Kaufberatung LaufräderVon der Felge bis zur Nabe - ein Leitfaden

Jens Klötzer

 · 21.02.2023

Gute Aerodynamik bei vertretbarem Gewicht schaffen Carbonfelgen am besten
Foto: Robert Kühnen

Laufräder gehören zu den wichtigsten Komponenten am Rennrad: Sie prägen Optik und Eigenschaften wie kaum ein anderes Bauteil und sind Tuningoption Nummer eins - bei einer fast unbegrenzten Anzahl von Möglichkeiten. Ein Leitfaden für die Auswahl, von der Felge bis zur Nabe.

Welche Felgenhöhe?

Laufräder gehören zu den aerodynamisch wirksamsten Teilen des Rades. Mit hohen, günstig geformten Felgen lässt sich die Geschwindigkeit ohne Mehrleistung um bis zu 1 km/h steigern. Die Kontur der Felge entscheidet, bei welchen Anströmwinkeln das Profil besonders gut funktioniert. Dabei gilt: Je höher die Felge, desto schneller ist sie. Der Effekt ist indes gering, bei guter Felgenform beträgt der Unterschied zwischen 30 und 80 Millimetern Höhe nur wenige Watt. Hohe Felgen haben auch Nachteile: Sie sind nicht nur etwas schwerer, sie wirken auch wie Segel.

Die Felgenhöhe prägt Optik und Fahreigenschaften des RadesFoto: Kerstin Leicht
Die Felgenhöhe prägt Optik und Fahreigenschaften des Rades

Viel Seitenwind erzeugt Kräfte an der Felge, die in die Lenkung greifen. Besonders bei böigem Wind sind hohe Felgen nicht leicht zu steuern. Als ideal erweist sich die Kombination aus wenig Luftwiderstand mit möglichst geringer Seitenwindempfindlichkeit. Das leisten um 50 Millimeter hohe Felgen als bewährter Kompromiss; noch höhere Felgen sind nur für Zeitfahren, Triathlon und bei wenig Wind sinnvoll. Nicht ganz unbedeutender Nebeneffekt: Höhere Laufräder sind tendenziell steifer und langlebiger, weil die Felgen stabiler und die Speichen kürzer ausfallen. Schwere Fahrer können also höhere Felgen wählen, kleine und leichte sollten zumindest am Vorderrad lieber etwas flachere bevorzugen, weil sie Seitenwind stärker spüren.


Laufräder: Carbon- oder Alufelgen?

Das ist eine Frage des Anspruchs und des Preises. Wer wettkampftaugliches Material sucht und auf gute Aerodynamik aus ist, kommt an Carbon nicht vorbei - ein gutes, leichtes Aero-Profil lässt sich nur aus Carbon formen. Auch beim Gewicht ist Carbon im Vorteil. Der Unterschied ist aber nur im Vergleich zu preiswerten Alu-Modellen bedeutend - bzw. können hochwertige Alu-Laufräder sogar leichter und preiswerter sein als die günstigsten Carbonmodelle. Die Preise für ordentliches Material mit Carbonfelgen beginnen bei etwa 1000 Euro pro Satz; die Top-Modelle großer Marken kosten 2000 Euro und mehr.

Gute Aerodynamik bei vertretbarem Gewicht schaffen Carbonfelgen am besten (links im Bild)Foto: Kerstin Leicht
Gute Aerodynamik bei vertretbarem Gewicht schaffen Carbonfelgen am besten (links im Bild)

Alu-Laufräder beginnen bei wenigen Hundert Euro für einfachste Technik, die etwa zwei Kilo pro Satz wiegt. Je teurer desto leichter: Man bekommt Laufrad-Sätze aus Alu um 1500 Gramm für unter 1000 Euro. Wichtig für Rennräder mit Felgenbremsen: Auf Carbon bremst es sich nicht optimal. Je nach Produkt muss man Einschränkungen hinnehmen wie geringe Bremsleistung im Regen, hohen Verschleiß teurer Spezialbeläge oder gar unter Bremshitze kollabierende Felgen - im schlimmsten Fall alle Effekte zusammen. Aus der Erfahrung unserer Tests haben das nur die namhaften Hersteller im Griff. Für extreme Anforderungen (schwerer Fahrer, viel Gepäck, steile Berge) sind Alu-Felgen die sicherere Wahl.


Systemlaufrad oder individuell gebaut?

Die meisten heute verkauften oder in Rennrädern verbauten Laufräder sind Systemlaufräder. Das heißt, alle Bauteile kommen vom gleichen Hersteller und sind aufeinander abgestimmt. Ihre größte Stärke ist das meist bessere Verhältnis von Steifigkeit und Gewicht gegenüber individuell zusammengestellten Laufrädern. Auch in Sachen Aerodynamik können die Anbieter alle Register ziehen.

Nachteil: Geht mal etwas kaputt, muss man wieder auf diese Spezialbauteile zurückgreifen.

