Anfang der 70er verkaufte Paul Lange noch an den Großhandel. Der begegnete allerdings der Einführung der Dura-Ace auf der IFMA in Köln 1973 mit einem “Brauchen wir nicht”. Die Japaner wiederum erwarteten von Paul Lange den Verkauf von 1000 Schaltgruppen. Das war letztendlich die Initialzündung für die Umstellung des Vertriebsmodells: Paul Lange wandte sich direkt an den Handel, der ihm die Dura-Ace aus den Händen riss. Es war eine Alternative zu Campa und das – ohne Zwischenhändler – zu einem starken Preis. Weitere Meilensteine für Bernhard: die Einführung des SIS “plötzlich konnte man immer schalten – am Berg, unter Last…”, die Einführung des Bremsschalthebels und 2009 die Di2.
TOUR: Bernhard, inwiefern bist du deinen Eltern für ihre Berufswahl dankbar?
Bernhard Lange: Dankbar ist überhaupt kein Ausdruck. Auch wenn mein erster Berufswunsch tatsächlich Pilot gewesen wäre. Meine Eltern haben mich nicht ins Unternehmen gedrängt, aber die Leidenschaft für das Fahrrad war immer da – und auch das Gefühl, dass da noch ganz viel Bewegung möglich ist. 1983, mit 23 Jahren, durfte ich meine Ausbildung in Japan beginnen und war begeistert.
TOUR: Wie definierst du die Beziehung zwischen der Familie Shimano und der Familie Lange?
Bernhard Lange: Shozo Shimano, Sohn des Gründers, und mein Vater haben sich gesucht und gefunden. Sie kamen menschlich unglaublich gut miteinander aus und hatten beide diesen Blick nach vorne. Sie wollten Shimano voranbringen. Vielleicht sind die deutschen Tugenden den japanischen nicht so fern: Was man sagt, wird getan. Und man ist integer. Die Zusammenarbeit wird nicht infrage gestellt. Man geht gemeinsam durch dick und dünn.
TOUR: Du warst etwa zwei Jahre in Japan bei Shimano …
Bernhard Lange: Ich war 18 Monate in Japan und anschließend in den USA. Später kamen dann auch Kinder aus der Familie Shimano nach Deutschland. Mein Sohn Paul-César, heute CSO unseres Unternehmens, war 2013 wiederum für zwei Jahre in Japan und kam mit einer japanischen Frau nach Deutschland zurück.
TOUR: Und wie war früher deine Einstellung zu elektronischen Schaltungen?
Bernhard Lange: Ich war ein kompletter Verfechter der mechanischen Schaltung – bis ich eine Shimano Di2 bekam. Das war dann Freude pur. Auch wenn ich alte Räder liebe, manchen Dingen sollte man sich nicht verschließen, sie bringen einfach zu viel Spaß.
TOUR: Dein Engagement in Sachen Fahrrad-Infrastruktur reicht über den Wald hinaus …
Bernhard Lange: Wir brauchen den Mobilitätswandel, das ist absolut klar. Die Politik muss jetzt agieren. Ganz ehrlich: Ich will nicht mehr geduldig sein, ich will nicht mehr warten. Wir müssen das gemeinschaftlich und überparteilich beschleunigen. Wenn wir von Krisenzeiten in der Branche sprechen, dann führt der Weg heraus zentral auch über die Schaffung von Infrastruktur. Uns muss das Recht gegeben werden, mit dem Rad sicher von A nach B fahren zu können.
Wenn wir von Krisenzeiten [...] sprechen, dann führt der Weg heraus zentral über die Schaffung von Infrastruktur.
TOUR: Werden wir zum 80-jährigen Bestehen von Paul Lange erneut mit Bernhard Lange sprechen können?
Bernhard Lange: Mit der Jugend könntest du heute schon sprechen … In den nächsten zwei, drei Jahren werden wir eine neue Geschäftsleitung haben. Mein Sohn Paul-César ist bereits im Unternehmen, genauso wie zwei Söhne meiner Schwester.
TOUR: Was wird ein Bernhard Lange nach 35 Jahren CEO-Rolle machen?
Bernhard Lange: Ich kann mir sehr gut vorstellen, wesentlich mehr Rad zu fahren. Meine Frau und ich, wir reisen gerne. Und ich trinke gerne entspannt ein Glas Wein.
1949 beginnen Paul und Fernanda Lange in Stuttgart mit dem Vertrieb von Fahrradteilen und werden zum ersten europäischen Agenten einer bis dato unbekannten Marke aus Japan: Shimano. Sohn Bernhard Lange führt das Unternehmen seit 1989, ist einer der Antreiber der Branche, Vorkämpfer der Mobilitätswende und Träger des Bundesverdienstkreuzes.