Besser fahren in der Rennrad-Gruppe

Björn Kafka

 · 12.12.2022

Die wichtigsten Handzeichen in der Rennrad-Gruppe: Tempo rausnehmen - Handfläche zeigt zum Boden, die Hand wippt auf und ab.
Foto: Johannes Reiner

Gruppentraining, Radmarathon oder Jedermann-Rennen - jede dieser Fahrsituationen erfordert besondere Fahrtechnik, Übung und taktische Elemente in der Rennrad-Gruppe. TOUR zeigt, wie Sie in diesen Situationen entspannt und somit effektiver fahren.

Tipps & Tricks für das Fahren in der Rennrad-Trainingsgruppe

Erste Ausfahrt in der neuen Gruppe - dabei sollten Sie vor allem einen guten Eindruck hinterlassen. Wie das geht? Mit guter Fahrtechnik, die zeigt, dass Sie mit Überblick fahren und andere nicht gefährden.

Abstand zum Vordermann in der Rennrad-Gruppe

So gering wie möglich, so entspannt wie nötig. Je enger Sie am Hinterrad des Vordermanns klemmen, desto höher die Energieersparnis durch den Windschatten. Doch besonders bei lockeren Trainingsausfahrten sollten Sie es nicht übertreiben und den Zwischenraum bei einer halben Laufradlänge belassen.

Umschauen ohne Schlenker in der Rennrad-Gruppe

Wer auf belebten Straßen mit einer Gruppe trainiert, muss vor allem eines können: die Linie halten, denn sonst gefährdet man sich und die anderen. Besonders beim zurückblicken neigen Radler dazu, den Lenker leicht zu verdrehen. Der Grund: Durch die Kopfbewegung und das neue Ausrichten des Blicks erreicht unser Gleichgewichtszentrum ein anderer Richtungs-Impuls. Der Trick: Schließen Sie das rechte Auge, wenn Sie nach links hinten schauen wollen und das linke Auge, wenn Sie sich nach rechts hinten umdrehen.



Den Lenker richtig greifen in der Rennrad-Gruppe

Entspannt, aber aktionsbereit. Greifen Sie den Lenker bei der Fahrt in der Rennrad-Gruppe an den Bremsgriffen. Hier können Sie selbst bei höherem Tempo durch das Abflachen des Oberkörpers noch aerodynamisch sitzen. Bremsen Sie dosiert, sodass der Hintermann genug Zeit hat zu reagieren. Oberlenker und Unterlenker-Position (je nach Geschwindigkeit) eignen sich nur an vorderster Stelle der Rennrad-Gruppe - wenn Sie im Wind stehen.

Als Erster in die Kurve fahren

Als Erster in die Kurve fahren Foto: Johannes Reiner
Als Erster in die Kurve fahren

Wählen Sie eine sichere, präzise Linie ohne Schlenker. Fahren Sie vorausschauend und überprüfen Sie den Verkehr. Schauen Sie, ob die Ideallinie frei von Schmutz, Öl und Löchern ist und steuern Sie den Kurveneingang von außen an. Bremsen Sie kurz, aber dosiert. Schieben Sie Ihr Gesäß dabei leicht zurück und schauen Sie entlang der gedachten Fahrlinie bis zum Kurvenausgang. Das kurveninnere Pedal ist oben, Sie fahren ins Kurveninnere. Vorsicht! Achten Sie in Linkskurven darauf, dass Ihr Oberkörper nicht in die Gegenfahrbahn ragt. Am Kurvenausgang lassen Sie sich nach außen tragen und richten den Oberkörper etwas auf. Jetzt können Sie wieder treten.

Fahren in Formation in der Rennrad-Gruppe

Bei Gegenwind - Wind von vorne

Fahren in der Gruppe: Bei Wind von vorne Foto: Johannes Reiner
Fahren in der Gruppe: Bei Wind von vorne

In einer kleinen Rennrad-Gruppe fahren Sie bei Wind von vorne in Einerreihe leicht zur Seite versetzt. Wie lange Sie an erster Position im Wind fahren, hängt von Ihrem Leistungsvermögen ab; in homogenen Gruppen sollte die Führungsdauer je Fahrer einigermaßen gleichmäßig sein. In Gruppen mit sehr unterschiedlichem Leistungsvermögen lassen sich die Unterschiede durch verschieden lange Führungen aber auch sehr gut kompensieren, so dass alle Mitfahrer im Training auf ihre Kosten kommen. Wichtig: Nicht schneller fahren, wenn Sie in die Führungsposition gehen! Behalten Sie Ihren Tacho bzw. Puls- oder Leistungsmesser im Blick!

Seitenwind

Fahren bei Wind von der Seite Foto: Johannes Reiner
Fahren bei Wind von der Seite

Fahren Sie in einer kleinen Rennrad-Gruppe möglichst in Windrichtung versetzt und als führender Fahrer zur windzugewandten Seite - stets unter Berücksichtigung des Straßenverkehrs. Der Hintermann fährt immer zur windabgewandten Seite, damit der führende Fahrer beim Wechsel an der Spitze gegen den Wind herausfahren kann. Wie lange Sie führen, hängt von Ihrer und der Form der Mitfahrer in Ihrer Gruppe ab.

Belgischer Kreisel in der Rennrad-Gruppe

Belgischer Kreisel Foto: Johannes Reiner
Belgischer Kreisel

Der belgische Kreisel ist häufig bei Ausreißergruppen in Profi-Rennen zu beobachten. Er kommt zum Einsatz, wenn hohe Geschwindigkeiten gefragt sind und erfordert einige Übung. Der Kreisel besteht aus zwei Einzelreihen, die sich gegeneinander bewegen. Das bedeutet, eine Reihe (im Bild die rechte) fährt schneller als die andere. Der jeweils Führende der schnelleren Reihe wechselt zur Seite in die langsamere Reihe, sobald er mit seinem Hinterrad ganz am Vorderrad des Führenden dieser Reihe vorbeigezogen ist. Der letzte Fahrer der Reihe der abgelösten Fahrer wechselt hinüber an das Hinterrad des letzten Fahrers der schnelleren Reihe. So kreiselt die Formation.

Taktik-Tipp: Kräfte einteilen

 Foto: Johannes Reiner

Beim Rennrad-Gruppentraining müssen sich häufig unterschiedliche Leistungsklassen arrangieren. Daher gilt besonders für Neulinge: Fahren Sie zurückhaltend. Es hinterlässt einen besseren Eindruck, wenn Sie nicht versuchen, die Gruppe auseinanderzunehmen und die Ausfahrt mit einem Rennen verwechseln. Zudem spart es Kraft, die Sie, falls nötig, an anderer Stelle besser einsetzen können. Häufig haben Trainingsgruppen bestimmte Punkte, an denen sie das Tempo anziehen (Hausberg, Ortsschildsprint). Fragen Sie vor der Fahrt nach: “Wie sieht die Strecke aus? Wo wird meistens das Tempo angezogen?”

Rennrad fahren in der Gruppe: Die wichtigsten Handzeichen

Die wichtigsten Handzeichen in der Rennrad-Gruppe: Tempo rausnehmen - Handfläche zeigt zum Boden, die Hand wippt auf und ab.
Foto: Johannes Reiner

Besser fahren: Tipps für den Radmarathon

Große Felder und lange Distanzen zeichnen populäre Radmarathons aus. Wer sich gut im Peloton bewegt und weiß, wie er am Berg fahren muss, spart Energie und kommt entspannter ins Ziel.

Welcher Platz im Peloton?

Vorne fahren und Kopf hoch! Machen Sie es wie die Profis und versuchen Sie, in einem großen Feld so weit wie möglich nach vorne zu gelangen. Das senkt die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes. Wer nicht weiter nach vorne kommt, sucht sich ein ruhiges Hinterrad: Fahrer, die gleichmäßig beschleunigen, nicht in den Wiegetritt gehen oder abrupt bremsen. Ob Sie eher an den Seiten oder mitten im Feld fahren, hängt von Ihrem Mut und Fahrkönnen ab. Wer Angst im großen Feld hat, sollte links oder rechts außen fahren. Dadurch bleibt mehr Raum zum Ausweichen, zum Beispiel über Grünstreifen oder Radweg. Und Sie gelangen einfacher nach vorne, vorausgesetzt, es herrscht kein starker Seitenwind. Wichtig: Machen Sie sich beim Überholen bemerkbar, zum Beispiel mit dem Ausruf: “Vorsicht von rechts.” Halten Sie mitten im Feld immer Ihre Fahrlinie ein. Wichtig: Behalten Sie immer den Überblick, egal in welcher Position Sie gerade stecken. Also: Kopf hoch und nicht auf den Vorbau oder Lenker starren.

Abstand zum Vordermann in der Rennrad-Gruppe

Das Wichtigste ist: ruhig bleiben und Raum lassen. 50 bis 70 Zentimeter sind der ideale Abstand - dadurch haben Sie etwas Aktionsraum, falls der Fahrer vor Ihnen in den Wiegetritt geht und das Hinterrad dabei nach hinten schiebt. Wichtig: Alles, was hinter Ihrem Lenker passiert, interessiert Sie nicht - das heißt: niemals umdrehen in der Rennrad-Gruppe, auch nicht bei Stürzen. Steuern Sie so, dass die hinteren Fahrer Sie nicht touchieren oder zu Bremsaktionen verleitet werden.

