Pioniere des Kettenwachsens haben schon vor Jahrzehnten damit begonnen, Paraffin statt Öl auf die Kette aufzutragen, im Prinzip also Kerzenwachs zu verwenden. Ein damit geschmierter Antrieb zieht kaum Dreck an, und wo kein Dreck haftet, ist auch weniger Verschleiß. Viel weniger Verschleiß. Auf der Straße sowieso, aber ganz besonders beispielsweise beim Crossen oder Gravelbiken im feuchten Tann. Weil Wachsen aber einiges an Vorbereitung benötigt – so müssen die Teile vor dem Auftrag komplett fettfrei sein, damit Wachs überhaupt haften kann –, war Wachsen lange ein Nischenthema. Das hat sich geändert. Mittlerweile hat so ziemlich jeder bekannte Schmierstoffhersteller Wachs im Programm, hinzu gesellen sich zig Firmen, die Wachsen zu ihrem Hauptthema gemacht haben. Der Markt ist regelrecht explodiert. Im Wesentlichen gibt es dabei zwei Produktlinien: Heißwachse und Tropfwachse. Erstere müssen aufgeschmolzen und Ketten vor dem Bad im heißen Wachs demontiert werden – was die Prozedur aufwendig macht. Tropfwachse werden hingegen aus der Flasche aufgetragen – analog zu Öl. Laut Herstellern sollen die Heißwachse aber besser sein. Da Tropfwachse einfacher anzuwenden sind, scheint sich der Markt aber mehr in diese Richtung zu bewegen. Beide Methoden lassen sich auch kombinieren. So kann man die heißgewachste Kette mit Tropfwachsen nachschmieren, bevor man sie nach einigen Zyklen zur Generalüberholung erneut ins heiße Wachsbad taucht.
Dass gewachste Ketten kaum Schmutz anziehen, können wir aus jahrelanger Praxis bestätigen. Selbst nach einer Fahrt durch dicksten Schmodder ist die gewachste Kette immer noch erstaunlich sauber. Und das wiederum ist die Grundlage für eine deutlich längere Haltbarkeit von Ketten, Ritzeln und Kettenblättern – unter Wachs ist die mehrfache Lebensdauer drin! Da der Ersatz verschlissener Ketten, Ritzel und Kettenblätter moderner Räder in die Hunderte Euro gehen kann – Kassetten kosten bis zu 500 Euro –, ist die Haltbarkeit ein immens wichtiger Faktor in den laufenden Betriebskosten. Die Sauberkeit kommt aber nicht nur der Technik zugute; gewachste Ketten hinterlassen wenig Spuren, nur beim Einfahren rieselt etwas Wachs. Das macht den Umgang mit dem Rad angenehmer. Besonders bei Transport (im Auto) und häufigen Radwechseln sind die Vorteile im Wortsinn zu greifen. Probleme in der Praxis betreffen vor allem Regenfahrten. Das Rad nass in die Garage zu stellen, war noch nie eine gute Idee – erst recht nicht mit gewachstem Antrieb, denn dieser bietet weniger Korrosionsschutz als Öl, das im Gegensatz zu Wachs nachkriechen kann. Über Nacht kann daher schon der erste Rost auf einer nass geparkten Wachskette blühen. Deshalb sollten gewachste Antriebe nach jeder Regenfahrt abgetrocknet und idealerweise nachgeschmiert werden. Wie lange die Kette mit einer Wachsung auskommt, variiert. Hersteller versprechen zum Teil Laufleistungen von bis zu 1.000 Kilometern pro Anwendung. Das mag unter bestimmten Bedingungen auf der Straße zutreffen, nach unserer Erfahrung sind 200 Kilometer im Rennradalltag praxisnäher, bei winterlichen Bedingungen auch deutlich weniger. Tendenziell surrt eine geölte Kette je Ölung mehr Kilometer ohne Klagen.