Mit individuell zusammengestellten Komponenten lassen sich besonders haltbare Laufräder bauenFoto: Kerstin Leicht
Mit individuell zusammengestellten Komponenten lassen sich besonders haltbare Laufräder bauen

Nicht immer ist gesichert, dass diese auch erhältlich sind; gerade für ältere Modelle können zum Beispiel spezielle Speichen schwer zu beschaffen sein. Aber auch individuelle Laufräder - ob selbst gebaut oder vom professionellen Laufradbauer - können Vorteile haben: Je nach eigenen Ansprüchen oder Vorlieben können Naben, Speichen und Felgen spezialisierter Hersteller frei kombiniert werden. So lassen sich beispielsweise besonders haltbare Exemplare oder optische Sonderwünsche realisieren. Auch die Verfügbarkeit der Ersatzteile, vor allem der Speichen und Nippel, ist meist besser.



Laufräder - Welche Innenbreite?

Felgen für Rennradlaufräder können zwischen 15 und mehr als 30 Millimeter breit sein. Die Felgenbreite richtet sich maßgeblich nach der Reifenbreite und damit der Frage: Was will ich fahren? Klar ist: Je breiter der Reifen, desto breiter sollte auch die passende Felge sein. Zwar ist die Toleranz groß, vor allem können breite Reifen ohne Sicherheitsbedenken auch auf vergleichsweise schmalen Felgen gefahren werden. Eine Orientierung geben die Empfehlungen der ETRTO (European Tire and Rim Technical Organisation), wobei diese in der Fahrradbranche als überholt gelten.

Das Innenmaß der Felge hat Einfluss darauf, wie ein Reifen darauf sitztFoto: Kerstin Leicht
Das Innenmaß der Felge hat Einfluss darauf, wie ein Reifen darauf sitzt

Für optimale Performance werden von Reifen- und Felgenherstellern tendenziell breitere Felgen empfohlen; auch solche Kombinationen, die nach ETRTO gar nicht zulässig wären. Hintergrund: Zum einen verbessert sich die Aerodynamik, weil Felge und Reifen ein günstigeres Profil bilden. Zum anderen profitieren die Fahreigenschaften: Auf breiten Felgen wölben sich Reifen breiter und mit mehr Volumen, wodurch die Karkasse bei gleichem Druck unter mehr Spannung steht. Der Reifen wird dadurch straffer. Dies wirkt sich jedoch stärker auf das Lenkverhalten als auf das Federvermögen aus.

Foto: TOUR Magazin

Die breiten Felgen lassen den Reifen minimal weniger federn, dafür fährt er sich aber deutlich agiler und seitensteifer. So entsteht das Potenzial, den Druck zu senken - um bis zu zwei Bar - und mehr Komfort mit agilem Lenkverhalten zu vereinen. Für 25-Millimeter-Rennreifen gelten heute 17 bis 19 Millimeter Felgeninnenbreite als optimal, für 28 Millimeter um die 20. Gravelbikes mit Reifen um 40 Millimeter fahren am besten mit 24 Millimetern oder mehr. Die Matrix orientiert sich an aktuellen Empfehlungen des Reifenherstellers Schwalbe.


Clincher, Tubeless oder Hookless?

Die Begriffe beziehen sich auf das Felgenbett und bezeichnen, für welche Art Reifen sich die Laufräder eignen. Clincher sind der Klassiker: Faltreifen mit eingelegtem Schlauch sind seit Jahrzehnten Standard. Tubeless- oder Tubeless-Ready-Felgen können auch ohne Schlauch gefahren werden, eine Flüssigkeit auf Latexbasis dichtet dann Reifen und Felge ab. Ihr Felgenbett ist entweder ganz geschlossen oder mit einem speziellen Felgenband zu den Speichenlöchern abgedichtet.

Außerdem verlaufen an den Rändern Nuten, in die sich die Reifenwulst regelrecht einhakt. Heute sind die meisten aktuellen Rennradlaufräder für den Einsatz mit Tubeless-Reifen vorbereitet. Auf Tubeless-Felgen können auch klassische Clincher mit Schlauch gefahren werden; umgekehrt geht das nicht. Noch relativ neu sind hakenlose Felgen (hookless), die auf den kleinen Absatz am Felgenhorn verzichten, was sie leichter und stabiler macht. Erst wenige Hersteller bieten Felgen dieser Bauart, prominente Beispiele sind Cadex und Zipp.

Hakenlose Felgen sind minimal leichter und stabilisieren die Seitenwand des ReifensFoto: Kerstin Leicht
Hakenlose Felgen sind minimal leichter und stabilisieren die Seitenwand des Reifens

Hier ist bei der Reifenwahl besondere Vorsicht geboten: Sie dürfen nur mit Tubeless-Reifen gefahren werden, auch sind nicht alle Reifenmodelle für diese Felgen freigegeben. Zudem ist der Maximaldruck deutlich niedriger, er liegt mitunter nur bei fünf Bar. Weil sich die Seitenwände der Reifen besser abstützen können - der Effekt ist ähnlich wie bei den breiteren Felgen -, reicht das aber aus.


