Sandra Schuberth
· 19.09.2022
Badlands ist ein Gravel-Rennen über 780 Kilometer mit 15.000 Höhenmetern. Sebastian Breuer ist angetreten, um zu gewinnen. Wir sprachen mit ihm über Training, Schlafentzug und flüssige Schokoriegel.
Das Ultracycling-Gravelrennen Badlands im Süden Spaniens gilt nicht nur wegen der starken Konkurrenz, sondern auch wegen der großen Hitze (2021 waren es bis zu 50°C) als sehr hart.
So beschreiben die Veranstalter das Event auf ihrer Website:
Unsupported Ultracycling Gravel on the Edge of Europe - Ein Ultralangdistanz Gravelrennen ohne Unterstützung von außen am Rande Europas
Los ging es am 4. September 2022 um 8 Uhr morgens in Granada. Von dort aus führte die Route zunächst nach Nordosten. In der Wüste von Gorafe war eine Schleife von etwa 110 Kilometern zu absolvieren.
Bald folgte eine 120 Kilometer Durststrecke - 120 Kilometer ohne eine Möglichkeit, Essen oder Wasser aufzufüllen. Hier ist gute Planung im Vorfeld besonders wichtig. Schon kurz darauf wartete die Wüste von Tabernas auf die Teilnehmenden.
Ein trockenes Flussbett mit grobem Sand hatte schon vor dem Start vielen Teilnehmenden großen Respekt eingeflößt: 9 Kilometer Sand, hieß das 9 Kilometer schieben? Die kurze Antwort lautet “Für einige ja, für andere nicht”. In Richtung Meer wurde das Höhenprofil flacher, das hieß jedoch nicht, dass man schneller voran kam. Im Gegenteil. Einer Achterbahnfahrt gleich führte die Route zwischen unzähligen Gewächshäusern hindurch. Überall lag Plastikfolie. Beim nächsten Tomatenkauf wird dreimal überlegt, ob dieser wirklich sein muss oder ob regional und saisonal nicht die bessere Wahl darstellt.
Bis Almeria ging es an der Küste entlang, überwiegend auf dem Eurovelo 8, welcher auch mal über den Strand führte. Dass der flache Küstenabschnitt nun vorbei ist, merkte man schon in Almeria. Und liegt die Stadtgrenze erst einmal hinter einem, befand man sich auch schon in einem steilen und steinigen Anstieg, vielleicht der anspruchsvollste, jedenfalls der technischste Anstieg des gesamten Rennens.
Die letzten Kilometer waren asphaltlastiger, das hieß aber nicht, dass es rollte. Steile Rampen forderten die letzten Körner. Aber mit jedem Meter kam das Ziel näher. Nach einer kurzen Tragepassage konnten die Teilnehmenden schließlich die letzte Abfahrt genießen und sich im Ziel gebührend feiern lassen.
Als erstes erreichte Sebastian Breuer die Ziellinie in Capileira nach 43 Stunden und 36 Minuten. Sein Plan ging auf. Nach kurzem Feiern gab er sich der Müdigkeit hin.
Wer ist Sebastian Breuer? Details zu seiner Arbeit, Kaffee, Mountainbike und Bikepacking lesen Sie nach dem Interview.
Hi Sebastian, dein Sieg vom Badlands ist nun schon ein paar Tage her. Fühlst du dich mittlerweile erholt?
Ja, schon. Körperlich ist alles wieder gut. Mental ist noch eine gewisse Leere da. Gleichzeitig wollen viele Leute etwas von mir. Diese Anerkennung ist toll, ich genieße es. Gleichzeitig kostet es auch Kraft und Zeit.
Wie kommt man dazu, bei solchen unsupported Bikepacking-Rennen teilzunehmen? Genauer, wie kommst Du dazu?
Wir haben es ja schon angerissen. Mich lockte die Lust, Neues zu entdecken. Ich unternehme mindestens einmal im Jahr eine längere Radreise, etwa 1500 bis 2000 Kilometer. Durch meinen neuen Job bei Schwalbe, viele weitere Baustellen und meine Ziele, das Transcontinental Race und kurz darauf Badlands zu fahren, hatte ich dieses Jahr leider keine Zeit dafür. Bei Radreisen sieht man so viel mehr, man kommt zur Ruhe, ist aus dem Alltag raus. Ich brauche einen bis maximal drei Tage, um in den Flow und die Tiefenentspannung reinzukommen. Dabei sind meine Etappen mit 200 bis 250 Kilometern meist recht lang.
