Angelika Rauw
· 09.04.2023
Der beliebteste Ausgleichssport ist nicht unbedingt Krafttraining für Radsportler. Dabei ist “Eisen-Stemmen” der effizienteste Weg, muskulär fit und stabil zu bleiben – und die Leistung auf dem Rad zu steigern. Schon mit zweimal 30 Minuten pro Woche lässt sich viel erreichen. Wir zeigen die besten Übungen für Radsportler.
“Um mehr Muskeln zu bekommen, muss ich nur mehr Rad fahren: bergauf, im Wiegetritt, im Gelände – das ist das beste Ganzkörpertraining”, sagte kürzlich ein Redakteurs-Kollege. So wie er denken viele. Denn wer den Radsport liebt, ist gepolt auf Geschwindigkeit, Frischluft, Dynamik, Wettbewerb und – okay – Schmerzen, die aber mit einem Glücksrausch im Ziel belohnt werden.
“Dabei hat Krafttraining nur positive Effekte für Rennradfahrer”, sagt Andreas Wagner, der zusammen mit Sebastian Mühlenhoff das Trainingsinstitut iQ athletik in Frankfurt betreibt. Die beiden Sportwissenschaftler verbinden die Kompetenzen aus zwei Sportwelten: Wagner kommt ursprünglich aus dem Kraftsport, Mühlenhoff aus dem Radsport. In ihrem Institut betreuen sie Radsportler und Triathletinnen aller Leistungs- und Altersklassen. “Gerade Rennradfahrer haben in puncto Mobilität und Stabilität oft extreme Defizite”, berichtet Mühlenhoff von seiner Erfahrung als Coach.
Auch die Rumpfkraft sei häufig schlecht, der typische Rundrücken weit verbreitet. All dem wirke Krafttraining entgegen. “Es stärkt den Stützund Bewegungsapparat, was wiederum das Risiko für Verletzungen und Verschleiß reduziert. Außerdem arbeiten die Muskeln effizienter – das spart Energie.” Zwar steigere Krafttraining besonders die Leistung in Sprints und schnellen Antritten, unterstütze aber auch die Ausdauerleistung.
Dass Krafttraining die Radleistung verbessert, haben norwegische Forscher zuletzt 2021 noch einmal nachgewiesen – und dass Männer und Frauen ähnlich stark davon profitieren. “Frauen sollten nur besonders darauf achten, mit ausreichend hohen Gewichten zu trainieren, weil sie langsamer Muskeln aufbauen”, weiß Andreas Wagner aus seiner Trainingspraxis.
Doch was ist Krafttraining nun genau? Täglich ein paar Liegestützen, Kniebeugen und Sit-ups? “Krafttraining braucht Widerstand”, sagt Wagner. Und der müsse hoch genug sein – weshalb einfache Liegestützen und Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht zwar besser als nichts seien, die Muskulatur aber nicht intensiv genug ansprächen, um Muskeln aufzubauen, gerade bei Geübten. Daher brauche es Zusatzgewichte wie etwa die Langhantel.
Studien haben gezeigt, dass Ausdauersportler besonders dann von Krafttraining profitieren, wenn sie dabei mit Lasten arbeiten, die mehr als 70 Prozent Krafteinsatz ihres Maximalkraftniveaus beanspruchen. Maximalkraft ist die größtmögliche Kraft, die das Nerv-Muskel-System gegen einen Widerstand aufbringen kann. Um beim Beispiel der Kniebeuge zu bleiben: Ist das Gewicht der Langhantel so hoch, dass man die Kniebeuge genau einmal schafft – dann ist man bei seiner individuellen Maximalkraft.
Wenn man also mit 70 Prozent der eigenen Maximalkraft trainieren soll, kommt man um Zusatzgewichte nicht herum. Mühlenhoff und Wagner haben besonders gute Erfahrungen mit der Langhantel gemacht. “Sie ist ein effektives wie zeiteffizientes Trainingsmittel beim Krafttraining”, sagt Wagner. Komplexe Langhantel-Übungen wie Kniebeuge oder Kreuzheben aktivieren einen Großteil der Körpermuskulatur und schulen Koordination, Gleichgewicht sowie eine korrekte Körperhaltung. Die Scheibengewichte sind variierbar, und wer schon länger damit übt, kann mit der Langhantel sogar zu Hause trainieren. Anfänger und weniger Geübte können die Übungen aber auch zunächst mit Kurzhanteln ausführen.
