Stil-Report: Was ist 2023 cool, und was geht gar nicht?
Kristian Bauer
· 05.03.2023
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Foto: Christian Kaufmann
Socken müssen kurz und die Beine rasiert sein – oder etwa nicht? Jahrelang gab es klare Stil- und Spielregeln für Radsportler und ihren Rennrad-Styleguide. Doch was gestern verpönt war, gibt heute Insta-Likes. Also: Was ist 2023 cool, und was geht gar nicht? TOUR hat sich in der Münchener Rennrad-Szene mal umgehört.
Rennrad-Styleguide: Kathrin Leibig
49 Jahre, Ärztin, ATSV Kirchseeon
Foto: Christian Kaufmann
Kathrin Leibig
“Ich fahre seit 2005 Rennrad und komme auf 3000 bis 4000 Kilometer im Jahr. Angefangen habe ich damit, um Triathlons bestreiten zu können – und das mache ich bis heute, in diesem Jahr erstmals über die Mitteldistanz.”
So müssen meine Socken aussehen: Sie müssen zum übrigen Outfit passen.
So muss mein Trikot aussehen: Ich verstehe nicht, wieso man ein Profi-Trikot trägt. Ich mag hübsche Trikots – auch mit Blümchen.
Ärmelloses Trikot? Habe ich nicht – ich will keinen Sonnenbrand.
Handschuhe? Vergesse ich oft!
Rasierte Beine? Ich nehme meinen Mann auch mit, wenn er sie nicht rasiert hat.
Bräunungsstreifen? Durch Schwimmen und Laufen kein Thema.
Radfahrer-Gruß? Pflicht! Finde ich unmöglich, wenn man nicht grüßt – oder mindestens ein nettes Lächeln zeigt.
Social Media? Nein. Insta habe ich nur mal wegen eines Gewinnspiels gemacht.
Staubkappe am Ventil? Ja. Darauf habe ich noch nie geachtet.
Pumpe am Rahmen? Manchmal mit Klettband – sonst in der Trikottasche.
Scheibenbremsen? Ja, habe ich schon seit ein paar Jahren.
Cool auf dem Rad: Mir ist das Aussehen wurscht. Wichtig ist, dass man Spaß am Rennradfahren hat. Egal, ob alte Herren auf Stahlrädern oder schicke Alé-Trikot-Trägerin.
Uncool auf dem Rad: Rücksichtsloses Verhalten nervt, aber sonst darf jeder anziehen und machen, was er will. Profi-Trikots sind nicht so cool, und ich würde keine weißen Socken anziehen.
Gravelbike? Ich fahre oft auf Schotterwegen im Osten von München, und da ist ein Gravelbike ideal.
“Ich fahre seit 23 Jahren Rennrad, bin früh in den Verein und habe dort mit Rennsport angefangen. In den letzten Jahren hatte ich nur eine kurze Rennpause. Ich fahre am liebsten Straßenrennen, aber inzwischen auch Crossrennen.”
So müssen meine Socken aussehen: Mittlerweile höher, aber keine Kompressionssocken!
So muss mein Trikot aussehen: Sollte nicht zu bunt sein. Ich fahre meist Vereinstrikots.
Ärmelloses Trikot? No-Go!
Handschuhe? Nur bei Rennen – da ist es ein Sicherheitsfaktor.
Rasierte Beine? Ja! Selbst in meiner Rennpause habe ich sie weiter rasiert.
Bräunungsstreifen? Ich stehe zu meinen Bräunungsstreifen. Das zeigt, dass ich viel gefahren bin.
Radfahrer-Gruß? Grundsätzlich ja, aber auf manchen Strecken ist es zu viel, dann grüße ich nicht immer.
Social Media? Strava (nur für Abonnenten) und Instagram (privat und Vereinsseite).
Staubkappe am Ventil? No-Go!
Pumpe am Rahmen? Habe ich in der Trikottasche.
Scheibenbremsen? Inzwischen ja, aber ich habe auch noch ein Rad mit Felgenbremsen.
