiv so etwas wie Arbeit, denn in der Marke Veloheld stecken seine Kenntnisse als Industriedesigner – und talentierter Radsportler: 1998 war er Deutscher Jugendmeister in der Einerverfolgung auf der Bahn. Mit einem Stahlrad. Dass die 2007 gegründete Marke erst stählerne Fixies anbot, ist insofern konsequent – und der Firmengeschichte geschuldet, denn Veloheld startete als nebenher betriebenes Projekt dreier Studienkollegen. Entwurf und Vertrieb eines Fixies, wahlweise in Schwarz oder Weiß erhältlich, brauchten nicht allzu viel Kapital. Irgendwann übernahm Maiwald die Marke komplett. Er ist jetzt Anfang vierzig. Die rasierten Beine sehen aus, als wäre immer noch Druck drauf, und im sorgfältig gestalteten Showroom stehen eine ganze Handvoll motorloser Radmodelle in diversen Ausführungen. Schlichte Linien, schlanke Rohre, schicke Farben. Mit elf Angestellten und deutlich mehr als 1000 verkauften Rahmen und Rädern pro Jahr ist Veloheld längst kein “local hero” mehr. Doch irgendwie ist auch diese Marke ein Gewächs des Dresdener Rad-Biotops.
“Dresden hatte eine starke Alternativkultur, und es war kein Geld da”, erinnert er sich. “Ein paar aus der Radszene haben dann Marken gegründet. Man kennt sich, und tendenziell kommt man untereinander klar und kooperiert miteinander.” Das ehemalige Militärgelände, auf dem in mehreren einstöckigen Werkstätten Velohelden montiert und verpackt werden, beherbergt weitere Akteure der Radszene. Von Ost-Frust ist beim Gründer keine Spur zu hören: “Dieses Gefühl, wir seien im Osten gescheitert, war nie meins. Wir wollten schon zu Anfang selbst anpacken und Herren der Lage sein.”
Das vierköpfige Team des Jahres 2017 hat er verdreifacht, die Modellvielfalt sukzessive vergrößert. Und weil Veloheld-Räder in Sachen Farbe und bei der Ausstattung sehr variabel sind, steckt viel Arbeit in Entwurf, Beratung und Montage. Anders als Sour oder Rotor fertigt Veloheld die Rahmen nur beim Rennradmodell Icon und einem Mountainbike-Hardtail in eigener Regie, bei einem Leipziger Rahmenbauer. Der Großteil der Rahmen stammt derzeit aus Taiwan – nach Veloheld-Entwürfen selbstverständlich. Beim Bestseller, dem Gravelbike Icon X, tragen alle Details sichtbar die Handschrift der Dresdener Praktiker. Einfach einen beliebigen zugekauften Stahlrahmen bunt zu lackieren, das ginge dem Designer Carsten Maiwald gegen den Strich. “Zu uns kommt weder der reine Performance-Kunde noch der Schnäppchenjäger”, sagt er. “Wer zu uns kommt, will etwas Besonderes.”
Der Gravel-Bestseller der Marke ist mit Gewinden für Gepäckträger und Schutzbleche ausgestattet, Zusatzgewinde für Bikepacking-Taschen sind optional. Wunschfarben und Ausstattungsvarianten gibt es gegen Aufpreis, der Rahmen ist auch einzeln erhältlich. Die maximale Reifenbreite liegt bei etwa 50 Millimeter.