Teuer treten: Die Top-Modelle in diesem Test kosten bis zu 460 Euro und vermitteln dafür jede Menge Profi-Flair: Sie sind federleicht, haben brettharte Sohlen für beste Kraftübertragung und verfügen über komfortable Drehverschlüsse.
Die leichtesten von Giro, Specialized und DMT wiegen nicht mal 500 Gramm pro Paar. Unterschiede liegen im Detail, in den sehr unterschiedlichen Passformen und Größen. Der sehr günstige Schuh von Van Rysel, den Decathlon als Top-Modell führt, ist in diesem Umfeld nicht konkurrenzfähig.
Auf den ersten Blick haben Stiletto-Pumps von Manolo Blahnik mit Top-Rennradschuhen außer dem exklusiven Preis wenig gemeinsam; wobei Blahniks für 460 Euro – der Preis des teuersten Schuhs im Test – nur im Ausverkauf zu bekommen sind. Auf den zweiten Blick kann man als Gemeinsamkeit feststellen, dass hohe und höchste Preise keine Gewähr für bequeme Schuhe sind.
Style ist aber auch bei Rennradschuhen kaum weniger wichtig als bei Mode-Tretern, abzulesen daran, dass viele Hersteller ihre Modelle in Weiß fertigen bzw. unter ihren farbigen Varianten bevorzugt weiße Exemplare für unseren Test ausgewählt haben – eine schicke, aber auch empfindliche Farbe, die nach dem einen oder anderen Regenmarathon auch ins Schmuddelgrau changieren kann.
Einen Kontrapunkt haben wir mit der Wahl des Van Rysel R520 für diesen Test gesetzt; den deklariert Sportartikel-Discounter Decathlon als das derzeit verfügbare Top-Modell, will aber nur vergleichsweise bescheidene 90 Euro dafür haben. Interessant wird sein, ob der Schuh in dieser Konkurrenz bestehen kann.
Mindestens ein Merkmal teilt der Discounter-Schuh schon mal mit den meisten Mitbewerbern im Test: Sie alle verwenden keine speziellen Leisten für Männer und Frauen, sondern eine Unisex-Form, die möglichst vielen Füßen passen soll. Shimano und Specialized bieten jeweils zwei unterschiedlich breite Leisten an. Auf diese Weise steigt die Wahrscheinlichkeit für Menschen mit schmalen wie mit breiten Füßen, einen passenden Schuh zu finden.
Ich möchte meine Schuhe unterwegs anpassen können - das funktioniert mit Boas Top-Verschlüssen super. (Julian Schultz, Testredakteur)
Der passende Leisten ist die eine wichtige Voraussetzung, um auch nach Stunden im Sattel noch schmerzfrei zutreten zu können; eine andere ist die Qualität der Schnürung, mit der man den Schuh an den Fuß fesselt. Schaut man sich das Testfeld an, stellt man fest: In dieser Preisklasse ist der Drehverschluss – bzw. sind zwei davon – Standard. Er stammt, außer bei Sidi und Van Rysel, von Marktführer Boa, der damit viele Arten von (Sport-)Schuhen ausrüstet, inzwischen sogar Skistiefel.
Grundprinzip ist eine Spule, die ein dünnes, extrem reißfestes Seil aufwickelt; die Modelle IP1 und Li2 können das in beide Richtungen, um den Schuh in feinsten Abstufungen zu schnüren. Besonders komfortabel ist, dass das auch im Sattel sitzend und mit einer Hand geht.
Der Atop-Verschluss am Van Rysel beherrscht die feine Rastung nur beim Engerschnüren; zum Lockern gibt der Verschluss das Seil ganz frei, und man muss sich aufs Neue an die gewünschte Spannung herandrehen. Sidi übertreibt es mit italienischer Verspieltheit: Zum Engerstellen muss ein Klapphebel am Drehverschluss aufgerichtet werden – was mit etwas Übung einhändig geht; zum Lösen muss man aber eine Taste auf der Zunge drücken – und dafür brauchen motorisch normal veranlagte Menschen zwei Hände. Also muss man anhalten.
Eine weitere Qualität der teuren Schuhe ist ihr geringes Gewicht. Ein paar Lagen Carbon ergeben dünne, leichte und trotzdem biegesteife Sohlen, damit man möglichst wenig Tretkraft in deren Verformung steckt. Hierbei sind günstigere Schuhe mit Nylonsohlen (trotz Glasfaserverstärkung) funktional im Nachteil. Beim Obermaterial finden sich meist drei Varianten: zum Ersten „klassisches“ Kunstleder, relativ fest und fein perforiert.