Warum Bikepacking-Rennen? Weil ich auch diese Art der Herausforderung suche. Sowohl Rennen als auch Reisen habe ich bisher allein unternommen. Ich würde beides auch super gern mal gemeinsam probieren. Dafür brauche ich eine Person, die sich auf einem ähnlichen Leistungsniveau wie ich befindet, damit es für beide gut wird.
Du warst letztes Jahr schon beim Badlands dabei. Da hast du abgebrochen. Woran lag das?
Ich bin gestartet, allerdings ohne jegliche Vorbereitung. Die Deutsche Meisterschaft im Oktober war das Ziel. Badlands war vier Wochen vorher und meinem Trainer hat das eigentlich nicht so 100 Prozent gepasst. Ich wollte es trotzdem unbedingt probieren. Am Start waren viele krasse Namen dabei: Mattia De Marchi, Ulrich Bartholmös, Paul Voss, um einige zu nennen. Dementsprechend sind wir die ersten vier bis fünf Stunden ein so krasses Radrennen gefahren. Ab Gorafe waren wir zu zweit vorne. Kurz vor Gor wurde ich von einem Insekt gestochen. Ich bin auf Wespen allergisch, das kann auch lebensbedrohlich werden. Ich habe dementsprechend immer einen EpiPen dabei (Anm. der Redaktion: zur Notfallbehandlung bei schweren allergischen Reaktionen). Auch auf Bienen reagiert mein Körper, aber nicht ganz so extrem. Nach dem Stich hat mir der Kreislauf zu schaffen gemacht. Das gepaart mit dem Rennen, was wir uns in den ersten Stunden geliefert haben, war zu viel und ich habe abgebrochen. In dem Moment habe ich mir vorgenommen, das Rennen im kommenden Jahr zu gewinnen. Das hat mich für meine Vorbereitung extrem motiviert.
Ich war bei euch in der vorübergehenden Schwalbe-Außenstelle in Granada untergebracht und konnte Einblicke in die unmittelbare Renn-Vorbereitung von dir, Cynthia Frazier und Chris Hall bekommen. Schon zwei Tage vor dem Rennen wirktest du sehr fokussiert und kaum ansprechbar. Was ging dir durch den Kopf?
Zum einen habe ich diese fokussierte Art gelernt, ich schotte mich dann komplett ab, um Ablenkungen zu minimieren. Ich fahre auch immer ohne meine Frau oder meinen Hund zu Rennen, um nicht abgelenkt zu sein. Bei Badlands wurde mein Hinflug gecancelt. Das heißt, ich hatte im Vorfeld den mega Stress. Also habe ich versucht, die Gedanken wieder in Richtung Rennen zu leiten. Habe ich alles? Habe ich alles durchdacht? Sind alle Schrauben fest? Passt der Luftdruck? Brauche ich die Windjacke oder reicht eine Weste? Habe ich mein Bargeld dabei? Auch habe ich mir nochmal meine Rennstrategie verinnerlicht.
Wie sah deine Strategie für Badlands aus?
Mein Rennen fahren und nicht ablenken lassen, egal, wie schnell die anderen fahren. Ich wusste, wie viel Watt ich auf Dauer fahren kann und ich wusste, wie viel ich essen muss.
Hast du zwischendurch auf’s Livetracking geschaut?
Hin und wieder ja, besonders gegen Ende des Rennens. Ich wollte wissen, ob mir noch jemand gefährlich werden kann.
Badlands war dein Jahreshöhepunkt. Inwiefern unterschied sich dein Training zum Training für “normale” Tagesrennen?
Mein Trainer Lukas Löer legt schon viel Wert auf die Schwellenwerte. Es standen viele 30:30, 40:20-Intervalle auf meinem Plan - 30 bzw. 40 Sekunden Belastung im Wechsel mit 30 bzw. 20 Sekunden locker. Zwischendrin haben wir auch lange Einheiten gemacht - bis zu 9 Stunden. Es war im Prinzip ein Wechselspiel zwischen kurzen und knackigen und sehr langen Grundlagenausdauereinheiten. Der Unterschied zur Vorbereitung auf ein Tagesrennen lag besonders bei der Länge der Ausdauereinheiten.
Hast du dich auf die bevorstehende Hitze beim Rennen vorbereitet?
Ja. Ich habe versucht, so oft ich konnte, in die Sauna zu gehen. Im heißen Sommer habe ich versucht, eher in der Mittagshitze Rad zu fahren statt in den kühleren Morgen- oder Abendstunden. Ab und an bin ich auch in eine heiße Badewanne gestiegen.
Du hattest nicht viel dabei. Was befand sich in deinen Taschen?
