CustommadeIndividueller Rahmenbau fürs Rennrad

Robert Kühnen

 · 06.09.2024

Modern: High-End, maximal individuell: Titan-Muffen und Cockpit aus Titan gedruckt, von Tom Sturd.
Foto: Adam Gasson
Räder von der Stange? Nein Danke! Wer das Fahrrad richtig feiern will, lässt auf Maß schneidern und redet mit bei Design und Details. Individueller Rahmenbau muss dabei nicht mal teuer sein.

Die Geometrien der meisten Rahmen ähneln einander stark. Sie passen zu Menschen mit normalen Proportionen. Wer davon abweicht oder besondere Vorstellungen hat, kann sich sein Rad auf Maß bauen lassen, Fahreigenschaften, Anbauteile und Lacke mitbestimmen.

Es gibt eine weltweite Szene von Enthusiasten, die Rennräder auf Maß bauen. Die meisten arbeiten mit Stahl und sind mehr auf der kunsthandwerklichen Seite angesiedelt als im Bereich von High-Performance. Das Fahrrad als Fahrmaschine ist im Prinzip eben immer noch eine einfache Maschine. Ein vernünftiger Rahmen ist daher mit handwerklichen Mitteln herstellbar. Auch dieser Prozess lässt sich aber auf die Spitze treiben. Tom Sturdy aus Großbritannien fertigt mittels 3-D-Druck aus Titan maßgeschneiderte Einzelstücke und passt auch die Komponenten an seine Designsprache an – Räder, die mehr Kunst- als Nutzwerk sind. Überhaupt ist Titan ein Material, das bei den Edelschmieden weltweit oft zum Einsatz kommt.

Modern: High-End, maximal individuell: Titan-Muffen und Cockpit aus Titan gedruckt, von Tom Sturd.Foto: Adam GassonModern: High-End, maximal individuell: Titan-Muffen und Cockpit aus Titan gedruckt, von Tom Sturd.

Die Preise für Unikate und Kleinserienrahmen beginnen bei 1000 Euro für Stahl, können Industrieprodukte also sogar unterbieten. Vorteil für den Kunden: Der Rahmenbauer hält für das Produkt seinen Kopf hin, wenn etwas kaputt geht, lässt es sich meistens reparieren. Wer persönliche Beratung und ein individuelles Rad mit angepasster Geometrie, Lackierung und Details seiner Wahl will, wird hier fündig. Muffenlose Stahlrahmen sind völlig frei in der Gestaltung der Winkel. So kann der Rahmenbauer das Geröhr leicht an den Kunden anpassen und zugleich die Fahreigenschaften in die gewünschte Richtung drehen.

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Individueller Rahmenbau: Leichter Rahmen nur mit Carbon?

Etwas weniger Nachlauf für ein spritzigeres Fahrverhalten? Machbar. Dann wird der Lenkwinkel steiler gewählt. Mehr Komfort am Heck? Dann wird das Oberrohr fallend eingelötet und die Sattelstütze lang und ganz dünn in 27,2 Millimeter Durchmesser ausgeführt. Kurze Oberschenkel? Dann kann der Rahmenbauer das Sitzrohr steiler stellen. Und so weiter. Wirklich jeder Parameter ist auf diese Weise individualisierbar. Die gleichen Freiheiten genießt der Rahmenbauer beim WIG-Schweißen von Titan. Einzelstücke sind aber deutlich teurer als aus Stahl, weil Material und Verarbeitung ein Vielfaches kosten. Kleinserienhersteller wie Kocmo bieten individuelle Geometrien in Titan aber sogar für einen überschaubaren Aufschlag an.

Handwerk: Das Löten von Stahl ist eine effektive Methode, um Rahmen relativ günstig herzustellen.Foto: Robert PiontekHandwerk: Das Löten von Stahl ist eine effektive Methode, um Rahmen relativ günstig herzustellen.

Wer minimales Gewicht will, kommt nicht an Carbon vorbei. Damit sind Rahmengewichte ab 800 Gramm möglich. Stoll ist ein Anbieter, der über seinen Hersteller Bike Ahead bei Würzburg individuelle Carbonlaminataufbauten anbietet, abgestimmt aufs Körpergewicht. Dafür sind die Geometrien nicht individualisierbar, da die Rahmen in Formen laminiert werden. 5700 Franken überbieten allerdings sogar den Listenpreis für das Rahmen-Set eines Specialized Tarmac SL8 S-Works, das technisch alles mitbringt, was man sich wünschen kann – außer einer heimischen Fertigung.



Individueller Rahmenbau: Fazit zu Customrahmen

Customrahmen decken also ein weites Feld zwischen Kunstschlosserei und Luft- und Raumfahrttechnik ab. Sie schaffen, fast unabhängig vom Preis, ein sehr individuelles und mutmaßlich auch nachhaltiges Fahrvergnügen. Denn wer sein eigenes Rad mitplant und gestaltet, wird es bestimmt hegen und pflegen. Wer die Beziehung zum Rad noch inniger gestalten will, legt selbst Hand an und baut unter fachkundiger Aufsicht seinen Rahmen selbst – zum Beispiel bei bigforestframeworks.com, der Rahmenbauschmiede von Robert Piontek. Das Fahrrad, das so entsteht, könnte die Velo-Liebe des Lebens werden.

Kunstwerk: Big Forest bietet individuelle Stahlrahmen ab 1799 Euro an – und Rahmenbaukurse fürs Selberlöten.Foto: Robert PiontekKunstwerk: Big Forest bietet individuelle Stahlrahmen ab 1799 Euro an – und Rahmenbaukurse fürs Selberlöten.

Fitting

Vor dem Auftrag und Bau eines individuellen Rades sollte die Sitzposition zweifelsfrei feststehen. Insbesondere dann, wenn sie später nicht einfach zu ändern ist, zum Beispiel wegen einer integrierten Vorbau-Lenker-Kombi. Die Handposition am Bremsgriff ist dabei der Dreh- und Angelpunkt. Deshalb sollte ein Fitting an erster Stelle stehen, wenn keine bestehende Sitzposition als Blaupause dienen kann.

Damit verbunden ist die Frage, wo das Fitting stattfinden soll. Beim Rahmenbauer oder bei einem Fittingspezialisten? Wir raten zu Letzterem. Die Fittingprofis sind in der Regel markenunabhängig, messen und beraten am Verstellrad. Die dabei gewonnenen Koordinaten der Sitzposition können dann vom Rahmenbauer verwendet werden, um das Rad von Grund auf so zu bauen, dass der Kunde am Ende so sitzt, wie beim Fitting ausgetüftelt. Wir raten dazu, mit den Maßen Stack+ und Reach+ zu arbeiten, die TOUR verwendet, den eindeutigen Handkoordinaten. Dann wird das Rad am Ende garantiert passen.


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