Ich achte auf eine feste Unterstützung vom Fußgewölbe wie beim Shimano- oder dem Scott-Schuh. (Matthias Borchers, Testredakteur)
Zum Zweiten – etwa bei Giro – ein sehr dünner, reißfester Mesh-Kunstfaser-Mix, der – ohne Luftlöcher – Schweiß in Form von Wasserdampf nach außen transportieren soll; und zum Dritten offenporiges Strickmaterial, das sich, zum Beispiel beim DMT, wie eine feste Socke um den Fuß schmiegen soll.
Im Ergebnis bringt der Giro in Größe 44 lediglich 445 Gramm auf die Waage. Das ist bei dieser Größe ein Spitzenwert. Am Fuß fühlt sich das wirklich erstaunlich leicht an, verglichen mit den relativ schweren Schuhen von Sidi oder Van Rysel.
Bei aller technischen Finesse bleibt indes festzuhalten: Schuhe, und Radschuhe besonders, sind ein extrem individuelles Kleidungsstück. Zwei Testpersonen, zwei Meinungen, vier Testpersonen, vier Meinungen bzw. Urteile. Und Lob gibt es selten für Chichi oder exklusive Details, sondern für solide Basics: wenn der Schuh guten Halt bietet, besonders an der Ferse, und keinen Schlupf zulässt. Selbstverständlich darf er an keiner Stelle drücken, beispielsweise auf dem empfindlichen Spann; bei DMT und Sidi verlaufen und liegen die Zugseile bzw. Drehverschlüsse so, dass sich das nicht gänzlich ausschließen lässt.
Bei den Frauenmodelle hat mich der Bontrager wegen seines guten Halts und der geräumigen Zehenbox am meisten überzeugt (Birgit Waxenberger, Testfahrerin)
Einhelliges Lob in puncto Passform erntet der Specialized-Schuh, vor allem wegen seiner geräumigen Zehenbox, in der es dem Fuß auch nach Stunden kaum zu eng werden kann. Ein geteiltes Echo erfährt das neueste Top-Modell von Fizik, dessen breiter, an der Sohle angesetzter Riemen das Fußgewölbe stützen soll. Eine Testerin begrüßte den Effekt, eine kritisierte ihn. Also gilt auch für die teuersten Schuhe: Sie müssen halt gut passen. Okay, und gut aussehen.
Bei den Einladungen zu unserem Test fiel auf: Immer weniger Hersteller bieten unterschiedliche Schuhe für Frauen und Männer an. Eine ähnliche Entwicklung war zuvor bereits bei den Radherstellern zu beobachten. Noch vor fünf bis zehn Jahren hatten fast alle Rennradanbieter spezielle Frauenmodelle im Sortiment. Bei vielen beschränkte sich das Thema jedoch auf Farben und Dekore und kleine Rahmengrößen unter 50; andere versuchten, dem Thema mit frauenspezifischen Rahmengeometrien etwas mehr Inhalt zu verleihen.
Inzwischen findet man “Frauen”-Renner lediglich noch vereinzelt, wie beispielsweise bei der Frauen-Marke Liv unter dem Dach der Radmarke Giant oder als “Contessa”-Linie bei Hersteller Scott. Deren Rahmengeometrien unterscheiden sich jedoch nicht oder nur noch unwesentlich von denen der “Männer”-Rennräder, mit der Ausnahme, dass es kleinere Rahmengrößen gibt, auf denen auch kleine Männer wunderbar ihre Position finden würden.
Einen Unterschied bei der Passform zwischen Unisex- und Frauenmodellen konnte ich beim Anprobieren nicht feststellen. (Sandra Schuberth, Online-Redakteurin und Gravel-Expertin)
Wie unser Test von Top-Modellen von insgesamt zehn Schuhherstellern zeigt, gibt es in der obersten Preiskategorie nicht ein einziges, spezielles Frauenmodell. Bei den teuersten Schuhmodellen für Frauen (Sortiment “Frauen” im Webshop) fällt auf, dass diese deutlich günstiger sind und technisch nicht an das Niveau der teuersten Modelle heranreichen – mit Kompromissen bei den Materialien, der Sohlensteifigkeit, der Ergonomie der Innensohlen oder dem Handling. Stattdessen sortieren sich die absoluten Top-Modelle in die Kategorie “Unisex” ohne Unterscheidung zwischen Mann und Frau.
Idealerweise sollen diese Unisex-Modelle kleinen und großen, schmalen oder breiten Füßen passen. Das größte Spektrum an Größen, inklusive halber Größen, bietet Fizik von 36 bis 48. Weniger Größenauswahl gibt es bei Shimano oder Specialized, wobei diese mit unterschiedlich breiten Leisten punkten. Das sind die besten Voraussetzungen dafür, für jede(n) einen passenden im Sortiment zu haben.
