Mit dem Radfahren hat Anke Eberhardt eigentlich schon 2006 begonnen, mit dem zu großen Mountainbike ihres damaligen Freundes. Wegen zu viel Angst vor Trails landete das Ding allerdings schnell im Keller. Räder waren abgehakt, bis sie 2018 für einen Magazin-Artikel ein Gravelbike testete – und angefixt war. Gleichzeitig sah sie sich aber auch mit all den Themen konfrontiert, die diejenigen kennen, die schon am selben Punkt standen. Welche Pedale sind die richtigen? Wie repariere ich einen Platten? Was ziehe ich an? Wie plane ich Routen, und, und, und. Schnell stellte sie fest, dass es bei all den Tutorials in der großen weiten YouTube-Welt eines nicht gab: Anfängerfreundliche Anleitungen und Erklärungen, die auch verständlich sind, wenn man die Fachbegriffe noch nicht kennt. Als dann während des Fahrrad-Booms in der Corona-Pandemie 2020 ein Hilfeschrei nach dem anderen in ihr Postfach flatterte, war die Idee geboren, diese Lücke zu schließen.
Gesagt, getan. Seit 2021 taucht sie tief in verschiedene Themen ein und verpackt sie professionell und mit einer Prise Witz. Dabei können nicht nur blutige Anfänger jede Menge lernen, sondern auch eingefleischte Radfahrer etwas mitnehmen – und wenn’s der unterhaltsam aufgefrischte Abgleich mit dem eigenen Wissensstand ist.
TOUR Auf Instagram zeichnest Du ein spezielles Bild von Dir. Dass das ironisch gemeint ist, wird nicht immer verstanden und kann abschreckend wirken. Ich werfe mal die Worte „überheblich“ und „arrogant“ in den Raum. Wie ist die Kunstfigur „Anke is Awesome“ überhaupt enstanden?
Anke Eberhardt: Instagram hat ja ursprünglich als Parodie angefangen. Den Account habe ich mir beim Stalken meines Exfreunds aus Versehen eingerichtet. Dann habe ich angefangen, Witze zu machen, dass ich zur nächsten Kardashian berufen bin. Ich habe mich schon mit hundert Followern „Influencer“ genannt. Dabei hasse ich Social Media, und die Selbstdarstellung ist mir total zuwider. „Anke is Awesome“ ist ja schon ein Scherz, weil sich online jeder als so großartig darstellt. Ich bin nie davon ausgegangen, dass das jemand ernst nimmt, weil alles so übertrieben ist. Aber je größer der Account wurde, desto weniger wurden Witze über absurdes Product Placement hinterfragt. Das ist schon ein Zeichen dafür, wie absurd das Internet ist, weil solche Selbstbeweihräucherung schon als völlig normal angesehen wird. Die Leute, die schon etwas länger dabei sind, feiern meinen Wahnsinn aber zum Glück sehr. Normal kann ja jeder!
Wie kam denn da das Thema Gravelbiken dazu?
Anke Eberhardt: Ich habe als Journalistin viel fürs Bergwelten-Magazin geschrieben und wurde 2018 in einer Redaktionssitzung gefragt, ob ich nicht einen Artikel über Gravelbikes schreiben will. Ich so: „Ja klar! Wollte ich schon immer mal machen!“ Und bin rausgegangen und musste erst einmal googeln, was ein Gravelbike ist. Aber nach dem Shooting war ich total angefixt. Ich hatte mir 2017 beim Snowboarden das Kreuzband gerissen und konnte erst einmal keinen Sport machen. Das war total furchtbar für mich, weil eigentlich alles, was mich glücklich macht, mit Aktivität zu tun hat. Radfahren war das erste, was mit meinem Knie wieder ging und bis heute geht. Mein Gravelbike hat mich wirklich gerettet. Und das meine ich ohne Übertreibung: Ohne mein Rad wäre ich wahrscheinlich verrückt geworden. Also noch verrückter.
Ich bin ein extrem verkopfter Mensch und Radfahren schafft es, mir den Kopf frei zu machen. - Anke Eberhardt aka Anke is Awesome
Was bedeutet Gravelbiken für Dich?
Anke Eberhardt: Es hört sich immer so klischeehaft an, wenn man bei Hobbys von Freiheit spricht. Die Kombination aus körperlicher Anstrengung, Geschwindigkeit, draußen sein und Naturerlebnis macht es für mich aus. Nach ein paar Minuten auf dem Rad habe ich das Gefühl, dass mein Körper versteht: „Ah, sie tut es wieder.“ Und dann kommt dieser Punkt, wenn man einfach nur noch tritt, atmet, rauf, runter, der Wind, die Landschaft, und irgendwann ist alles andere egal. Ich bin ein extrem verkopfter Mensch und Radfahren schafft es, mir den Kopf frei zu machen. Obwohl ich mein Rennrad inzwischen auch liebe, ist das Gravelbike immer die erste Wahl, weil ich spontan nach rechts oder links abbiegen kann, ohne zu wissen, was kommt. Hört sich jetzt doch wieder ein bisschen nach Freiheit an ...
