Unbekannt
· 30.06.2009
Ohne es zu wissen, beherbergt mancher Radsportler unsichtbare Gäste in seinem Equipment. Bakterien und Pilze gedeihen im radsportlichen Kleinklima wunderbar – mit nicht immer angenehmen Folgen, von denen üble Gerüche noch die harmlosesten sind. TOUR gibt Tipps, wie Sie Schimmelpilz und Co. erfolgreich den Kampf ansagen.
HELM
Das sind die Probleme
Vor allem bei Radfahrern, die viel schwitzen, kann die Polsterung des Helms zum Bakterien-Pool werden. Oft wird die Pflege und Reinigung der Kopfbedeckung gar nicht beachtet. Landet der Helm nach schweißtreibenden Etappen einfach in der Ecke oder in einem schlecht belüfteten Schrank, haben die textilen Bestandteile oft keine Chance, vollständig zu trocknen.
Das sind die Folgen
Auch wenn die Pubertät schon einige Jahre zurückliegt, sieht die Stirn womöglich plötzlich wieder aus wie bei einem pickeligen Teenager. Auch der Odeur geht eher Richtung Muff und Mief als in Richtung Davidoff.
Das kann man dagegen tun
Bei den meisten Helmen sind die Polster herausnehmbar. Ab und zu mit Seife oder Waschpulver auswaschen, danach gut trocknen. Helm generell trocken halten. Ist viel Schweiß hineingelaufen, unter Umständen auch mit dem Föhn auf lauwarmer oder kühler Stufe (nicht zu heiß!) föhnen. Wer stark schwitzt, sollte gelegentlich den ganzen Helm abduschen und wiederum gut trocknen. In hartnäckigen Fällen die Innenseite mit Desinfektionsspray behandeln. Im Gesicht, eventuell nach Rücksprache mit dem Hautarzt oder einer Kosmetikerin, Cremes und Reinigungssyndets mit antimikrobiellen Wirkstoffen verwenden (“Pickelcreme”). Stirnbänder oder Schlauchtücher können helfen, den Schweiß aufzusaugen.
TRINKFLASCHE
Das sind die Probleme
Bei jedem Schluck kommt der Verschluss der Trinkflasche mit unzähligen Bakterien und womöglich Viren und Pilzen in Berührung – auch beim gesunden Menschen. Der typische Inhalt der Flasche lässt für die Vermehrung der Mikroorganismen kaum zu wünschen übrig: Zucker und Kohlenhydrate satt, Mineralien und Spurenelemente sowie Proteine machen den Nährcocktail perfekt. In Apfelschorle sind von Natur aus meist bereits Starterkulturen enthalten, die zur Vergärung des Saftes führen. Vor allem, wenn die Flasche verschlossen ist und bei warmen Außentemperaturen können sich Bakterien und Pilze sprunghaft vermehren. Verschluss und Ventil vieler Flaschen sind schwer zu reinigen und werden beim flüchtigen Abspülen nicht erreicht. So entstehen verborgene Brutstätten für mikroskopische Lebewesen, unter denen sogar Algen sein können. Falls man auf der Radtour einen durstigen Mitfahrer aus der Flasche trinken lässt, ist das zwar eine nette Geste, doch dabei gelangt auch dessen fremde Mundflora an den Trinkstutzen.
Das sind die Folgen
Besonders an den schwer zugänglichen Stellen, bei unzureichender Pflege, aber auch in der restlichen Flasche, können sich Keime anreichern. Falls sich darunter Krankheitserreger befinden, zum Beispiel weil man mit Schnupfen aus der Flasche getrunken hat, kann man sich daran im Extremfall immer wieder anstecken. Auch mit Schimmelpilzen ist nicht zu spaßen: Einige scheiden gesundheitsschädliche Giftstoffe aus, sogenannte Mykotoxine.