Bewertet wurden Verschluss/Anpassung inklusive Fersenhalt und Zungenform, Ausstattung, Kraftübertragung sowie das Gewicht.
Für die Bewertung der Kraftübertragung haben wir die Sohlensteifigkeit mittels definierter Last (200 Newton) auf dem Prüfstand gemessen. Je härter die Sohle, desto effizienter die Kraftübertragung. Die Durchbiegung bei den meisten Schuhen im Test reichte von einem halben bis zu einem Millimeter, was als “sehr steif” bis “mittelsteif” gelten kann.
Bei der Ausstattung bewerten wir Details wie die Qualität der Innensohle, Sohlenbelüftung, Gehnoppen, Polsterung der Zunge sowie das Vorhandensein und die Platzierung von Reflexmaterial. Drehverschlüsse, die eine definierte Schnürung in beide Richtungen erlauben, bekommen Höchstpunktzahl in der Kategorie Verschluss/Anpassung.
Das Gewicht bewerten wir weniger hoch, da sich dies kaum auf die Treteffizienz auswirkt. Weniger als 500 Gramm pro Paar (Größe 44) gelten als sehr leicht, 600 Gramm dagegen bereits als schwer.
>> Gesamtnote (100 %) 1,7
Fazit: Der Oberschuh bietet guten Halt, kein Schlupf der Ferse; viel Platz für die Zehen
>> Gesamtnote (100 %) 1,9
Fazit: Der seitliche Riemenanschlag stützt das Fußgewölbe; Allroundpassform, normal große Zehenbox; die Carbonsohle ist mittelsteif
>> Gesamtnote (100 %) 2,2
Fazit: Männer mit normalen Füßen loben die tolle Passform; die Anpassung funktioniert sehr gut, beim Anziehen hilft der mitgelieferte Schuhlöffel; Zugseile können auf dem Spann drücken
>> Gesamtnote (100 %) 1,2
Fazit: Tolle Allroundpassform, sehr guter Halt, viel Platz für die Zehen; Leisten für breitere Füße wählbar
>> Gesamtnote (100 %) 1,6
Fazit: Fällt eher groß aus und passt kräftigen Füßen; schlanken Fersen droht dagegen Schlupf; der Oberschuh vermittelt guten Halt; relativ warm
>> Gesamtnote (100 %) 1,9
Fazit: Fällt eher schmal aus; das feste Obermaterial stützt den Fuß sehr gut; im Hochsommer evtl.etwas warm; sehr guter Halt, besonders an der Ferse
>> Gesamtnote (100 %) 1,7
Fazit: Bei schlanken Füßen schlägt das sehr dünne und luftige Material Falten; ideal im Hochsommer
>> Gesamtnote (100 %) 1,1
Fazit: Testsieger nach Punkten; vermittelt insgesamt sehr guten Halt; Sohle mit der besten Kraftübertragung
>> Gesamtnote (100 %) 2,2
Fazit: Fällt sehr klein und schlank aus; ein bis zwei Nummern größer kaufen; steifes Material, stabile Passform, eher warm; komplizierte Drehverschlüsse
>> Gesamtnote (100 %) 2,8
Fazit: Preisschlager, aber dem Anspruch an ein Top-Modell nicht gewachsen; kein fester Halt, zu breite und schwammige Ferse, Sohle wenig biegesteif
>> Gesamtnote (100 %) 1,5
Fazit: Der Leisten fällt normal aus, das feste Material bietet guten Halt, kein Schlupf; geräumige Zehenbox, griffiger Boa-Verschluss
>> Gesamtnote (100 %) 2,6
Fazit: Den Halt im Schuh beschreiben beide Testerinnen als sehr gut; komfortable Anpassung; fällt etwas klein aus, der Zehenraum ist eher für schmale Füße geeignet
>> Gesamtnote (100 %) 2,5
Fazit: Fällt normal aus, bei schlanken Fersen etwas Schlupf; der Zehenraum ist schmal bis normal; warmes und festes Obermaterial; beim Lösen nicht justierbar
>> Gesamtnote (100 %) 2,4
Fazit: Fällt normal bis groß aus und lässt Luft für einen hohen Spann; eher fester Oberschuh; die Drehverschlüsse lassen sich lediglich beim Festzurren justieren
>> Gesamtnote (100 %) 2,2
Fazit: Fällt extrem klein aus und sollte ein bis zwei Nummern größer gekauft werden; festes Material; vermittelt perfekten Halt, wenn er passt; komplizierte Drehverschlüsse