Helmpflicht für E-Bike-FahrerSinnvolle Maßnahme oder Symbolpolitik?

Barbara Merz-Weigandt

 · 25.08.2025

Helmpflicht für E-Bike-Fahrer: Sinnvolle Maßnahme oder Symbolpolitik?Foto: picture alliance / Fotostand / K. Schmitt
Die Diskussion um eine Helmpflicht für E-Bike-Fahrer ist neu entbrannt.
Frank Flake, der Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst (DBRD), spricht sich für eine Helmpflicht für Pedelec-Fahrende aus. Er begründet dies mit der hohen Anzahl an schweren Kopfverletzungen nach Unfällen. Für Ernst Brust, Sachverständiger für Mikromobilität bei Velotech, greift die Forderung einer Helmpflicht zu kurz.

Die Diskussion um eine Helmpflicht für Radfahrer, im speziellen E-Bike-Fahrer ist neu entbrannt. Ausgehend von einem Weckruf des Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst (DBRD), Frank Flake. Er fordert eine gesetzliche Helmpflicht für Pedelec*-Fahrerinnen und -Fahrer. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) begründet er diese Forderung mit den häufig schwerwiegenden Verletzungsmustern, die Rettungskräfte bei verunglückten E-Bike-Nutzenden beobachten. "Bei Pedelec-Fahrern sehen wir immer wieder schwere Kopfverletzungen", erklärte Flake gegenüber der Zeitung. Die Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern, die Pedelecs ohne aktives Treten erreichen können, erscheine auf den ersten Blick nicht besonders hoch, könne jedoch bei einem Sturz bereits lebensgefährliche Verletzungen verursachen. Die Kombination aus höherer Durchschnittsgeschwindigkeit und dem oft höheren Alter der Pedelec-Nutzenden führe zu einem gesteigerten Risiko für schwerwiegende Unfallfolgen.



Begriffliche Klarheit als Basis für sachliche Diskussion gefordert

In die Diskussion um eine Helmpflicht für elektrisch unterstützte Fahrräder hat sich nun Ernst Brust, Sachverständiger für Mikromobilität bei Velotech, eingeschaltet. Seiner Ansicht nach sollten umfassende, systemische Ansätze zur Verbesserung der Verkehrssicherheit verfolgt werden, anstatt sich auf eine einzelne Maßnahme wie die Helmpflicht zu konzentrieren.

In der aktuellen Diskussion um die Verkehrssicherheit von Radfahrenden zeigt sich ein grundlegendes Problem: Die unpräzise Verwendung von Begriffen führt zu Missverständnissen und falschen Schlussfolgerungen. Besonders deutlich wird dies bei der Debatte um eine mögliche Helmpflicht für sogenannte "E-Bikes". Was im allgemeinen Sprachgebrauch häufig als E-Bike bezeichnet wird, ist rechtlich und technisch in den meisten Fällen ein Pedelec (Pedal Electric Cycle oder EPAC - Electrically Power Assisted Cycle). Der entscheidende Unterschied: Bei Pedelecs arbeitet der Elektromotor ausschließlich unterstützend beim aktiven Treten der Pedale und die Motorunterstützung endet bei 25 km/h. Rechtlich werden diese Fahrzeuge wie herkömmliche Fahrräder behandelt.



E-Bikes im engeren Sinne verfügen hingegen über eine Anfahrhilfe oder einen Gasgriff, mit dem das Fahrzeug auch ohne Treten bewegt werden kann. Diese Fahrzeuge sind häufig zulassungspflichtig und unterliegen anderen rechtlichen Bestimmungen. Die begriffliche Unschärfe in der öffentlichen Diskussion führt regelmäßig zu Fehlinterpretationen von Unfallstatistiken und verzerrt die Wahrnehmung der tatsächlichen Risiken im Straßenverkehr. Eine sachgerechte Berichterstattung und fundierte Diskussion über Verkehrssicherheit muss daher auf einer präzisen Terminologie basieren, die die unterschiedlichen Fahrzeugtypen korrekt differenziert und ihre spezifischen Eigenschaften berücksichtigt.

Das Tragen eines Helms ist beim Radfahren grundsätzlich empfehlenswert. Er schützt vor schweren Verletzungen und erhöht mit entsprechende Features auch die passive Sicherheit und Sichtbarkeit.Foto: Matthias BorchersDas Tragen eines Helms ist beim Radfahren grundsätzlich empfehlenswert. Er schützt vor schweren Verletzungen und erhöht mit entsprechende Features auch die passive Sicherheit und Sichtbarkeit.

Ist eine Helmpflicht sinnvoll oder reine Symbolpolitik?

Das Tragen eines Fahrradhelms ist grundsätzlich empfehlenswert und kann bei Stürzen die Schwere von Kopfverletzungen erheblich reduzieren. Diese präventive Wirkung ist wissenschaftlich belegt und wird von Verkehrssicherheitsexperten nicht in Frage gestellt, bestätigt Brust. Dennoch greife eine gesetzliche Helmpflicht speziell für Pedelec-Fahrende zu kurz, wenn es um die umfassende Verbesserung der Verkehrssicherheit geht. Detaillierte Unfallanalysen zeigten, dass die Hauptursache schwerer und tödlicher Unfälle mit Fahrrädern und Pedelecs nicht fehlende Helme, sondern Kollisionen mit Kraftfahrzeugen sind.