Die beiden Sportwissenschaftler haben übrigens beobachtet, dass jüngere Rennradfahrer und -fahrerinnen dem Thema Krafttraining viel aufgeschlossener gegenüberstehen als ältere. Schließlich liegt Gewichte-Stemmen schon einige Jahre im Trend. Zudem hat sich das Radtraining selbst immer weiter professionalisiert: Man nutzt nicht nur wissenschaftliche Auswertungen und Datenanalysen, sondern auch die Vorteile verschiedener Ausgleichssportarten, um die Leistung auf dem Rad zu steigern. Radprofis trainieren längst nicht mehr nur auf dem Rad, um in Rennen zu performen. Der norwegische Top-Sprinter Alexander Kristoff zum Beispiel beginnt seine Trainingstage in der Regel mit eineinhalb Stunden Gewichtheben.
Doch auch Hobbysportlern nutzt Krafttraining besonders, weil es muskulären Dysbalancen und Defiziten entgegenwirkt. “Gerade Ältere profitieren sehr”, sagt Wagner. Schon Anfang Dreißig beginnen sich die Muskeln zurückzubilden – wenn man nichts dagegen unternimmt. Die gute Nachricht: “Selbst über 90-Jährige können mit Krafttraining noch Muskelmasse aufbauen”, so Wagner. Worauf ältere Radsportler jedoch besonders achten müssen, sind längere Regenerationszeiten, da ihre Zellen länger brauchen, um sich zu erholen.
Die Angst mancher Radsportler und Radsportlerinnen, durch Krafttraining zu viele Muskeln aufzubauen und dann zu viel “Masse” an Anstiegen hochschleppen zu müssen, hält Mühlenhoff übrigens für unbegründet. “Allein das viele Ausdauertraining steht einem starken Muskelwachstum entgegen.”
Dennoch gibt es Grenzen. Inwieweit Sportler die Doppelbelastung aus Kraft- und Ausdauertraining vertragen, ist sehr individuell. Überprüfen lässt sich das über Watt- oder Pulswerte oder begleitende professionelle Diagnosen. Das Wichtigste sei aber das eigene Körpergefühl, sagt Sebastian Mühlenhoff. “Wenn sich Grundlageneinheiten auf einmal anders anfühlen, oder man immer wieder merkt, dass einem der Saft fehlt”, dann könne es ein Indiz dafür sein, dass man beim Krafttraining Abstriche machen sollte. “Krafttraining ist muskulär und energetisch anspruchsvoll”, sagt der Experte. Daher müsse es auf das Radtraining abgestimmt sein. “Das Ausdauertraining bestimmt das Krafttraining.”
Sebastian Mühlenhoff und Andreas Wagner haben für TOUR die effizientesten Übungen für Radsportler zusammengestellt. Anfänger sollten die Bewegungsabläufe zunächst immer ohne Gewichte einüben. Wer die Technik beherrscht, kann mit leichteren Kurzhanteln üben. Das geht auch zu Hause. Wenn die Gewichte nicht mehr ausreichen, sollte man zur Langhantel wechseln – und sich anfangs von Trainern anweisen lassen. Fortgeschrittene können sich später das Equipment auch für zu Hause anschaffen. Schon zwei Übungseinheiten pro Woche à 30 Minuten können ausreichen, um einen deutlichen Trainingseffekt zu erzielen.
Bevor man sich an die Übungen macht, gibt es einiges zu beachten
Anfänger sollten sich erst im Fitnessstudio, Trainingsinstitut oder Sportverein von Trainern anleiten lassen. Wer die Übungen zu Hause selbst probiert, sollte erst ohne Gewichte oder mit leichten Kurzhanteln üben. (siehe “Das richtige Gewicht”). Mit einem Besenstiel kann die Technik fürs Langhanteltraining geschult werden. Bereits Geübte, die zu Hause trainieren wollen, brauchen:
Winter ist die optimale Krafttrainingszeit für Radsportler – empfehlenswert sind 2–3 Einheiten pro Woche. Während der Saison lässt sich schon viel mit einer Einheit pro Woche erreichen. Ideal ist, jeden Muskel zweimal pro Woche zu trainieren. Hobbyradler, die nicht systematisch trainieren, können nach ihren Wochenend-Ausfahrten montags eine Krafttrainings-Einheit absolvieren.