Kurven fahren im Feld einer Rennrad-Gruppe

Kurven fahren im Feld Foto: Johannes Reiner
Kurven fahren im Feld

Mit gleichbleibendem Abstand zu Ihren Mitfahrern rechts und links, sowie mit konstanter Geschwindigkeit. Nicht der Ideallinie folgen, die Sie einnehmen würden, wenn Sie alleine unterwegs wären!

Verhalten bei Regen

Senken Sie den Reifendruck um ein halbes bis ein Bar - die Reifenaufstandsfläche vergrößert sich, der Reifen hat mehr Grip. Viele Fahrer werden bei nasser Fahrbahn extrem nervös, die Sturzgefahr steigt. Versuchen Sie, weit nach vorne zu gelangen. Nehmen Sie wenn möglich die (Sonnen-)Brille ab, klappen Sie den Mützenschirm herunter - so haben Sie den besten Blick bei schlechtem Wetter. Wenn es nach vielen Sommertagen erstmals wieder regnet, bildet sich ein sehr rutschiger Film aus Öl, Ruß und Reifenabrieb, der vom Regen erst weggespült werden muss. Fahren Sie in dieser Phase doppelt aufmerksam. Bei Rutschgefahr gilt generell: keine Panik, nicht verkrampfen, wenn möglich nur dosiert bremsen.

Die richtige Rennrad-Gruppe beim Radmarathon

Die richtige Gruppe hängt von der Schwierigkeit der Strecke ab. Je bergiger sie ist, desto mehr sollten Sie vor allem in den Steigungen Ihren eigenen Rhythmus fahren. Bei flachen Strecken suchen Sie sich Rennrad-Gruppen, die maximalen Windschatten bieten und homogen funktionieren - keine plötzlichen Tempoverschärfungen. Bei Marathons, die mit einem Berg beginnen und dann eher flach verlaufen, kann es schlau sein, anfangs etwas über seine Verhältnisse zu fahren. Denn: Wenn Sie mit einer schnelleren Gruppe über den Gipfel gelangen, können Sie auf der Abfahrt und im Flachen vom Windschatten profitieren. Das ist besser als im Tal alleine gegen den Wind zu pressen.

Essen & Trinken

Greifen Sie nur zu Trinkflasche oder Riegel, wenn gerade Ruhe im Feld herrscht. Eine Hand bleibt immer am Lenker. Die Flasche greifen Sie, ohne nach unten zu schauen, am besten im Anstieg, beim Erreichen einer Kuppe oder in lockerer Abfahrt. Wann nicht: Zum Anfang des Marathons in schnellen Abfahrten. Prüfen Sie vor dem Wettkampf, dass Ihr Trikot gut erreichbare und zugängliche Taschen hat. Stecken Sie Riegel oder Gels in die Tasche, die Sie mit der Führungshand am besten erreichen (Rechtshänder, rechte Tasche). Große Riegel, die Sie nur zur Hälfte schaffen, nicht zurück in die Tasche stecken, sondern vorne unters Trikot.

Der Blick zurück

Der Blick zurück Foto: Johannes Reiner
Der Blick zurück

In dichten Feldern, aber auch in Zweierreihe, sind Schlenker unbedingt zu vermeiden. Bevor Sie sich umschauen, legen Sie Ihrem Nebenmann die Hand auf die Schulter. Das stabilisiert Ihre Fahrt und Sie vermeiden Unruhe im Feld.

Taktik-Tipp: Am ersten Berg sind alle stark

Foto: Johannes Reiner

Kaum kommt beim Marathon der erste Berg, versuchen viele Sportler mit aller Macht drüberzupressen. Oft überschätzen sich die Fahrer dabei und büßen auf der zweiten Hälfte des Anstiegs für die frühe Energieverschwendung. Zwingen Sie sich deshalb zur Selbstkontrolle, indem Sie zum Beispiel auf Ihre Pulsuhr schauen. Wer länger als zehn Minuten im roten Bereich fährt, wird zum Ende des Marathons einbrechen. Sportler, die mit einem Wattmesssystem fahren, sollten fünf bis zehn Prozent unter ihrer Schwellenleistung bleiben. Die gesparte Energie können Sie in der letzten Stunde des Marathons nutzen, um Plätze und Zeit gutzumachen.

Fahren in der Rennrad-Gruppe: Tipps für Jedermann-Rennen

Kompaktere Felder, höheres Tempo: Bei Jedermann-Rennen entscheiden Kraft, Taktik und richtige Fahrtechnik über ein gutes Resultat.