Bei diesen Unfallszenarien böte ein Helm zwar einen gewissen Schutz, könne aber die schwerwiegenden Folgen eines Zusammenstoßes mit einem mehrere Tonnen schweren Fahrzeug nur begrenzt abmildern. Der präventive Effekt einer Helmpflicht bleibe daher limitiert, wenn die grundlegenden Unfallursachen struktureller Natur sind und in der mangelhaften Trennung verschiedener Verkehrsteilnehmender, unzureichender Infrastruktur und unangepassten Geschwindigkeiten im motorisierten Verkehr liegen. Eine isolierte Betrachtung der Helmpflicht lenke zudem von der Verantwortung ab, die alle Verkehrsteilnehmenden für die Sicherheit im Straßenverkehr tragen, und suggeriert fälschlicherweise, dass die Hauptverantwortung für Unfallvermeidung bei den Radfahrenden selbst liege.

Mehr Verkehrssicherheit durch systemische Lösungsansätze

Anstatt sich auf eine einzelne Maßnahme wie die Helmpflicht zu konzentrieren, sollten umfassende, systemische Ansätze zur Verbesserung der Verkehrssicherheit verfolgt werden, so Brust. An erster Stelle stünde dabei die konsequente Reduzierung von Geschwindigkeiten des motorisierten Verkehrs in Bereichen, wo verschiedene Verkehrsteilnehmende aufeinandertreffen. Studien belegten eindeutig, dass niedrigere Tempolimits in innerstädtischen Bereichen und auf Landstraßen die Unfallschwere drastisch reduzieren können.

Bei einer Kollision mit 30 km/h statt 50 km/h sinkt das Risiko tödlicher Verletzungen für ungeschützte Verkehrsteilnehmende erheblich. Ebenso wichtig sei nach Brusts Ansicht die systematische Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur. Getrennte, ausreichend breite und gut instandgehaltene Radwege, sichere Kreuzungsführungen mit guter Sichtbarkeit und durchgängige Radverkehrsnetze würden wesentlich zur Unfallvermeidung beitragen. Die konsequente Durchsetzung bestehender Verkehrsregeln, insbesondere beim Überholabstand von mindestens 1,5 Metern innerorts und 2 Metern außerorts, sei ein weiterer wichtiger Baustein.

Technische Lösungen wie Abbiegeassistenten für Lastkraftwagen könnten zudem besonders gefährliche Unfallsituationen entschärfen. Nicht zuletzt trage auch die Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmenden zur Sicherheit bei: Radfahrende sollten Handzeichen geben und Verkehrsregeln wie das Anhalten an roten Ampeln beachten, während Autofahrende für die besonderen Bedürfnisse und die Verletzlichkeit ungeschützter Verkehrsteilnehmender sensibilisiert werden müssen.

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Fazit: Ganzheitlicher Ansatz anstelle von Einzelmaßnahmen

Eine Helmpflicht für Pedelec-Fahrende mag auf den ersten Blick als einfache und schnell umsetzbare Maßnahme erscheinen, greife jedoch zu kurz, wenn es um nachhaltige Verbesserungen der Verkehrssicherheit geht. Sie adressiere lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen der Gefährdung im Straßenverkehr. Ein wirklich effektiver Ansatz müsse die Verkehrssicherheit ganzheitlich betrachten und bei den strukturellen Ursachen ansetzen. Dies bedeute, die Infrastruktur fahrradfreundlicher zu gestalten, Geschwindigkeiten des motorisierten Verkehrs zu reduzieren und das Bewusstsein aller Verkehrsteilnehmenden für ihre gemeinsame Verantwortung zu schärfen.

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Nur durch eine Kombination dieser Maßnahmen kann eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheit erreicht werden. Die Debatte um die Helmpflicht sollte daher zum Anlass genommen werden, den Blick zu weiten und umfassendere Lösungsansätze zu diskutieren. Eine präzise Terminologie und faktenbasierte Diskussion bilden dabei die Grundlage für zielführende Entscheidungen. Letztendlich geht es nicht um symbolische Politik, sondern um wirksame Maßnahmen, die das Leben aller Verkehrsteilnehmenden schützen – unabhängig davon, ob sie mit dem Fahrrad, dem Pedelec oder dem Auto unterwegs sind. Eine große Auswahl an Helme gibt es z. B. bei Bike-Components, Bergfreunde oder Rosebikes.

Definition: Was sind E-Bikes und Pedelecs?

  • *Pedelec: Elektrisch unterstütztes Fahrrad, Motor arbeitet nur beim Treten, Unterstützung bis max. 25 km/h
  • E-Bike (im engeren Sinne): Elektrisches Zweirad mit Anfahrhilfe oder Gasgriff, häufig zulassungspflichtig
  • Rechtliche Einordnung Pedelec: Gilt als Fahrrad, keine Führerschein- oder Versicherungspflicht

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