Das kann man dagegen tun
Flasche nach jedem Gebrauch sofort mit heißem Wasser säubern, auch innen abtrocknen und mit offenem Deckel aufbewahren. Nie verschlossen am Rad lassen! Falls möglich, Deckel abschrauben, extra reinigen und lagern. War die Flasche mit anderen Flüssigkeiten als reinem Wasser gefüllt, sollte sie zusätzlich mit Spülmittel gereinigt werden. Eine Flaschenbürste ist hilfreich, um feste Rückstände, etwa nicht aufgelöstes Getränkepulver, zu entfernen. Denken Sie schon beim Kauf der Flasche an die Reinigung: Flaschen mit weiter Öffnung lassen sich besser saubermachen. Gut ist auch, wenn man Deckel und Ventil separat abnehmen kann. Spezielle Modelle halten auch heiße Temperaturen bis 65 Grad in der Spülmaschine aus (andere Flaschen können sich dabei verziehen), haben eine glattere, bakterienabweisende Oberfläche und sind komplett zerlegbar, zum Beispiel die “Higene” von Elite oder die “Isifeel” (Bezug/Info: www.isifeel.de). Haben sich bereits sichtbarer Schimmel oder Stockflecken in der Flasche gebildet, sollte sie vorsichtshalber direkt in den Müll. Tipp: Hin und wieder eine Zahnprothesen-Reinigungstablette in der Flasche auflösen, die leicht desinfizierend wirkt. Möglichst nur selbst aus der eigenen Flasche trinken.
SCHUHE
Das sind die Probleme
Nicht nur Radsportler haben oft Fußpilze (auf englisch heißt “Fußpilz” sogar “Athlete’s Foot”). Hierfür sind ähnlich wie beim Sitzpolster ein feuchtes Milieu in den Schuhen und niedrige Waschtemperaturen der Socken verantwortlich. Dazu kommt oft der Aufenthalt in Fitness-Studios, Hallenbädern, Saunen, Sporthallen oder anderen Barfuß-Bereichen, wo sich die Pilze über heruntergefallene Hautschüppchen infizierter Personen epidemieartig übertragen.
Das sind die Folgen
Besonders in den Zehenzwischenräumen und an den Fußsohlen macht sich der Pilzbefall durch Rötung, Schuppung, Juckreiz, Nässen und eventuell Entzündungen bemerkbar.
Das kann man dagegen tun
Zwischen den Zehen immer gründlich, am besten einzeln, abtrocknen. In öffentlichen Bädern und Feuchtbereichen, wo immer es geht, Badeschlappen tragen. Auch in Hotelzimmern nicht barfuss laufen, besonders, wenn dort Teppichboden liegt. Socken häufig wechseln, Baumwolle oder Gemische mit Naturfasern bevorzugen. Manche Hersteller arbeiten Silberfäden oder Silberionen in den Stoff ein, was Schweißgeruch vermindern kann. Die Schuhe nach dem Training gut belüften, eventuell mit einer speziellen Schuhheizung aus dem Fachhandel oder mäßig temperierter Föhnluft. Innensohlen öfter mal herausnehmen, so trocknen sie besser. Wirksam ist auch, sie ab und zu in der Sonne trocknen lassen. Wenn einmal ein Befall aufgetreten ist, müssen alle Schuhe und Strümpfe desinfiziert werden, zum Beispiel mit pilztötendem (antimykotischem) Fußpilzspray. Auch alle Bereiche zu Hause, wo barfuß gelaufen wurde, gründlich reinigen. Befallene Füße müssen über einen gewissen Zeitraum konsequent mit Pilzsalbe aus der Apotheke behandelt werden. Bei andauernden Problemen zum Hautarzt gehen. Bei starken Schweißfüßen kann Puder helfen, die Zehen vorbeugend trocken zu halten.
