Sandra Schuberth
· 18.10.2025
Wieder so ein Tag. Heute war alles wichtiger als ich selbst. Das Kind brauchte viel Aufmerksamkeit, es hatte Bauchschmerzen. Nicht einmal die kurze Indoor-Einheit hat reingepasst, die ich so gebraucht hätte. Dabei heißt es doch, das geht immer? Ein Irrglaube. Erschöpft falle ich ins Bett und freue mich auf morgen. Morgen bin ich meinem „alten Ich“ etwas näher. Für mich geht’s am frühen Nachmittag zum Clubhaus von Female Cycling Force. Das Kind kann sich in der Spielecke mit anderen Kids vergnügen und ich fahre Rad mit anderen Müttern. Danach gehen wir beide gut gelaunt nach Hause. Ok, die Geschichte ist erfunden, basiert aber auf Erfahrungen in meinem Umfeld.
Seit Corona sind Plattformen wie Zwift, Rouvy und Co. fast jedem im Radsport ein Begriff. Smart-Trainer sind längst kein Nerd-Spielzeug mehr, sondern Teil des Radsport-Alltags. In eine Stunde kann man schon ein 30-Minuten-Workout inklusive Umziehen und Duschen quetschen: effizient und wetterunabhängig. Gerade im Winter braucht eine Radfahrt draußen deutlich mehr Zeit. Layer um Layer müssen angelegt werden. Bevor man die Wohnung verlässt, ist man schon schweißgebadet. Schon bald schlägt die Hitze in Frösteln um.
Ein weiterer Vorteil ist der Sicherheitsaspekt. Indoor kannst du deine Intervalle durchziehen, ohne auf den Verkehr achten zu müssen. Du musst nicht aufpassen, ob die Holzplanken rutschig oder einzelne Flächen vereist sind. Bonus: Du bist weder Blicken noch Kommentaren anderer ausgesetzt. Kurz: Auf dem Smarttrainer kannst du dein Training präzise steuern, ohne von zu vielen externen Faktoren beeinflusst zu werden.
Indoor-Cycling gilt also als die perfekte Lösung für alle, die Familie, Arbeit und Training unter einen Helm bringen wollen. Doch wer schon mal versucht hat, mit Kleinkind und Care-Arbeit den Smarttrainer anzuwerfen, weiß: So einfach ist es nicht. Auch wenn ein Training indoor effizient und effektiv ist, bedarf es dennoch Ruhe und den Freiraum dafür. Für Alleinerziehende nicht immer leicht zu jonglieren. Aber auch in Familien mit klassischer Rollenverteilung schwierig. Naja, und unter uns: Gerade bei viel Stress kann es auch für jede andere Person schwierig sein, Radfahren in den Alltag zu integrieren.
Wie sich das konkret anfühlt, weiß Linda Mutschlechner, Gründerin von Female Cycling Force und selbst Mama eines zweijährigen Kleinkindes: „Die Frau, die ich vorher war, die gibt es ja immer noch“. Das ist ein Grund, warum die Frauen-Radsport-Community in München auch Mom-Rides anbietet – ein ziemlich einzigartiges Angebot. Mütter kommen zu einer Zwift-Einheit ins Clubhaus und bringen ihre Kids mit, die von einer erfahrenen Person betreut werden. Die passt auf, dass die Kleinen nicht zwischen die Kurbeln laufen. Wer will, wird aber mal auf dem Lenker der Mama platziert. So können beide zusammen in die Zwift-Welt eintauchen.
Die Female Cycling Force will Mütter ermutigen, ihr Hobby zu leben. Erstmals wurden diese Indoor-Trainingssessions auf Smart Bikes im vergangenen Winter angeboten. Sie bringen eine ganze Reihe von Benefits mit sich. Linda zählt auf: Das Kind hat ein Spiel-Date und kommt so mit Gleichaltrigen in Kontakt. Zudem erlebt es, wie die eigene Mama ihren persönlichen Interessen nachgeht. Für die Frau sind da gleich mehrere Vorteile. Sie geht raus, sie trifft Gleichgesinnte und Freundinnen, sie quetscht ihre Self-Care-, aka Radeinheit, nicht irgendwie dazwischen, sondern räumt ihr einen festen Termin und damit mehr Wichtigkeit ein. Sie verliert nicht, wer sie war, bevor sie Mutter wurde. Stattdessen entsteht die Chance klassische Denkmuster aufzubrechen, nach denen Frauen – insbesondere Mütter – ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen, sobald Familie und Alltagsthemen Priorität haben.
An Gruppen-Workouts von Female Cycling Force können Frauen auf der ganzen Welt teilnehmen. Die entsprechende Chat-Funktion der gemeinsam genutzten Trainingsplattform Zwift wird immer gut genutzt. Über das virtuelle Radtraining ist bereits die ein oder andere neue Freundschaft entstanden. Diese Art des Indoor-Cyclings ist damit weit mehr als nur Training zwischen Job und Erschöpfung: Es ist gelebte Selbstfürsorge und Empowerment-Tool. Alles, was man dafür braucht, ist die richtige Community, ein Clubhaus und einen smarten Rollentrainer.