Hast Du eine Lieblings-Graveltour?
Anke Eberhardt: Das wechselt je nach Tag. Manchmal bin ich der glücklichste Mensch, wenn ich nur 30 Kilometer flach neben der Loisach entlang rolle. Und manchmal will ich mir 100 Kilometer in die Beine treten und ordentlich Höhenmeter machen. Das ist einer der Gründe, warum ich Radfahren so liebe: Weil man mit ein und demselben Sportgerät sowohl entspannt tuckern als auch richtig Gas geben kann. Ich bin ja vor ein paar Jahren nach Garmisch gezogen, da geht zum Glück beides.
Name: Anke Eberhardt
Geboren 1.10.1981 in Stuttgart
Beruf: Journalistin, u.a. beim Pleasure Snowboard Magazin, Gründerin von Pleasure Girls Special, hat für GEO Saison geschrieben. Sie war Chefredakteurin für das Mode-und DIY-Magazin CUT sowie für das Frauen-Wirtschaftsmagazin „Plan W“ der Süddeutschen Zeitung.
Fährt Gravelbike seit 2018
Instagram / YouTube: @anke_is_awesome / @AnkeisAwesome
Auf Strava und in den Sozialen Medien wird oft ein Bild gezeichnet, das ein „Höher, Schneller, Weiter“ beinhaltet. Was sagst Du dazu?
Anke Eberhardt: Ich finde das extrem problematisch. Nicht, weil ich sportliche Leistungen nicht wertschätze. Ich habe viele Freunde, die Ultra-Rennen fahren und bin begeisterte Dotwatcherin (Dotwatcher ist eine Internet-Plattform für die Berichterstattung über Ultracycling-Veranstaltungen, die heißt so, weil sich die Punkte der Athleten und Athletinnen auf einer Karte verfolgen lassen, Anm. d. Red.). Was diese Leute tun, verdient größte Anerkennung! Aber auf Social Media wird oft suggeriert, dass man kein „richtiger“ Radfahrer ist, wenn man keine Höchstleistungen bringt, und das sehe ich anders. Für mich zählt der Spaß, den man dabei hat. Das heißt nicht, dass man sich nicht herausfordern soll. Und wenn Höchstleistungen andere motivieren, ist das toll. Aber wenn das Ergebnis ist, dass man sich schlecht fühlt, wenn man nicht jeden Morgen vor dem Frühstück schon die Alpen überquert hat, ist es kontraproduktiv.
Nicht jeder hat die körperlichen Voraussetzungen, die Zeit oder auch das Geld, um exzessiv Rad zu fahren. Und die Glorifizierung von Schmerz ist gerade für mich schwierig, weil ich seit mehr als acht Jahren chronische Knie- und Rückenschmerzen habe. Aktuell liegt meine Kraftverteilung bei 70 zu 30 Prozent im Vergleich vom linken zum rechten Bein. Mir tut bei jeder Tour mein Körper weh. Und in Internet-Kommentaren werde ich von fremden Männern als „Sonntagsfahrerin“ beschimpft. Ich finde: Jeder und jede soll so fahren, wie er oder sie kann oder möchte. Für mich gewinnt, wer den meisten Spaß auf dem Rad hat!
In deinen „How to fahrRad“-Tutorials auf YouTube erklärst Du viele verschiedene Themen rund ums Fahrradfahren. Gibt es nicht schon genug Videos zum Schlauchwechsel?
Anke Eberhardt: Genau das haben mir viele Leute gesagt, als ich die Idee hatte. Aber Tutorials wurden bisher von Leuten gemacht, die sich auskennen, Mechaniker, die schon drölfzigtausendmal einen Schlauch gewechselt haben und gar nicht mehr merken, was daran schwer ist. Ich war jedes Mal verzweifelt, wenn ich selber ein Problem hatte und fünf verschiedene Videos schauen musste, bis ich es selber hinbekommen habe. Deswegen sage ich auch immer: Meine Kernkompetenz ist die Inkompetenz. Mein Anspruch ist, dass bei meinen Tutorials auch der blutigste Anfänger durchblickt und selbst für den Nerd noch neue Infos dabei sind. Wobei das für mich echt qualvoll ist. Ich starte ja von Null und recherchiere mich dann hoch bis zum Profi, spreche mit zig Experten und befrage Hersteller, um komplexe Themen wie Ernährung oder Aerodynamik dann wieder auf das Wichtigste herunterzubrechen. Teilweise recherchiere ich Monate an einem Video und sterbe dann innerlich vor jeder Veröffentlichung, weil ich Angst davor habe, in den Kommentaren zerrissen zu werden.
Dabei sind die Kommentare ja meist positiv.