Unser Testfeld umfasst 16 Produkte von elf Herstellern. Sechs Heißwachse treffen auf zehn Tropfwachse. Der Grammpreis variiert zwischen 9 und 50 Cent. Wachse sind damit relativ teuer. Dies liegt sicher weniger am Preis für den Grundstoff Paraffin als an den Additiven, die den Wachsen beigemengt werden. Festkörper-Gleitstoffe wie Wolframdisulfid oder spezielle Keramiken, die sich auf der Metalloberfläche anlagern sollen, sind teure Zutaten. Wachs ist zudem ergiebig. Für eine Heißwachsung werden effektiv nur rund vier Gramm Wachs gebraucht. Eine 400-Gramm-Packung hält damit eine kleine Ewigkeit. Bei Tropfwachsen hängt es von Viskosität und Anwendung ab, wie lange eine Flasche reicht. Auch ein kleines Gebinde kann ergiebig sein, wie etwa bei Dry Fluid, das sehr dünnflüssig ist und mit einer feinen Dosierspitze versehen. Zur Einschätzung: Um eine Flotte von acht Rädern am Laufen zu halten, benötigte der Autor 240 Milliliter Tropfwachs in einem Jahr. Geschätzte Gesamtlaufleistung: knapp 20.000 Kilometer (Wachs-Kosten: 0,23 Cent/Kilometer). Die Hersteller teilen die Wachse zum Teil nach Anwendungszwecken ein in Leichtlaufprodukte und Endurance-Wachse, die höhere Kilometerleistungen liefern sollen. Drei Hersteller (Dynamic, Motorex und Toniq) werben zudem mit biologisch abbaubaren Wachsen. Für den Test haben wir die Wachse auf entfettete Shimano-XT-Ketten aufgebracht und diese auf einem speziellen Prüfstand einem Effizienztest unterzogen, bei hohen bis sehr hohen Belastungen zwischen 370 und 680 Watt. Verglichen haben wir die Wachse mit der Original-Schmierung der Shimano-Ketten sowie einem sehr guten Kettenöl.
Unser Test zeigt, dass die Versprechen der Hersteller tatsächlich stimmen: Wachse schmieren sehr gut, die besten effizienter als ein sehr gutes High-End-Kettenöl – allerdings nur knapp. Der Effizienzgewinn gegenüber der Original-Schmierung von Shimano, die eher als Korrosionsschutz gelten kann, ist hingegen deutlich. 5,5 Watt spart ein gutes Wachs hier bei 370 Watt Antriebsleistung. Das sind immerhin 1,5 Prozent. Ist das wenig oder viel? Das liegt im Auge des Betrachters. Die Original-Schmierung der Kette durch etwas Schnelleres zu ersetzen, sollten zumindest Rennfahrer sich zur Pflicht machen. Verschlissen beziehungsweise verdreckt sind die Unterschiede zwischen den Produkten mutmaßlich noch um einiges größer als in unserem Test ermittelt. Bei höheren Leistungen nimmt der Wirkungsgrad des Kettengetriebes grundsätzlich zu. Das Ranking für die hohe Leistung ist daher nicht komplett identisch mit dem für die geringere Leistung (s. Grafik rechts). Unsere Messungen zeigen, dass die meisten Wachse auch bei sehr hoher Leistung sehr gut funktionieren. Als Trend ist erkennbar, dass Heißwachse zuverlässig gut funktionieren und das Ranking anführen. Tropfwachse mischen zum Teil aber auch weit vorne mit. Auch ein wachsfreier Trockenschmierstoff, das Dry Fluid, schneidet sehr gut ab.
Wachsen bringt’s. Mehr Tempo, mehr Haltbarkeit, saubere Finger. Der größte Aufwand ist das Entfetten der Ketten. Vorgewachste Ketten machen den Einstieg besonders leicht. Läuft das Wachsen erst mal, ist es nur wenig aufwendiger als Ölen und spart Bares, denn der Antrieb hält damit länger, was die Kosten fürs Wachsen mehr als kompensiert. - Robert Kühnen Test-Ingenieur
Robert Kühnen ist dem Magazin seit Langem als Autor und Tester verbunden, hat maßgeblich an den Prüfständen von TOUR mitgewirkt und auch den Kettenprüfstand entwickelt. Der Ingenieur bietet auch Messungen für Bike-Industrie und Spitzensport an. bike-engineering.de
Das Wachs wird aufgeschmolzen und die demontierte Kette ins Wachsbad eingelegt. Vorteil: vollständige Befüllung der Kette mit Wachs, Nachteil: höherer Aufwand
Es wird wie Öl aus der Flasche aufgetragen.
Praktisch ist die Kombination beider Methoden. Vorbereitung mit Heißwachs, Nachschmierung mit Tropfwachs. Vorgewachste Wechselketten sind eine weitere Option.