Laufräder - Wie viele Speichen?

Die Anzahl der Speichen und ihre Anordnung bestimmen maßgeblich, wie steif und wie langlebig das Laufrad ist. Weniger Speichen machen das Laufrad leichter und aerodynamisch besser. Typisch für Rennradlaufräder sind heute 20 bis 24 Stahlspeichen. Eine pauschale Aussage, was sinnvoll ist, lässt sich jedoch kaum treffen, denn es spielen noch andere Faktoren eine Rolle. So kann ein Laufrad auch mit wenig Speichen seitensteif sein, wenn sie straffer gespannt sind.

Filigran: Laufräder mit wenigen Speichen sind leicht und aerodynamisch - aber oft defektanfälligerFoto: Kerstin Leicht
Filigran: Laufräder mit wenigen Speichen sind leicht und aerodynamisch - aber oft defektanfälliger

Voraussetzung ist, dass Nabe, Speichen und die Felge das auf Dauer mitmachen. Auch das Speichendesign spielt eine Rolle: Speichen mit rundem Querschnitt sind haltbarer und steifer als dünn gewalzte Messerspeichen. Wer auf Nummer sicher gehen will, ist mit 24-Speichen-Laufrädern gut beraten. Bei besonders hohen Ansprüchen, zum Beispiel hohem Systemgewicht, ist der Gang zu einem Laufradbauer sinnvoll: Laufräder mit 32 oder gar 36 Speichen halten auch extremen Belastungen stand, wenn sie gut gemacht sind.

Welche Lagertechnik?

Grob unterschieden werden Konuslager und Industrie- bzw. Rillenkugellager. Erstere finden sich heute nur noch an sehr günstigen Modellen; lediglich Shimano hielt bis vor einigen Jahren auch bei hochwertigen Laufrädern noch an diesem Lagertyp fest. Gedichtete Industrielager sind weniger pflegeintensiv und lassen sich leichter wechseln. High-End-Modelle sind gelegentlich mit Keramiklagern versehen, deren Kugeln und/oder Laufbahnen nicht aus Stahl, sondern einem hochfesten keramischen Werkstoff bestehen. Sie halten länger und laufen leichter; gemessen am viel höheren Preis sind die Vorteile aber kaum praxisrelevant.

Wo gibt es Einschränkungen bei der Kompatibilität?

Beim Kauf muss man gleich an mehreren Stellen darauf achten, dass die Laufräder zum Rad passen.

Achsen: Bei Scheibenbremsen-Rädern sind 12-Millimeter-Steckachsen inzwischen Standard, auch die Einbaubreiten (vorne 100, hinten 142 Millimeter) sind fast überall gleich. Bei Felgenbremsen-Rädern mit Schnellspannern ist seit den 1990er-Jahren nur ein einheitliches Maß (100/135 Millimeter) verbreitet. Vorsicht bei Rädern aus der Übergangszeit (2015– 2018): Es gab Disc-Räder mit Schnellspannachsen, was bei sehr günstigen Rädern manchmal noch heute der Fall ist. Vereinzelt kamen auch 15- oder 10-Millimeter-Steckachsen vor. Viele Laufradsätze lassen sich mit Adaptern auf die unterschiedlichen Maße umbauen, aber nicht für alle Modelle werden diese angeboten. Die besten Chancen hat man bei den großen Herstellern wie DT Swiss oder Mavic.

Freilauf: Der Freilaufkörper am Hinterrad muss zur Schaltung passen, jedoch sind nicht alle Laufräder mit allen Freilauftypen erhältlich. Verbreitet sind Shimano- und SRAM-Freiläufe, die für die meisten Modelle angeboten werden. Laufräder für Campagnolo-Schaltungen gibt’s deutlich weniger. Shimano nutzt seit Jahrzehnten den gleichen Standard (Ausnahme: die aktuelle Zwölffach-Dura-Ace), der auch für SRAM-Schaltungen bis zu elf Ritzeln passt. Mit den Zwölffach-Gruppen eTap AXS führte SRAM den speziellen XDR-Freilauf ein. Campagnolo unterscheidet in die Rennradkomponenten (Neun- bis Zwölffach) sowie den N3W-Freilauf speziell für die Gravel-Komponenten der Ekar-Gruppe.

Bremsscheiben: Üblich ist eine Center-Lock genannte Vielzahn-Aufnahme, auf der die Scheibe mit einer zentralen Mutter gesichert wird. Seltener sind 6-Loch-Aufnahmen, die andere Bremsscheiben erfordern, aber grundsätzlich auch in jedem Rad verbaut werden können.