Cool auf dem Rad: Ordentliche Sitzposition. Nicht zu bunt.
Uncool auf dem Rad: Wertungstrikots der Rundfahrten oder WM-Trikot gehen gar nicht!
Gravelbike? Ich fahre mit dem Crosser – Waldwege und Schotter sind nichts Neues für mich.
E-Rennrad? Ich hoffe, dass ich keines brauche. Fahrrad ist für mich in erster Linie ein Sportgerät. Zum Einkaufen sind E-Bikes okay.
“Ich fahre erst seit drei Jahren Rennrad. Es ist nur ein Hobby, aber schon ausgeartet: In diesem Jahr bin ich 10.000 Kilometer gefahren. Rennen oder Radmarathons waren nicht dabei, aber ich bin mit fünf Mädels die Strecke der Tour de France Femmes nachgefahren.”
So müssen meine Socken aussehen: Bevorzugt weiß und lang.
So muss mein Trikot aussehen: Ich mag natürliche Farben. Zu viel Muster finde ich nicht schön, und ich würde kein Profi-Trikot anziehen.
Ärmelloses Trikot? Nein!
Handschuhe? Brauche ich nicht.
Rasierte Beine? Darf jeder machen, wie er will.
Bräunungsstreifen? Ich akzeptiere sie und hege sie mit Stolz.
Radfahrer-Gruß? Ich grüße immer und finde, es gehört dazu.
Social Media? Ich habe sowieso immer Fotos gemacht und mir macht es Spaß, sie auf Insta zu teilen.
Staubkappe am Ventil? Meistens drauf. Wurde mir aber schon abgeschraubt.
Pumpe am Rahmen? Nein, in der Trikottasche.
Scheibenbremsen? Ja, an allen vier Rädern.
Cool auf dem Rad: Aero-Rad und Aero-Trikot, super simpel in Schwarz – schaut sportlich aus.
Uncool auf dem Rad: Bei anderen stört mich nichts. Leben und leben lassen!
Gravelbike? Ja! Da kann ich auch mal abseits vom Verkehr auf anderen Strecken fahren, und es ist gut im Winter.
E-Rennrad? Wer’s will, darf es haben.
Rennrad-Styleguide: Zibi Otrebska
37 Jahre, Fahrzeug-Designer, Rennradln München
Foto: Christian Kaufmann
Zibi Otrebska
“Ich fahre seit fünf Jahren Rennrad – nach 20 Jahren Mountainbike. Inzwischen komme ich auf 6000 Rennradkilometer im Jahr. Es gibt ein großes Angebot an Rennradkleidung, aber ich habe viele Ideen, die ich auf dem Markt nicht finde. Deshalb habe ich mit meiner Frau ein kleines Label für Rennradbekleidung (’Zwei Birnen’) gegründet. Das neue Trikot des Netzwerks ‘Rennradln München’ haben wir auch entworfen.”
So müssen meine Socken aussehen: Lange Aero-Socken.
So muss mein Trikot aussehen: Elegantes Design, perfekte Passform, keine Falten. Aero-Material, guter Tragekomfort.
Ärmelloses Trikot? Geht gar nicht.
Handschuhe? Meistens ohne.
Rasierte Beine? Obligatorisch. Das bringt 17 Watt!
Bräunungsstreifen? Je deutlicher, desto besser.
Radfahrer-Gruß? Obligatorisch.
Social Media? Strava ist “must have”.
Staubkappe am Ventil? Unnötiges Gewicht.
Pumpe am Rahmen? Passt nicht zum Aero-Renner.
Scheibenbremsen? Ja. Ich komme aus der MTB-Welt und mag die Bremsen, vermisse aber meine Magura am Rennrad.
Cool auf dem Rad: Unsere Rennradln-München-Szene ist echt eine besondere Community.
Uncool auf dem Rad: Sehe oft Leute, deren Rad nicht gewartet ist; besonders gefährlich bei Anfängern, wenn die Bremsen nicht funktionieren.