RADHOSE
Das sind die Probleme
Kein Zweifel: Bakterien und Pilze lieben das feuchtwarme Mikroklima in der Radhose. Dass sie üblicherweise ohne Unterwäsche getragen wird, um Scheuerstellen zu vermeiden, ist aus hygienischer Sicht besonders heikel. Denn, so der Dermatologe und TOUR-Medizin-Experte Dr. Peter Manstein: “Dadurch gelangen Fäkalkeime leicht in Regionen, wo sie nicht hingehören.” Besonders, wenn die Haut durch die mechanische Beanspruchung auf dem Sattel wundgerieben oder verletzt ist, können Bakterien eindringen. Ein weiteres Problem ist, dass die fast immer aus synthetischen Fasern bestehende Sportkleidung normalerweise nur bei Temperaturen von maximal 40 Grad gewaschen werden darf. Das reicht nicht aus, um Keime abzutöten. Vor allem bei Mehrtagestouren oder im Trainingslager ist manchmal nicht genügend Platz im Gepäck, um ausreichend Hosen zum täglichen Wechseln mit zunehmen. Wenn dann noch Zeit, Lust oder die Möglichkeit für die Handwäsche fehlen, wird manche Radhose öfter hintereinander getragen als gut ist.
Das können die Folgen sein
Sitzprobleme wie Pickel oder eitrige Furunkel im After- oder Dammbereich sind häufig die Folge kleiner Hautverletzungen und mangelnder Hygiene: Poren oder Mikrorisse können sich äußerst schmerzhaft entzünden, wenn bestimmte Bakterienarten eingedrungen sind. Besonders bei Frauen kommt schnell ein weiteres Problem hinzu: “Da ihre Harnröhre kürzer als die von Männern ist, wandern Darmbakterien leicht bis zur Harnblase – hartnäckige Blasenentzündungen können die Folge sein”, warnt Manstein. Auch bei Männern können die Harnwege auf diese Weise von unpassenden Keimen befallen werden. Auch Pilzerkrankungen im Intimbereich sind möglich. Herkömmliches Waschen genügt dann nicht immer, um wiederkehrende Re-Infektionen zu vermeiden.
Das kann man dagegen tun
Nach jedem Tragen, auch wenn es nur kurz war, gehört die Radhose in die Wäsche. Falls bereits Infektionen aufgetreten sind oder bei empfindlicher Haut oder Blase ist es ratsam, speziellen Hygienespüler zu verwenden, der Bakterien und Pilze vernichtet oder ihr Wachstum zumindest eindämmt. Die zugesetzten antimikrobiellen Stoffe können jedoch auch nützliche Bakterien in der Kläranlage vernichten und die eigentlich zu bekämpfenden resistent machen. Daher eher sparsam und mit Bedacht im Akutfall oder vorbeugend bei hoher Infektanfälligkeit einsetzen.
Wer bisher keine Probleme hatte, kommt in der Regel mit normalen Waschmitteln aus, auch bei niedrigen Temperaturen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Vollmaschmittel mit Bleichmitteln eine stärker keimtötende Wirkung entfalten als Color- oder Feinwaschmittel, die frei von solchen Substanzen sind, jedoch für empfindliche Textilien von den Herstellern meist empfohlen werden. Tipp: Legen Sie das Polster der Radhose einige Zeit in die Sonne: UV-Strahlen machen Mikrolebewesen den Garaus.
Da auch die waschaktiven Substanzen selbst die Haut reizen oder deren Barrierefunktion einschränken können, empfiehlt Dr. Manstein außerdem, die Wäsche möglichst gründlich zu spülen. Die von der Textilindustrie mitunter eingesetzten keimhemmenden Ausrüstungen in Sitzpolstern sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung wegen möglicher Gesundheitsgefahren kritisch, zumal sie Sauberkeit eher vortäuschen als gewährleisten. Falls überhaupt, sind “Imprägnierungen mit Silber besser als organische Hilfsstoffe”, empfiehlt Dr. Manstein.
Auf jeden Fall am besten: Vorbeugen und die Haut bei längeren Touren schützen, indem man sie im Sitzbereich immer gut eincremt. Geeignet sind Sitzcreme oder – vor allem bei bereits vorhandenen Entzündungen – weiche Zinkpaste. Von dem unter Radlern ebenfalls bekannten Hirschtalg oder Vaseline rät der Hautarzt dagegen ebenso eher ab wie von Salben mit vielen ätherischen Ölen, die zwar antimikrobiell wirken, mitunter aber selbst die Haut reizen und allergische Reaktionen auslösen können. Bei Haarbalgentzündungen können Umschläge mit desinfizierenden, nicht alkoholischen Mitteln aus der Apotheke Abhilfe leisten.
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