Julian Schultz
· 13.11.2022
Immer schneller soll es sein - bei den Rädern selbst und allen Komponenten, die zum Rennradfahren gehören. Ein Überblick über das weite Feld der Aerodynamik.
Laufräder bieten das größte Tuning-Potenzial, um ein Rennrad schneller zu machen. Entsprechend häufig hat TOUR Laufräder unterschiedlichster Form im GST-Windkanal getestet. Die Laufräder werden stets als Teil des Gesamtsystems aus Fahrrad und Fahrer gemessen, “da Messungen am nackten Laufrad irreführend sind”, sagt TOUR-Testingenieur Robert Kühnen. Um realitätsnahe Ergebnisse zu erhalten, wird seit März 2013 der Dummy mit rotierenden Beinen verwendet, da bei Seitenwind die Beinstellung des Fahrers den Luftwiderstand des Hinterrads und damit des Gesamtkonzepts beeinflusst. Speziell mit hohen und günstig geformten Felgen lässt sich die Geschwindigkeit erhöhen. Aktuelle (Aero-)Modelle mit einer Felgenhöhe um 60 Millimeter haben - gemessen mit rotierenden Beinen und einem relativ unaerodynamischen Referenzrad - einen Luftwiderstand von rund 216 Watt (TOUR 1/2022).
Macht ein Aero-Helm schneller? Dieser Frage ging TOUR schon in mehreren Windkanal-Tests nach. Im Unterschied zum Testaufbau bei Kompletträdern kommt dabei der Vollkörper-Dummy zum Einsatz, der in typischer Rennradposition - mit etwa 15 Grad geneigtem Rücken - auf dem Referenzrad Platz nimmt. Gemessen wird der Gesamtwiderstand von Fahrrad plus Fahrer mit Helm. Unsere Ergebnisse zeigten bislang, dass ein Aero-Modell gegenüber einem herkömmlichen Helm einen Aerodynamik-Vorteil von rund 10 Watt bringen kann.
Vor der Tour de France 2018 wollten wir es genau wissen und untersuchten Profi-Rennanzüge auf ihre Windschnittigkeit. Statt des Dummys nahm ausnahmsweise ein Fahrer aus Fleisch und Blut auf dem Fahrrad Platz und ließ sich im dünnen Einteiler den kalten Wind um die Nase wehen - mit zwei Erkenntnissen. Erstens: Spezielle Aero-Kleidung führt zu einem ordentlichen Tempo-Schub, rund 30 Watt lassen sich damit einsparen. Zweitens: Die Minusgrade im Windkanal verkraftet der Dummy wesentlich besser.
Das Stundenweltrekord-Rad von Francesco Moser von 1988 ist bis heute das spektakulärste Gefährt, das TOUR je in Immenstaad getestet hat. 25 Jahre nach der Rekordfahrt (50,644 Kilometer) des Italieners auf der Bahn in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle holten wir das Unikat bei Moser persönlich ab und unterzogen es einem nicht ganz ernst gemeinten Vergleich mit aktuellen Zeitfahrmaschinen. Das Rad schlug sich beachtlich und kam der Aerodynamik der Zeitfahrräder recht nahe, die riesige 103-Zentimeter-Scheibe am Hinterrad offenbarte aber auch die größte Schwäche: In freier Wildbahn und bei Seitenwind wäre Mosers Rad kaum fahrbar gewesen.