Wer einen Rennradrahmen kaufen will, um sich sein Rad selbst aufzubauen, stößt auf ein immer dünneres Angebot seitens der Industrie. Die allermeisten Räder gehen als Komplettrad über den Tresen. Jonas Tenbrock vom Versandhändler Rose bedauert das: “Wir haben mit dem Xlite 06 ein schönes Rahmenset für Individualaufbauten, aber die Nachfrage ist leider gering”, sagt der Produktmanager. Welchen Vorteil es bieten würde, das Rad damit nach eigenen Vorstellungen aufzubauen? Jedes Teil könnte nach persönlichen Präferenzen gewählt und das (integrierte) Cockpit von vornherein wirklich auf Maß aufgebaut werden.
Diese Freiheit ist toll. Aber wenn an jeder Stelle Topteile zum Einsatz kommen, wird das vermutlich sehr teuer? Wir haben nachgerechnet und den Rose-Rahmen virtuell mit Teilen aus dem Onlinehandel aufgebaut. Eine super Orientierung erlaubt die Website r2-bike.com, weil da auch die gewogenen Gewichte dargestellt werden. Ergebnis unserer Kalkulation: Der individuelle Aufbau mit einer neuen SRAM Red AXS rund um einen extravaganten 1x12-Aero-Antrieb, wie ihn Jonas Vingegaard bei der Tour de France fährt, würde rund 7500 Euro kosten, Hammerhead-Computer inklusive. Kalkuliert haben wir mit Basic-Aero-Laufrädern von Leeze, High-End-Reifen, Carbon-Lenker und hochwertigem Sattel bzw. Pedalsatz.
Das ist einerseits viel Geld, andererseits aber günstiger als das Serienrad mit der gleichen Gruppe und Rose-Aero-Laufrädern, denn das kostet 7999 Euro. Die Räder unterscheiden sich im Detail und sind nicht direkt vergleichbar, aber das Beispiel zeigt, dass ein ähnlicher Preis zustande kommen kann, trotz Individualisierung. Rose gehört dabei noch zu den günstigen Anbietern. Ein Rad mit dieser Gruppe kann auch 15.000 Euro kosten. Bei einem anderen Hersteller, der seine Rahmen teurer verkauft, mag diese Kalkulation daher anders aussehen, aber das Prinzip, dass man wirklich jedes Bauteil individuell aussuchen kann, ist für erfahrene Schrauber reizvoll. Geht man bei allen Positionen in die Vollen, sind jedoch auch im Selbstaufbau fünfstellige Preise kaum vermeidbar.
Der Gegenentwurf hierzu ist der Kauf eines günstigen Rennrads, sagen wir für 2000 Euro, und ein entsprechendes Upgrade mit ausgesuchten Bauteilen. Aero-Laufräder von Leeze (900 Euro), Topreifen (160 Euro), Wunschsattel (150 Euro) und Lieblingslenker (200 Euro) würden das Rad 1410 Euro teurer machen, es bei den Kontaktpunkten sowie der Laufrad- und Reifenqualität aber auf ein Niveau bringen, das viele Kompletträder für 3500 Euro nicht bieten können. Also wäre auch in dieser Preislage eine Individualisierung möglich.
Das Rahmenset des Rose Xlite 06 kostet 2.499 Euro und trägt alle Merkmale eines modernen Rennrads. Will man hingegen ein aerodynamisches Rad mit einem Aero-Rahmen als Basis, ist es unmöglich ein gut gemachtes Komplettrad wie das Giant Propel zu schlagen; das in der günstigsten Variante 3000 Euro kostet.
Die Königsdisziplin innerhalb des Selbstaufbaus (den Bau des Rahmens ausgenommen) ist aber nicht das Zusammenstecken von Teilen, sondern der Aufbau von Laufrädern – also Einspeichen mit allem Drum und Dran. Hierbei kommen potenziell die gleichen Vorzüge zum Tragen wie beim Aufbau der Rahmen. Und nein, auch das ist nicht superkompliziert und erfordert nicht zwingend Spezialwerkzeug, aber es ist ein Handwerk, und das erste Mal dauert etwas länger. Dafür ist es umso befriedigender, wenn man den Dreh raushat, aus dünnen Drähten starke Räder zu spannen.
Günstige Leichträder sind aber nur mit Fernostfelgen machbar, wie zum Beispiel von Far Sport. Das Angebot an Aero-Felgen ist aber eingeschränkt, und Carbon-Felgen aus heimischer Produktion sind ziemlich teuer. Dennoch kann der Eigenaufbau im Vergleich zu Industrieprodukten günstiger sein – individueller natürlich sowieso.