Tipps für den Start bei Jedermann-Rennen

Die Position im Startblock: Versuchen Sie, möglichst weit vorne zu stehen, einen Fuß fest im Pedal. Kette aufs große Blatt und ein großes Ritzel (leichter Gang). Dadurch können Sie mit hoher Trittfrequenz starten und schnell runterschalten. Was gar nicht geht: Im Startblock nach vorne drängeln oder sich in einen vorderen Startblock mogeln. Rote Karte!

Sofort lospreschen: Jedermann-Rennen werden beim Start entschieden, da die Anfangsgeschwindigkeit extrem hoch ist. Umso wichtiger ist deshalb das Warmfahren. Ideal ist eine halbe Stunde Einrollen, dabei dreimal 30 Sekunden volle Belastung mit jeweils einer Minute Pause dazwischen.

Kurven fahren

Kurven fahren Foto: Johannes Reiner
Kurven fahren

Am besten fahren Sie den Kurs vorher ab und testen, wie schnell Sie die Kurven durchfahren können. Ideallinie vor der Kurve, wenn nötig, kurz anbremsen. Kurveninneres Pedal hoch. Dann von außen anfahren, das Kurvenende anvisieren und im flachen Winkel zur anvisierten Stelle fahren. Blickführung: den Weg vorausschauen und das Kurvenende anvisieren.

Trick, um Positionen in der Kurve gutzumachen, besonders bei mittelgroßen Feldern bis 30 Fahrer (siehe Bild oben): Halten Sie eine hohe Geschwindigkeit, wenn die anderen Fahrer schon abbremsen. Fahren Sie von innen-hinten die Kurve an und schießen dann nach innen (Sie überholen jetzt die Fahrer). Bremsen Sie jetzt kurz an und fahren Sie ins Kurveninnere. Ihre gewählte Spur dürfen Sie bei solch einem Manöver auf keinen Fall verlassen und wieder nach außen driften!

Die richtige Position im Peloton

Die richtige Position im Peloton Foto: Johannes Reiner
Die richtige Position im Peloton

Energie sparen, aber bereit sein. An der Position acht bis zwölf bekommen Sie genug Windschatten, bleiben aber aktionsbereit. Bei Attacken springen Sie erst beim fünften Fahrer mit und hängen sich an dessen Hinterrad. Der Grund: Gruppen ab fünf Fahrern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, das Ziel vor dem Feld zu erreichen als kleinere Gruppen.

Ausreißen bei Jedermann-Rennen

Gas geben, aber dosiert. Zu Anfang eines Ausreißversuchs mit mehreren Fahrern sollten Sie die ersten drei Minuten konsequent versuchen, wegzukommen. Danach drehen Sie sich um und schauen, wie groß der Abstand zum Feld ist. Falls Sie kaum weggekommen sind und das Feld mit Macht hinterherprescht, sollten Sie sich wieder zurückfallen lassen. Wächst der Vorsprung, beteiligen Sie sich an der Führungsarbeit und bleiben maximal 30 Sekunden im Wind. Fahren Sie mit hoher Trittfrequenz.

Gelände und Wetter

Besonders an kurzen Anstiegen und bei Seitenwindpassagen werden Felder gespalten. Deshalb kurze Anstiege in vorderer Position anfahren (2. bis 5. Stelle). Windkantenabschnitte sollten Sie kennen (Kurs vorher abfahren) und sich früh in Position bringen (4. bis 10. Stelle).

Das richtige Hinterrad bei Jedermann-Rennen

Kennen Sie Ihre Mitfahrer? Wer gewinnt öfter oder kommt unter die ersten Zehn? Wenn Sie wissen, welches die starken Fahrer im Feld sind, haben Sie einen Wettbewerbsvorteil, da Sie sich einiges abschauen und lernen und vom taktischen Gespür dieser Sportler profitieren können. Das Hinterrad solcher Fahrer ist ein guter Platz, denn Sie müssen Sie sich weniger Gedanken über Ihre eigene Position im Feld machen. Aber: Andere Fahrer wollen das auch - und werden Ihnen den Platz streitig machen!

Taktik-Tipp: Allen tut es gerade weh

Foto: Johannes Reiner

“Ich wurde schon am Start abgehängt.” Diesen Satz sagen besonders Renneinsteiger häufig. Der Grund: Das hohe Anfangstempo. Jedermann-Rennen, besonders auf kurzen Rundkursen, werden extrem schnell angegangen - für Neulinge körperlich sehr ungewohnt. Neben der Physis spielt aber auch die Psyche eine wichtige Rolle. Machen Sie sich als Neuling während der Startphase immer wieder klar:

  1. Alle Sportler um Sie herum bewegen sich am Leistungslimit.
  2. Länger als 15 Minuten wird in der Regel nicht hart gefahren, danach wird es lockerer.

Diese beiden Leitsätze helfen, die Startphase besser zu überstehen und nicht gleich am Anfang abgehängt zu werden.