In Sachen Krafttraining völlig Unerfahrene sollten sich zuerst von Trainern anleiten lassen, um Verletzungen zu vermeiden. Bevor man mit schweren Gewichten trainiert, muss man die richtige Übungstechnik lernen: Die Bewegungsabläufe lassen sich erst mit leichten Kurzhanteln oder nur mit der Langhantelstange ohne Gewichte (15–20 Wiederholungen) üben.
Wer die Übungstechnik beherrscht, kann die Gewichte erhöhen. Man sollte ein Gewicht wählen, mit dem maximal 8–12 Wiederholungen einer Übung möglich sind. Sind mehr möglich, ist das Gewicht zu leicht, schafft man weniger als 8, ist es zu schwer.
Genau den Anweisungen folgen; Übungen immer langsam und kontrolliert ausführen. Alleine Übende können ihre Bewegungsabläufe anfangs im Spiegel kontrollieren. Anfänger machen je Übung 1–2 Sätze mit einem Gewicht, das 10 maximale Wiederholungen ermöglicht. Fortgeschrittene machen 3 und mehr Sätze mit je 8–12 maximalen Wiederholungen. Zwischen den Sätzen 2–3 Minuten Pause einlegen.
Man sollte sich weder über- noch unterschätzen bei den Zusatzgewichten. Wichtig ist, die Übungslasten seinem Trainingsfortschritt und der Tagesform anzupassen. Eine Trainingseinheit dauert etwa 30–60 Minuten (inklusive Warm-up und Pausen).
Jede Übung ist immer mit 3-4 Aufwärmsätzen mit leichten Gewichten zu beginnen, den Fokus dabei auf den Bewegungsablauf legen. Dann erst mit den eigentlichen Trainingsgewichten üben. Komplexe und koordinativ anspruchsvollere Übungen wie Kniebeuge oder Kreuzheben, bei denen man sich mehr konzentrieren muss, zum Beginn des Trainings ausführen.
>> trainiert Mobilität, Koordination und fördert die Körperstabilität
Diese Übung (mit Besenstiel oder Langhantelstange) ist zu Beginn jeder Trainingseinheit zum Aufwärmen sinnvoll. Sie dient weniger dem Aufbau von Kraft, sondern ist eine wirksame Übung, um die Kniebeuge technisch sauber zu erlernen. Sie dient der Rumpfstabilisierung und fördert die Mobilität aller relevanten Hauptgelenke: Sprung-, Hüft- und Schultergelenk.
Besenstiel/Stange mit weitem Griff fassen (deutlich über Schulterbreite) und mit gestreckten Armen über/ hinter dem Kopf halten. Schulterbreit stehen, Fußspitzen leicht nach außen. Aus dieser Position Knie beugen und kontrolliert in die Hocke gehen. Heben die Fersen ab, Keilbrett o.ä. unter die Fersen. Oberkörper bleibt aufrecht, die Arme bleiben gestreckt, Füße vollständig am Boden. Wieder aufrichten.
>> trainiert Trizeps, Brust, vordere Schulter; fördert die Rumpfstabilität
> Hanteln parallel zueinander etwa auf Schulterhöhe auf dem Boden platzieren. Körper in Liegestütz-Position bringen: Hände zeigen zueinander, umschließen fest den Hantelgriff, Arme sind ausgestreckt. Hände und Zehenspitzen halten das Körpergewicht. Kopf, Oberkörper und Beine sollen eine gerade Linie bilden.
> Durch das Beugen der Ellenbogen Körper in Richtung Boden bewegen (dabei einatmen), bis die Oberarme mindestens parallel zum Boden sind. Beim Hochdrücken ausatmen.
Der ganze Körper bleibt während der gesamten Übung unter Spannung!
>> Sich auf den Griffen der Kurzhanteln abzustützen, entlastet die Handgelenke und ermöglicht einen größeren Radius bei der Bewegungsausführung. Einsteiger können die Liegestützen mit aufgestellten Knien üben.
>> zentrale Übung für Radsportler: trainiert Oberschenkel und Gesäß; zahlreiche Muskeln müssen stabilisierende Arbeit leisten, besonders die des Rumpfes
> Langhantel mit aufrechtem Oberkörper und überschulterbreitem, symmetrischem Griff aus dem Ständer nehmen und auf Nacken, oberen Trapezmuskel und Schultern ablegen. Aufrecht und schulterbreit stehen, Fußspitzen leicht nach außen, Kopf gerade, Blick nach vorn/leicht oben, Brust anheben. Schultern nach hinten ziehen (Stange darf nicht auf Halswirbel drücken!).
> Einatmen, dann langsam in die Hocke gehen, dabei gleichmäßig die ganzen Füße belasten. Wenn möglich, Knie so weit beugen, bis die Hüften tiefer sind als die Knie. Je tiefer man kommt, desto effektiver werden die unteren Extremitäten trainiert. ABER: Nur so tief gehen, wie man die Übung korrekt ausführen kann (Fersen am Boden bzw. Keil unterlegen, wenn sie abheben; kein Rundrücken!).
> Dann ohne Pause, Blick leicht nach oben, aus der Hocke langsam und gleichmäßig wieder aufrichten – dabei Rumpf bewusst anspannen, Hüfte nach vorne schieben und ausatmen. Knie am Ende nicht ganz durchdrücken.
Die Ausführung mit Kurzhanteln übt weniger Druck auf die Wirbelsäule aus, das kann bei bestimmten Rückenbeschwerden von Vorteil sein
>> Auf gleichmäßige, fließende Bewegung achten. Während der Übung bewegen sich die Knie in einer gedachten Geraden über die Zehen.
>> trainiert Rücken, hintere Schulter, Arme, Trapezmuskel; fordert die Rückenstrecker und wirkt Radler-Rundrücken entgegen
> Schulterbreit stehen, Fußspitzen leicht nach außen, Füße gleichmäßig belasten, Knie leicht gebeugt.
> Kurzhanteln oder Langhantel vom Boden aufheben – die Hände fassen die Hantel(n) etwas breiter als Schulterbreite im Obergriff (Handflächen zeigen zum Körper).
> Rumpf nach vorne beugen (mindestens 45 Grad), Po nach hinten strecken (natürliche Wirbelsäulenkrümmung – leichtes Hohlkreuz – aufrechterhalten), Kopf leicht in den Nacken, Blick nach vorn, Brust anheben. Arme hängen mit der Langhantel/ den Kurzhanteln senkrecht nach unten.
> Dann Hantel(n) langsam zum oberen Bauch hochziehen, Schulterblätter dabei zusammenziehen, Ellenbogen nach hinten/oben. Der Rumpf bleibt unverändert.
> Sobald die Hanteln den Bauch erreichen, werden sie kontrolliert wieder nach unten geführt. Dabei einatmen, beim Anziehen der Arme ausatmen.
>> In der Ausgangsstellung sollte die Hantel mindestens unter Kniehöhe sein. Der Rumpf wird während der ganzen Übung ruhig gehalten. Man arbeitet vor allem mit den Rückenmuskeln, möglichst wenig mit den Armen. Je mehr man den Oberkörper nach vorne beugt, desto mehr Haltearbeit müssen die Rückenstrecker leisten.
> trainiert Gesäß-, Bein- und Rückenmuskeln (besonders den Rückenstrecker) und fördert die Rumpfstabilität.
> Die Langhantel liegt auf dem Boden, Füße befinden sich unter der Hantelstange. Hüft- bis schulterbreit stehen, Zehenspitzen leicht nach außen, Füße ganz belasten.
> In die Hocke gehen (Knie etwas ober- oder unterhalb der Hüfte, je nach Konstitution), Knie zeigen Richtung Fußspitzen. Oberkörper vorgeneigt, Brust und Kopf angehoben, Blick nach vorn, Brust anheben, Rücken in der natürlichen S-Form der Wirbelsäule (leichtes Hohlkreuz). Hände fassen die Hantelgriffe etwas über schulterbreit, Arme gestreckt.
> Nun Knie und Hüften strecken und Hantel dabei mit nach oben ziehen – sie bleibt eng am Körper. Schultern während der Bewegung aktiv nach hinten drücken, Becken nach vorne kippen, um nicht ins Hohlkreuz zu fallen. Endposition kurz halten.
> Dann Bewegung umgekehrt ausführen und Hantel wieder zum Boden bringen. Beim Anheben ausatmen, beim Absenken einatmen.
Die Ausführung mit Kurzhanteln gleicht dem Bewegungsablauf mit der Langhantel
>> Arme bleiben die ganze Zeit gestreckt. Rundrücken und Hohlkreuz vermeiden!