Wachsfreies Gleitmittel. Sehr ergiebig, geringste Mengen reichen. Ideal auch zum Nachschmieren auf Tour
Allwetter-Wachs ohne Additive. Günstig, biologisch abbaubar, aber nicht besonders schmierfreudig
Inhaltsstoffe wie Hot Wax, aber deutlich teurer und weniger effektiv. Auftrags-Schwämme integriert
Tropfwachs auf Wasserbasis. Biologisch abbaubar. Solide, besonders bei hohen Leistungen. Günstig
Öl steht drauf, aber Wachs ist drin: Alkohol als Trägerflüssigkeit macht dieses Wachs frostkompatibel
Tropfwachs auf Wasserbasis, sehr gut bei mittlerer Leistung. Ergiebig. Benötigt kaum Einlaufzeit
Dickflüssiges Wachs. Auch als 500- und 15-ml-Flasche erhältlich. Biologisch abbaubar
Dünnflüssiges Wachs für trockene Bedingungen. Im Reibwert wie Nassvariante, aber ergiebiger
Dickflüssiges Wachs für nasse Bedingungen. Überraschend flott, insbesondere bei hohen Leistungen
Günstiges Tropfwachs aus Frankreich auf Wasserbasis. Mittlere Reibwerte
Heißwachs mit Wolframdisulfid. Ordentlich schnelle Mischung, aber kleine Packungsgröße
Das schnellste Wachs bei mittleren Leistungen. Ist ausgehärtet relativ weich. Biologisch abbaubar
Endurance-Heißwachs mit sehr niedriger Reibung. Ausgehärtet relativ weich. Biologisch abbaubar
Allround-Heißwachs im großen Gebinde. Verpackung dient als Kochbeutel. Gute Reibwerte
Klassiker aus den USA mit sehr guter Performance, ganz besonders bei hohen Leistungen
Sehr schnelles Heißwachs, das unter allen Bedingungen gut performt. Der Beutel kann direkt ins Wasserbad
Wachs entzieht sich dem klassischen isolierten Schmierstofftest. Deshalb haben wir es so getestet, wie wir es nutzen – im Fahren. Dabei haben wir gemessen, wie effizient der Antrieb arbeitet. Gefahren wurde aber auf der Stelle, denn nur im Labor sind so genaue Messungen möglich. Testaufbau: Unsere Testmaschine misst die Differenz zwischen eingehender und ausgehender Leistung im Kettengetriebe. Das ist technisch anspruchsvoll, weil der Kettenwirkungsgrad grundsätzlich sehr hoch ist. Die Messtechnik muss grobe Kräfte aushalten, aber trotzdem fein auflösen. Dies leistet der Aufbau aus 1,5-kW-Antrieb und zwei industriellen Burster-Drehmomentsensoren, die bis zu 200 Newtonmeter Drehmoment abkönnen – mehr, als die stärksten Radsportler aus ihren Muskeln quetschen. Im Unterschied zum Menschen bleibt die Maschine auch bei Leistungen am Ball, bei denen uns das Laktat zu den Ohren rauskäme.
Testablauf: Für den Vergleich der Schmierstoffe präparieren wir 20 Shimano-XT-Ketten aus einer Produktionscharge nach Entfettung mit unseren Testwachsen, lassen diese aushärten und fahren zunächst eine Stunde mit 370 Watt – was für die meisten einer ziemlich strammen Bergfahrt entspricht. Dabei zeichnen wir die Entwicklung des Wirkungsgrades auf. Der Mittelwert der finalen 20 Minuten ist unser Messwert. Wir fahren mit 92 Umdrehungen pro Minute und der Übersetzung 32/17 – ohne Schräglauf. Die Kette wird dabei über ein Schaltwerk geführt, die Ritzel sind aus Stahl. Im zweiten Teil des Tests werden die eingefahrenen Ketten für zehn Minuten mit 680 Watt belastet. Auch hierbei zeichnen wir den Wirkungsgrad auf. Dieser Test gibt Aufschluss, inwieweit die Schmierstoffe auch bei rohen Kräften funktionieren. Schließlich unterziehen wir eine gewachste Kette exemplarisch einem harten Ausdauertest nach einem Schlammbad. Auch während dieses Tests verfolgen wir die Entwicklung des Wirkungsgrades.