Wenn das Thermometer die 30-Grad-Marke knackt und der Asphalt flimmert, geraten nicht nur Hobbysportler ins Grübeln: Wie ist das mit Radfahren bei Hitze - trainieren oder lieber pausieren? Fakt ist: Bewegung bei hohen Temperaturen bringt den Kreislauf ordentlich ins Schwitzen und birgt Risiken. Aber ganz auf Sport verzichten? Auch keine Lösung. Wie man bei extremer Hitze sicher und sinnvoll trainieren kann erläutert das nachstehende Interview.
Radfahren bei Hitze – was passiert im schlimmsten Fall?
Der Körper versucht, die Temperatur zwischen etwa 36 und 37,5 Grad konstant zu halten. Bei längerer Belastung bei hohen Temperaturen gelingt das nicht mehr, auch wenn der Körper einiges dafür tut. So fließt zum Beispiel viel Energie allein in die Kühlung. Der Hauptkühlmechanismus ist das Schwitzen. Diese Verdunstungskälte benötigt übrigens Energie. Das heißt: Ein Liter Schweiß, der auf der Haut verdunstet, entzieht dem Körper ungefähr 580 Kilokalorien. Die Folge: Weniger Leistung kommt aufs Pedal. Natürlich ist dieser Prozess bei Sportlern sehr individuell – je nachdem, wie viel man schwitzt. Neben der Temperatur spielt auch die Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle.
Was sind klassische Symptome bei einer Überhitzung?
Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelkrämpfe oder ein signifikanter Leistungsabfall. Dann heißt es: sofort anhalten, Schatten suchen und viel Wasser trinken – idealerweise mit Elektrolyten. Kühle auf Stirn und Nacken hilft besonders. Bei Bewusstseinsstörungen ist meist eine Dehydration der Auslöser. Dann ist die Haut nicht schwitzig, sondern trocken und warm.
Es gibt den Mythos der Mittagshitze. Dabei ist es zwischen 16 und 17:30 Uhr oft am heißesten. Was belastet den Körper mehr: die direkte Sonneneinstrahlung am Mittag oder die höhere Luft-Temperatur am Nachmittag?
Direkte Sonneneinstrahlung erhöht die Hitzebelastung generell deutlich – besonders unangenehm, wenn die pralle Sonne direkt auf den Helm knallt.
Man hört immer wieder von Wasservergiftungen, also von Sportlern, die durch zu viel Wasser zusammenbrechen. Was passiert da?
Ich habe keine konkreten Zahlen, aber gefühlt geht jeder dieser Vorfälle durch die Presse. Ich persönlich habe das noch nie erlebt. Die Wahrscheinlichkeit ist gering – hier sprechen wir von mehreren Litern Wasser in sehr kurzer Zeit, ganz ohne Mineralstoffe. Bei einer Wasservergiftung sinkt der Natriumspiegel im Blut gefährlich ab. Die Zellen quellen auf, was besonders kritisch fürs Gehirn werden kann. Die Wahrscheinlichkeit einer Wasservergiftung ist im Vergleich zur Gefahr einer Dehydration minimal.
Wenn man während der Belastung einen Liter Wasser auf einmal trinkt, muss man sich also keine Sorgen machen?
Nein, aber während der Belastung mehrere kleine Mengen zu trinken, ist sicherer. So wird die Flüssigkeit gleichmäßiger über den Magen-Darm-Trakt verteilt und kann kontinuierlich aufgenommen werden. Im Sommer sollte man grundsätzlich mehr trinken. Auch wichtig: Während der Nacht verlieren wir im Schlaf bis zu einen Liter Flüssigkeit. Wer morgens nur mit einem Kaffee ins Training startet, belastet den Körper bereits mit einem Defizit. Daher am besten direkt nach dem Aufstehen ein großes Glas Wasser trinken – lauwarm geht es leichter runter.
Wenn die Sonne richtig brennt, reizt der Sprung in einen kalten See besonders. Viele haben dabei Bedenken – zu Recht?
Ja, definitiv. Es kann zu einem Schock kommen. Man muss sich das so vorstellen: Der Körper ist gerade im Hochleistungsmodus, um die Temperatur runterzufahren – wie eine Klimaanlage im Auto bei offenen Fenstern. Die Verdunstung des Schweißes auf der Haut ist das eine. Wenn man stark überhitzt ist, sind die Blutgefäße weit geöffnet, um Wärme abzugeben. Kaltes Wasser führt dann zu einem plötzlichen Zusammenziehen der Gefäße, sie verengen sich blitzschnell. Dan steigt der Blutdruck abrupt, das Herz muss gegen mehr Widerstand pumpen. Das kann zu Herzrhythmusstörungen oder einem Kreislaufkollaps führen.
Beim Sauna-Gang passiert aber doch Ähnliches? Extreme Hitze, Eisbad und wieder extreme Hitze.
Stimmt – doch das Herz-Kreislauf-System wird unterschiedlich belastet. Beim Sport arbeitet es auf Hochtouren: Der Puls ist erhöht, der Blutdruck schwankt, und das Blut wird in die Muskulatur umverteilt. Die Muskulatur produziert Milchsäure, die Stresshormone sind erhöht, der Sympathikus ist aktiviert. Der Körper ist auf Leistung programmiert – er hat eine Arbeitshyperthermie entwickelt. Kurzum: Die Erwärmung der Körperkerntemperatur kommt sozusagen von innen. Nach der Sauna ist der Puls zwar auch etwas erhöht, aber es handelt sich um eine passive Erwärmung von außen, meist mit nicht so hoher Körperkerntemperatur. Der Körper befindet sich in einem Zustand der Entspannung, nicht im Kampf-oder Flucht-Modus – also ohne besondere Sympathikus-Aktivierung. Das Herz ist belastet, aber in kontrollierter Weise, ohne zusätzliche metabolische Anforderungen.
Welche Fehler machen gerade Hobbyrennradler beim Sport in der Hitze?
Viele tragen zu viel oder zu enge Kleidung – oft auch in Schwarz. Das ist ungünstig, weil schwarze Stoffe die Sonnenstrahlen absorbieren und so noch mehr Hitze erzeugen. Zwar meiden viele die pralle Mittagssonne, fahren dann aber am Südhang auf aufgeheizten Passstraßen. Keine gute Idee.
Welche Tipps gibt es noch?
Kleine, salzige Snacks mitnehmen – wie Nüsse oder Salzstangen. Durch das Schwitzen verliert man schließlich Salze. Die Trinkflasche zur Hälfte mit Wasser füllen und ein paar Stunden vorher ins Eisfach stellen. Kurz vor dem Training mit frischem Wasser auffüllen – so hat man direkt ein kühles Getränk.
Oder man wickelt die Flasche in einen feuchten Merinosocken, hier spürt man die Verdunstungskälte. Manche Sportler reiben sich an Nacken und Unterarmen mit kühlendem Mentholgel ein – das verschafft kurzfristige Erleichterung.
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