Ein Chamäleon wechselt Hautfarbe und Zeichnung, wie es ihm gerade passt. Bei starker Sonneneinstrahlung färben sich die Tiere hell und reflektieren so das einfallende Licht. Knallig bunt machen sie bei der Partnersuche auf sich aufmerksam. Sinken die Temperaturen, nutzen sie dunkle Farben, um mehr Sonnenenergie aufzunehmen. Bei den ständig wechselnden Lichtverhältnissen auf der Straße oder im Gelände könnten auch wir Radsportbegeisterte eine solche Funktion gut gebrauchen – für die Radbrille, versteht sich. Mit dem schnellen Wechsel zwischen Licht und Schatten sind unsere Augen nämlich häufig überfordert. Doch die Hersteller von Sonnenbrillen versprechen eine adäquate Lösung für dieses Problem: Selbsttönende oder photochrome Sonnenbrillen sollen die Chamäleons unter den Sportbrillen sein. Sie können ihre Tönung mithilfe eines chemischen Prozesses der Stärke der UV-Strahlung anpassen.
Handicap: Der Wechsel der Tönung funktioniert zwar grundsätzlich – aber nicht in der für Rennradler im Sattel erforderlichen Geschwindigkeit. Vor allem das Aufhellen zieht sich: Während die meisten Brillen binnen zehn Sekunden knapp zur Hälfte abdunkeln, benötigen selbst gute Exemplare eine Minute und mehr, um wieder einigermaßen aufzuklaren. Weil sich das menschliche Auge nur langsam an Dunkelheit gewöhnt, tappt man bei der Einfahrt aus vollem Licht in ein schattiges Waldstück oder einen Tunnel erst einmal in doppelter Hinsicht im Dunkeln – bei voller Fahrt nicht ganz ungefährlich.
Auch das Wetter spielt eine Rolle: Bei Kälte reagieren die Moleküle schneller, bei Hitze eher träge. Das kann dazu führen, dass im Sommer die Tönung zu schwach und im Winter zu stark ausfällt. Beim Autofahren nützt die Technik kaum, da Windschutzscheiben UV-Strahlen filtern. Wichtig auch: Dunkel ist nicht immer besser. Wer eine Brille für alles sucht, sollte die Anfangstönung nicht stärker als 20 Prozent wählen oder zu Modellen greifen, die bei Kategorie 0 (farblos bzw. leicht getönt; mehr als 80 Prozent Lichtdurchlässigkeit) starten; damit sieht man auch noch in der Dämmerung. Viel getan hat sich bei den Filterfarben. Früher wechselten die meisten Brillen nur von klar zu grau, heute sind auch kontrastverstärkendes Rot oder Violett möglich – bei trübem Wetter oder bedecktem Himmel eine Wohltat für die Augen. Besonders überzeugend sind hier die Gläser von Evil Eye und Julbo. Durch sie erscheint die Straße selbst an tristen Tagen so farbenfroh wie ein Chamäleon im Balzgewand.
Die Preisspanne der Brillen im Test reicht von 90 Euro für das Modell von Van Rysel, das durchschnittlich abschneidet, bis zum dreifachen Preis für den Testsieger von Evil Eye. Ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zeichnet das Modell Ago von Giant aus. Der Test zeigt, dass sich die Brillen vor allem in der Geschwindigkeit der Tönungsanpassung deutlich unterscheiden. Den besten Brillen gelingt das, bezogen auf die Anforderung während einer Radfahrt, innerhalb einer akzeptablen Zeitspanne von rund 30 Sekunden.
Keine Brille lässt schneller die Rollos runter als die Poc. Die Uvex klart sehr flott wieder auf. Das vergleichsweise günstige Modell von Giant überrascht mit soliden Werten beim Abdunkeln und Aufklaren.
Weil sich das menschliche Auge schlechter an Dunkelheit als an helles Licht gewöhnt, ist die Aufhellgeschwindigkeit wichtiger. Während die meisten Brillen nach zehn Sekunden bereits zu etwa 40 Prozent abgedunkelt haben, erreichen die langsamsten Modelle diesen Wert bei der Aufhellung erst nach mehr als zwei Minuten.
Die selbsttätige Abdunklung phototroper oder photochromer Gläser beruht auf Silberverbindungen, die in die Scheiben eingeschmolzen oder als Schicht aufgetragen werden. Diese Moleküle verändern bei Kontakt mit UV-Strahlung ihre chemische Struktur. Im unangeregten Zustand sind die Moleküle nahezu unsichtbar und machen sich lediglich durch eine leichte Grundtönung bemerkbar. Bei Bestrahlung vergrößern sie jedoch ihre Oberfläche und klappen auf, wie die Blätter einer Blume. Das Glas wird dunkler. Nimmt die UV-Strahlung ab, gehen die Moleküle wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Die Geschwindigkeit und Intensität der Abdunklung ist auch von der Temperatur abhängig. Je kälter es ist, desto schneller verläuft der Prozess und desto dunkler wird das Glas. Ein Problem können daher etwa neblige Wintertage darstellen. Weil die UV-Strahlung auch im Nebel kräftig sein kann, werden die Gläser mitunter zu dunkel.
Zur Messung simulieren wir mit einer Speziallampe hochsommerliche Verhältnisse und protokollieren Anfangshelligkeit und Tönungsverlauf. Die Geschwindigkeit und der Grad der darauffolgenden Aufhellung (relativ zum Umfang der Abdunklung innerhalb von zwei Minuten) werden bewertet. Der absolute Umfang der Abdunklung fließt nicht ins Ergebnis ein.
Bewertet werden die Größe der Gläser, eventuell im Sichtfeld störende Rahmenteile (in Rennhaltung, mit Helm), sowie die Schutzwirkung (vor einem Gebläse mit etwa 35 km/h Windgeschwindigkeit).
An mehreren Testpersonen prüfen wir den Sitz der Brillen, sowie deren Anpassbarkeit und ob störende Kanten Druckstellen erzeugen.
Kriterien sind: Lieferumfang (z.B. Etui, Textilbeutel, Wechselscheiben, Gläserbeschichtungen) und Konstruktion (Justierbarkeit von Bügeln und Nasenauflage, etwaige Extras).