Am Montagabend sei er spät abends von der Arbeit nach Wasseralfingen nach Hause geradelt, berichtet Hobby-Marathonbiker Paris Mistakidis. Es sei stockdunkel gewesen, als er plötzlich im Wald bei Oberkochen mit etwas ziemlich schwerem zusammenstieß. Mistakidis stürzte und zog sich Gott sei Dank nur ein paar Schürfwunden zu, aber der Schock saß tief: “Es kann eigentlich nur ein Wildschwein gewesen sein, aber es war wie auf Beton zu treffen.” Dieser Unfall ereignete sich im April 2021.
Wie man sich das Ganze optisch vorstellen darf, wurde bereits zufällig per Helm-Kamera dokumentiert. Und zwar in Südafrika, tagsüber. So wurde 2011 ein Marathon-Racer in der südafrikanischen Steppe bei Albert Falls Dam während eines MTB-Marathons von einem stattlichen Impala (große Antilopenart) regelrecht überrannt.
2023 ist eine Gruppe um Ex-Profi George Hincapie nur knapp einem tierischen Unfall entgangen. Eine Helmkamera zeigt, wie Hincapie mit einer Gruppe Rennradfahrer zum Start seines Granfondos in Greenville, South Carolina unterwegs ist. Plötzlich springt ein Hirsch von links herüber, knapp über die Gruppe hinweg. Edwin Gonzalez Montoya filmte das YouTube-Video und musste sich tief ducken. Während Hincapie erschrocken zurückblickt, wird es für Montoya kritisch: Der Hirsch kommt immer näher und er kann gerade noch unter ihm hindurchfahren, wobei er glücklicherweise nur leicht gestreift wird.
2013 erwischte es auch den deutschen Profi-Racer Robert Mennen auf der ersten Etappe des Cape Epic: “Im Augenwinkel habe ich die Antilope von links kommen sehen. Aber ich war mitten in einer technischen Abfahrt und es ging alles so schnell. Das panische Tier rannte einfach in mich rein!” Für Mennen war das Rennen damals zu ende: Schlüsselbein und Lenker gebrochen. Die Antilope kam hoffentlich ohne ernste Blessuren davon.
Okay, dass solche Wild-Kollisionen in der afrikanischen Steppe häufiger vorkommen, kann man sich vorstellen. Doch das Risiko nehme auch bei uns tendenziell zu, so Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. Das liege einerseits an der seit Jahren steigenden Wildtier-Population in Deutschland, andererseits aber auch an der wachsenden Zahl von Radfahrern im Wald. Gefährdet seien vor allem Arbeitspendler, die mit dem Rad auch im Herbst und Winter in Dämmerung und Dunkelheit unterwegs sind. Genau in den Zeiten also, in welchen mit erhöhtem Wildwechsel auf Straßen und Wegen zu rechnen ist. Speziell, wenn die Uhren von Sommer- auf Winterzeit umgestellt werden.
Laut ADAC ist diese Zeit besonders gefährlich, da futtersuchende Tiere in der Dämmerung aktiv sind. Zwar gewöhnen sich die Tiere an Zeiten mit hohem Autoverkehr und weichen entsprechend aus, aber wenn sich der Berufsverkehr von einem Tag auf den anderen in ihre Wechselzeiten verschiebt, müssen Autofahrer erhöhte Vorsicht walten lassen. Trotzdem werden in Deutschland jedes Jahr im Schnitt 250.000 Wildunfälle gezählt.
Im Vergleich dazu sind die 30 Kollisionen mit Radfahrern im Jahr eigentlich keine Meldung wert. Wenn man aber bedenkt, wie schmerzhaft so ein durchaus möglicher Zusammenprall ausgehen kann, ist man vielleicht doch froh zu wissen, wie man so einen Wildunfall vermeiden kann. Hier die Tipps vom Wildtier-Experten Andreas Kinser (Deutsche Wildtier Stiftung):
In kleinen Waldstücken oder Waldrändern die Straßenränder während der Fahrt immer im Auge behalten. Speziell in der Dämmerung. Der Kegel des Lenkerlichts sollte dabei so auf Weg oder Fahrbahn ausgerichtet sein, dass er auftauchendes Wild nicht blendet. Geblendete Tiere tendieren dazu, abrupt stehen zu bleiben.
Im Vergleich zu Auto- und Motorradfahrern haben Radfahrende zwei wesentliche Vorteile: Erstens sind die Geschwindigkeiten geringer, weshalb beide Seiten längere Reaktionszeiten zum Ausweichen oder Abstoppen haben. Zweitens hören Radfahrende Umgebungsgeräusche. Raschelt ein Wildtier im Gebüsch, können sie frühzeitig abbremsen. Zusätzlich kann man sich selbst bemerkbar machen. Die Tiere sind beruhigter, wenn sie Geräusche einordnen können und eine Störung nicht plötzlich auftritt. Hin und wieder klingeln ist eine Möglichkeit, um die Tiere nicht in Stress zu versetzen. Oder man fährt in einer Gruppe, die automatisch lauter ist, als ein einzelner Radfahrer.
Sollte es doch zu einem Zusammenstoß kommen, gilt es erst mal, sich wieder zu sammeln und Ruhe zu bewahren. Ist das Tier verletzt liegengeblieben, sollte man möglichst viel Abstand zwischen sich und das Tier bringen. Menschen lösen bei Wildtieren Panik aus und dieser Stress muss für das Tier vermieden werden. In den meisten Fällen wird jedoch der Radfahrende stärker verletzt sein als das Tier. Das liegt daran, dass ein Zusammenstoß in der Regel nicht frontal erfolgt, sondern das Tier von der Seite angesprungen oder angelaufen kommt, den Radfahrenden rammt und aus dem Sattel holt. Sollte aber ein Frontalzusammenstoß drohen, ist eine Vollbremsung mit möglichem Zusammenstoß die bessere Lösung als ein riskantes Ausweichmanöver. Letzteres kann dazu führen, dass man als Radfahrender mit weiteren Verkehrsteilnehmenden kollidiert.
JA! Auch wenn augenscheinlich nichts weiter passiert ist, muss man einen Wildunfall der Polizei melden. Das Tier könnte trotz Flucht verletzt sein. Die Polizei wird dann den entsprechenden Jäger oder Jägerin informieren, damit das verletzte Tier aufgespürt werden kann. Außerdem wichtig: