Von einem Europameistertitel träumen viele. Vermutlich jedoch eher in klassischen Sportarten und nicht im Schrauben an Fahrrädern. Auch Steffen Hanel aus Leonberg hat nicht sein ganzes Leben von diesem Titel geträumt. Und nun kann er sich dennoch Europameister der Fahrradmechaniker nennen. Spätestens seit seiner Ausbildung zum Zweiradmechaniker bei Paul Lange & Co. hat er gemerkt, dass ihn vor allem seine Leidenschaft fürs Fahrrad besser im Schrauben macht als seine Mitstreiter. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Kammersieger, Landessieger und Deutsche Meister. Und jetzt auch auf europäischer Ebene der Triumph. Was ihm dieser bedeutet, was ihn bei dem Wettbewerb vor Probleme gestellt hat und wie man so gut wird, wie er, erzählt er uns im Gespräch.
TOUR: Du hast vor dem Wettkampf gesagt, dass es cool wäre, das Ding zu gewinnen. Jetzt hast du es tatsächlich gewonnen. Wie fühlt sich das an?
Steffen Hanel: Irgendwie ein bisschen surreal. Ich kann es noch nicht richtig glauben, dass das geklappt hat, aber ich bin natürlich sehr stolz.
TOUR: Gab es eine Siegprämie?
Steffen Hanel: Ja. Einer der Sponsoren war Velo de Ville, das ist ein ortansässiger Fahrradhersteller aus Münster und der hat einen Gutschein für eine Fahrradkonfiguration gestellt.
TOUR: Wie war die Stimmung vor Ort?
Steffen Hanel: Eigentlich ganz cool. Man hat versucht sich mit den anderen Teams auszutauschen. Mit dem einen Team ging das besser als mit dem anderen. Das lag vor allem an der Sprachbarriere, weswegen es teilweise nicht so möglich war, wie man es gerne gehabt hätte. Man konnte sich auch untereinander ganz gut helfen. Es war zwar schon Wettkampfatmosphäre, aber nicht so, dass man den Gegner mit bösen Blicken straft.
TOUR: Warst du vor Ort nervös?
Steffen Hanel: Vor den ersten beiden Stationen war ich schon ein bisschen nervös. Ab der dritten Station lag der Fokus dann aber mehr auf dem Arbeiten und die Nervosität ist in den Hintergrund gerückt.
TOUR: Was waren eure Aufgaben? Hatten sie diesmal mehr mit eurer alltäglichen Arbeit zu tun als beim Bundesentscheid?
Steffen Hanel: Stellenweise ja. Wir hatten beispielsweise von Hase Bikes ein Liegedreirad, bei dem hinten ein Differential getauscht werden musste. Das haben viele von uns noch nie gemacht, ist also keine alltägliche Aufgabe. Allerdings gehörten zu den Aufgaben auch eine Bosch E-Bike Diagnose und das Tauschen einer Magura Bremse von mechanisch auf hydraulisch inklusive Entlüften. Das sind dann doch Arbeiten, die im Alltag regelmäßiger vorkommen, was die ganze Sache einfach realistischer gemacht hat und wo die Abwechslung insgesamt gut war.
TOUR: Würdest du sagen, dass der Tausch des Differentials die schwerste Aufgabe war, weil du es noch nie gemacht hast?
Steffen Hanel: Nicht unbedingt. Man hatte eine relativ gute Anleitung dazu, sodass man irgendwo Anhaltspunkte hatte. Das ging dann schon ganz gut. Es war zwar eine Herausforderung, aber eine, die Spaß gemacht hat, einfach weil es etwas Neues war und nicht etwas, was man einmal im Jahr macht und dann nie wieder.
TOUR: Hattest du trotzdem eine Aufgabe, die dich vor besondere Probleme gestellt hat oder vor der du zumindest großen Respekt hattest?
Steffen Hanel: Ein weiterer Sponsor war DT Swiss und ich würde sagen Laufradbau ist ohnehin eine Kunst für sich. Für diese Aufgabe hatten wir relativ wenig Zeit – ich glaube nur eine halbe Stunde – in der Zeit musste ein Nabenservice, sprich Freilauf neu fetten und Lager tauschen, gemacht und ein ordentlicher Schlag zentriert werden. Ich würde sagen, das war mit die größte Herausforderung an der ganzen Nummer.
TOUR: Heißt das generell, dass die größte Herausforderung das Zeitlimit ist?
Steffen Hanel: Ja, genau.
TOUR: Hattest du auch Aufgaben, die dir besonders leicht gefallen sind?
Steffen Hanel: Durch meinen Ausbildungsbetrieb Paul Lange hatte ich viel mit Shimano zu tun. An einer Station ging es darum, eine 12-fach Di2 zu montieren und mit Software etc. einzustellen. Da würde ich behaupten, dass ich einen Vorteil hatte, einfach weil ich in der Ausbildung viel mit den Shimano-Produkten zu tun hatte und deshalb einen guten Überblick hatte, was ich tue und wie ich es tue. Dementsprechend lief die Station ganz gut.
TOUR: Hattest du eine Lieblingsaufgabe?
Steffen Hanel: Ich würde sagen, meine Lieblingsaufgabe von den sechs war der Differential-Tausch, weil es etwas Neues war und die Aufgabe Spaß gemacht hat.
TOUR: Du hast alle Aufgaben als Europameister solide gemeistert. War die Entscheidung dennoch knapp?
Steffen Hanel: Das kann man so oder so sehen. Ich glaube, der Zweitplatzierte hatte von 300 möglichen Punkten 234 und ich hatte 252 Punkte, also 18 mehr. Der Unterschied zwischen dem Zweiten und Dritten und dem Dritten und Vierten betrug meiner Meinung nach immer nur etwa 2 Punkte. Da war es schon ein bisschen knapper.
TOUR: Du hast beim letzten Mal gesagt, dass es vermutlich Einzel- und Teamwertungen geben würde. Hat sich das bestätigt?
Steffen Hanel: Nein, es gab doch keine Teamwertung, alles wurde individuell bewertet. Es gab zwei Deutsche, zwei Franzosen usw., die alle einzeln bewertet wurden.
TOUR: Habt ihr euch trotzdem untereinander ausgetauscht? Du hast ja schon gesagt, dass ihr euch mit den anderen Teams unterhalten habt.
Steffen Hanel: Auf jeden Fall habe ich mich mit meinem deutschen Kollegen Lennart ausgetauscht. Nach jeder Station haben wir uns Feedback gegeben über das, was nicht so gut lief oder wenn wir etwas über die anderen Teams wussten haben wir uns erzählt. Wie gesagt haben wir uns auch mit den anderen Teams ausgetauscht. Vielleicht haben wir nicht alle Tipps und Tricks weitergegeben, aber grob gesagt haben wir besprochen was bei einer Station dran kommt. Dadurch konnten wir uns darauf einstellen und noch einmal darüber nachdenken wie etwas funktioniert und was zu tun ist. Das hat definitiv geholfen.
TOUR: Das heißt, ihr wusstet schon vor der eigentlichen Aufgabe, was dran kommt und konntet euch davor nochmal austauschen?
Steffen Hanel: Prinzipiell waren die sechs Stationen geheim. Allerdings hat jedes Land an einer anderen Station gestartet. Dementsprechend konnte man schon ein bisschen was aus den anderen herauskitzeln.
TOUR: Durftet ihr während der Stationen kommunizieren oder musstet ihr still arbeiten?
Steffen Hanel: Man hatte wenig Zeit, um mit jemandem zu kommunizieren oder sich umzuschauen, was die anderen gerade machen. Dementsprechend nicht während der Aufgabe, sondern danach.
TOUR: Du hast im letzten Interview gesagt, dass das Konzept dieser Wettbewerbe teils kritisch betrachtet werden könnte, da es eher darum geht, wer der beste Schrauber unter Zeitdruck ist und nicht generell der Beste. Glaubst du, dass du auch Europameister geworden wärst, wenn es kein Zeitlimit geben würde?
Steffen Hanel: Das ist tatsächlich eine gute Frage. Ich hätte zumindest mehr Zeit gehabt mir Gedanken zu machen über das Beste was ich kann und ich denke auch dass ich dann eine ganz gute Chance gehabt hätte.
TOUR: Da war also keiner dabei, der total gut war aber einfach zu viel Zeit für seine Aufgaben gebraucht hat?
Steffen Hanel: Das kann ich nicht beurteilen da ich die anderen nicht so gut kennengelernt habe und wir nicht so viel Zeit hatten um uns umzuschauen und zu schauen was die anderen gerade machen.
TOUR: Kannst du trotzdem beurteilen, was du besser kannst als die anderen?
Steffen Hanel: Vielleicht bin ich ein Stück perfektionistischer als der Rest. Sonst wüsste ich nicht, woher die Punkte kommen. ;-)
TOUR: Wie wird man so gut wie du?
Steffen Hanel: Man muss seinen Job lieben und mit Herz dabei sein. Auch in der Freizeit habe ich mich neben der Ausbildung viel mit dem Thema beschäftigt, einfach weil es mich privat sehr interessiert hat und ich glaube, das ist dann einer der Gründe, warum es so gut lief.
TOUR: Lernst du manche Sachen extra noch einmal in deiner Freizeit, sodass du in diese Prüfungssituation mit einem gewissen Hintergrundwissen gehst?
Steffen Hanel: Ich schaue mir schon viele Sachen dazu im Internet an, beispielsweise Videos zu Neuheiten mit technischen Erklärungen vom Hersteller.
TOUR: Würdest du sagen, dass du kein besonderes Talent hast, sondern einfach nur eine große Leidenschaft?
Steffen Hanel: Genau, also vielleicht doch ein bisschen Talent (lacht).
TOUR: Wie kommt dieses Talent zum Ausdruck?
Steffen Hanel: Vielleicht dadurch, dass ich die Dinge, die ich mache von Natur aus gut kann und wenn ich mich noch ein bisschen anstrenge, wird es sehr gut.
TOUR: Wie geht es jetzt für dich weiter? Bringt dich der Europameistertitel beruflich nach vorne?
Steffen Hanel: Ich hoffe! Ich denke nicht, dass das eine schlechte Qualifikation im Lebenslauf darstellt. Aber ich bin erst einmal weiterhin in meinem Betrieb, wo ich auch sehr zufrieden bin. Und wenn ich meinen Meister habe, muss ich mich sowieso noch einmal umschauen. Ich denke jedoch, dass sich der Titel dann als guter Punkt im Lebenslauf darstellen lässt.
TOUR: Was möchtest du noch beruflich erreichen?
Steffen Hanel: Auf jeden Fall möchte ich mehr Verantwortung übernehmen, vielleicht sogar für den ein oder anderen Auszubildenden. Mein Wissen weitergeben und die gesamte Branche stärken ist mein Ziel.