Anke Eberhardt: Zum Glück! Nach der ersten Staffel ist mir erst klar geworden, dass das auch richtig nach hinten hätte losgehen können. Ich war vorher nicht auf YouTube und dachte, ich lade die Videos hoch und fertig. Ich habe total unterschätzt, was für Aufmerksamkeit die Serie erzeugt. Und ich weiß schon, dass es nach außen anders wirkt, aber es ging mir nie darum, mich als Person in den Mittelpunkt zu stellen. Die Machart soll die Inhalte transportieren und dafür habe ich Humor genutzt, damit die Leute bei 30 Minuten Reifendruck-Tutorial nicht abschalten. Aber inzwischen werde ich so oft erkannt, von Malle bis Toskana. Bei allen Witzen über den „Fame“ war das nie mein Ziel. Wenn mir Leute schreiben, dass sie meinetwegen mit dem Radfahren angefangen haben, oder ein Video sie bei einer Panne gerettet hat, ist das das Einzige, was zählt.
Wie lauten Deine drei wichtigsten Tipps für Radsport-Anfängerinnen und -Anfänger?
Anke Eberhardt: Erstens: Einfach machen. Es ist völlig normal, am Anfang überfordert zu sein. Radfahren erfordert eine massive Bandbreite an Wissen: Technik am Rad, Fahrtechnik, Training und Ernährung, Routenplanung ... Am Anfang fühlt man sich, als fahre man gegen eine Wand! Aber davon darf man sich nicht abschrecken lassen: Einfach mal losfahren, in der Praxis schauen, was für einen persönlich wichtig ist und dann Stück für Stück reinfuchsen – oder auch nicht. Man muss auch nicht alles wissen. Und für den Einstieg gibt’s meine Tutorials.
Zweitens: Sich nicht vergleichen. Radfahren ist das, was du draus machst. Egal, was dir ein Radhersteller, eine Klamottenfirma oder irgendeine Bikefluencerin wie ich erzählen will. Wenn du dich dafür entscheidest, im Hawaiihemd Gravel-Tandem zu fahren, ist das ganz wunderbar.
Und mein dritter Tipp lautet: Mehr essen. Der größte Anfängerfehler ist, unterwegs nicht genug zu essen. Ich dachte immer, ich hätte keine Kondition. Aber Radfahren verbraucht unglaublich viel Energie. Wer nicht auftankt, macht schlapp. Das gilt nicht nur für Leute, die Rennen fahren. Auch wenn man keine sportlichen Ambitionen hat: Man schafft es dann auch zum weiter entfernten See und hat schlichtweg mehr Spaß!
Der Einstieg in die Fahrradwelt ist trotzdem nicht einfach. Beispiel: Die Style-Polizei lauert mit scharfen Augen hinter der nächsten Kurve, um zu beurteilen: falsche Socken, falsche Fahrradmarke, falsche Schuhe. Ein Weiteres: Kommentare in den Sozialen Medien, in denen es jemand besser weiß. Du exponierst Dich als „Anke is Awesome“ extrem. Wie gehst Du damit um?
Anke Eberhardt: Ich bin nicht fürs Internet gemacht und leide wirklich unter jedem negativen Kommentar. Am Anfang habe ich versucht, mich zu erklären und zu rechtfertigen. Inzwischen habe ich aufgegeben zu glauben, dass man Menschen verändern kann. Mein Ansatz ist jetzt radikale Empathie: Wenn es jemand nötig hat, wegen der Leistung oder des Equipments auf andere herabzuschauen, sollte man eher Mitleid haben als sich davon ärgern zu lassen. „Die“ Fahrrad-Community gibt es ja nicht. Das ist auch etwas Positives an einem Breitensport wie Radfahren: dass sich innerhalb dessen wieder Nischen bilden. Gravel, Road, Mountainbike, Touring, Bikepacking, Ultra-Rennen, Sonntagsfahrer, Blutschwitzer, hohe Socken, enge Jerseys, Birkenstocks oder Hawaiihemd: Es gibt für jeden Geschmack einen Mikrokosmos. Ich mag zum Beispiel Events wie das „Gravel Fest“ bei mir in der Zugspitz-Region oder „Into The Wold“ im Bregenzerwald. Da ist die Atmosphäre total entspannt und man trifft immer gute Leute, die einfach Bock auf Graveln haben – egal wie lang die Socken sind. Und: Am Ende sollte man das Handy wirklich lieber öfter mal weglegen für mehr echtes Leben. Ich bin der glücklichste Mensch, wenn ich auf dem Rad bin und mein Telefon im Flugmodus ist.
Süß oder salzig?
Erst salzig, dann süß
Waldautobahn oder Singletrail?
Waldautobahn und alles bis S0, maximal S1, sonst mach ich mir in die Hose
Morgens oder abends?
Abends. Der frühe Vogel kann mich mal.
SRAM oder Shimano?
Shimano! #werbung
Introvertiert oder extrovertiert?
Extrovertierte Introvertierte (Stichwort: Me time)
Solo oder Groupride?
Solo
Hund oder Katze?
Crazy Cat Lady!