Gravelbike? Leichtes XC-29er-MTB finde ich viel praktischer.
E-Rennrad? Wenn es kein Rennbetrug ist, gerne. Es gibt Situationen, in denen es hilfreich ist: bei Gesundheitsproblemen oder mit einem Kind im Anhänger.
Rennrad-Styleguide: Martin Janousek
45 Jahre, Portfolio-Manager, Altherrenradtreff München (AHRT)
Foto: Christian Kaufmann
Martin Janousek
“Ich fahre seit 30 Jahren Rennrad – so 8000 Kilometer im Jahr. Beim AHRT bin ich seit rund zehn Jahren. Wir wollen kein Verein mit festen Strukturen sein, sondern Spaß mit Freunden haben. Unser Motto: ‘Kilometer haben alle, Druck die wenigsten und Style nur die Altherren’.”
So müssen meine Socken aussehen: Weiß, mit bissl Ornament und gerade noch UCI-konform.
So muss mein Trikot aussehen: Siehe AHRT-Trikot. Auf keinen Fall ein Profi-Trikot.
Ärmelloses Trikot? No-Go. Das darf nur Mario Cipollini tragen.
Handschuhe? Wenn man zum Stürzen neigt.
Rasierte Beine? Ein Muss und zwar nicht nur bis zum Hosenrand.
Bräunungsstreifen? Lassen sich kaum vermeiden.
Radfahrer-Gruß? Hängt vom Style ab.
Social Media? Überlassen wir den Profis.
Staubkappe am Ventil? Eventuell am Klapprad. Mit Chrom.
Pumpe am Rahmen? Lange Version, aber nur bei der L’Eroica am Retro-Renner.
Scheibenbremsen? Beim Downhill-MTB hilfreich.
Cool auf dem Rad AHRT! Abgestimmte Optik, Rad und Fahrer passen.
Uncool auf dem Rad: Wir sind “open minded”.
Gravelbike? Hieß das früher nicht Cross?
E-Rennrad? Verstehe die Frage nicht. E was? Ernesto Colnago?
Rennrad-Styleguide: Johnny Pölt
30 Jahre, Zweirad-Schrauber, Bici Bavarese
Foto: Christian Kaufmann
Johnny Pölt
“Rennrad fahre ich seit zehn Jahren, 3000 bis 6000 Kilometer pro Jahr. Ich arbeite bei einem Laden, der mit Vintage-Rädern begonnen hat. Deshalb gefallen mir alte Räder. Ich habe aber auch einen Carbonrenner.”
So müssen meine Socken aussehen: Sollten zum Outfit passen. No-Go: Sneaker-Socken oder Kompressionsstulpen.
So muss mein Trikot aussehen: Alles ist erlaubt, was einem gefällt.
Ärmelloses Trikot? Nein. Weckt Assoziation zu Schulsport und Unterhemden.
Handschuhe? Meist überflüssig.
Rasierte Beine? Die Argumente einer Rasur leuchten kaum einem Freizeitsportler ein. Haarlose Beine bringen aber ein paar Style-Watt!
Bräunungsstreifen? Ja. Machen neidisch!
Radfahrer-Gruß? Es reicht ein kurzes Nicken oder ein kleiner Fingerzeig. Nur Fahrer ohne Helm muss man nicht grüßen.
Social Media? Wenn dich deine Ausfahrt oder dein Rad begeistern, lass es deine Mitmenschen wissen!
Staubkappe am Ventil? Braucht’s nicht.
Pumpe am Rahmen? Lieber in der Trikottasche, da klappert es weniger.
Scheibenbremsen? Die bessere Technologie. Felgenbremsen sind aber nach wie vor super am Renner.
Cool auf dem Rad: Gute Sitzposition, entspannter Gesichtsausdruck. Lächeln willkommen.
Uncool auf dem Rad: Trainingsverbissenheit.
Gravelbike? Klar! Wald- und Schotterwege ohne Autos machen großen Spaß.