Riegel und Snickers, Getränkepulver, gesalzene Nüsse, ein bis zwei belegte Brote, ein Multitool, Tubelessflicken, Schwalbe-SOS-Pumpe, CO2-Kartusche, 2 Schläuche und ein paar Kabelbinder.
Wie isst man Snickers bei 35°C?
Man muss sie aus der Packung rauszutschen. Normal vermeide ich Palmöl. Für mich war das schon hart an der Grenze mit den ganzen Schokoriegeln und der Cola. Ich finde Cola eigentlich echt eklig. Leider gab es keine Vanilla Coke, die mag ich etwas lieber.
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Thema Spaß: Was würdest du sagen, wie viel Prozent der Zeit hattest du Spaß?
Tatsächlich doch recht viel: 80 Prozent Spaß, 20 Prozent eher nicht. Am Ende war es eine richtige Quälerei, der steile Anstieg nach Almeria war auch nicht gut. Danach hab ich mich aber wieder erholt. Aber die letzten 60 Kilometer - die waren eine richtige Tortur.
Wie motivierst du dich, in den 20 Prozent, in denen es mehr Qual als alles andere war?
Wenn es richtig schwer ist, führe ich mir immer wieder mein Ziel vor Augen. Für mich war das Ziel, Badlands zu gewinnen. Dafür habe ich auch lange trainiert. Dementsprechend half mir das in den richtig schweren Momenten - nicht nur im Rennen, auch vorher schon in den richtig schweren Trainingsmomenten. Also dann, wenn ich bei Regen trainieren musste oder das Training super hart war.
Du hast während des Rennens nicht geschlafen. Wie macht sich der Schlafentzug bei dir bemerkbar?
Ich habe ein bisschen Halluziniert. Manchmal habe ich einfach lustige Sachen gesehen. Man sieht etwas, von dem man weiß, dass es nicht da ist. Zum Beispiel habe ich Katzen gesehen, wo eigentlich nur Blätter lagen.
Hast du dir vorher vorgenommen: “Wenn ich mich so fühle, dann mache ich einen Powernap”?
Sobald ich das Gefühl habe, ich drifte in Richtung Sekundenschlaf, dann halte ich an. Das habe ich auch meiner Frau versprochen. Es ist alles Sport, aber es soll keine Lebensgefahr darstellen. Das ist es auf keinen Fall wert.
Gesetzt den Fall jemand hat jetzt vor, das erste Mal an einem Unsupported Bikepacking-Rennen teilzunehmen, welche drei Tipps gibst du auf den Weg?
Was kommt jetzt?
Als nächstes steht die Gravel-WM am 8./9. Oktober an. Mitte November geht es hoffentlich nach Chile zum Across Andes. Mein Highlight 2023 wird das Atlas Mountain Race werden.
Sebastian Breuer ist als Liaison Manager bei Schwalbe verantwortlich für die Beziehungen zu Athletinnen und Athleten. Zusätzlich betreibt er gemeinsam mit seiner Frau das kleines Kaffee-Label Lenas Coffee Brand, denn guter Kaffee und gute Lebensmittel bereichern sein Leben täglich. “Snickers und Cola esse und trinke ich eigentlich nie, anders war es beim Badlands” erklärt er, “mir wird jetzt noch schlecht, wenn ich daran denke, ein flüssiges Snickers aus der Packung zu zutschen”.
2005 begann seine Radfahrlaufbahn in der U17. “Anfangs hatte ich keinerlei Chancen und war nach der ersten Runde direkt abgehängt” beschreibt der 32-jährige seine ersten Rennerfahrungen. Das habe ihm jedoch nicht den Spaß genommen und er ist beim Radsport geblieben. In der U23 bestritt er als Teammitglied des MLP-Radteams viele internationale Rennen bis er 2012 schließlich zum Mountainbike wechselte. Grund war, dass hier mehr Action und Abenteuer warteten und die Teamstrukturen weniger eng waren. Auch auf dem MTB hat er klein angefangen mit regionalen Wettkämpfen. Im Jahr 2016 startete er schließlich erstmals für die deutsche Nationalmannschaft bei der MTB-Marathon-Weltmeisterschaft in Frankreich. Insgesamt durfte er vier Mal für die Nationalmannschaft an den Start gehen. Dabei hatte er immer ein großes Ziel im Hinterkopf: Einmal Deutscher Meister werden. Doch es gab immer Fahrer, die schneller waren. 2021 klappte es aber dank strukturierten Trainings, er wurde deutscher MTB-Marathon Meister (Masters 1). Im gleichen Jahr, etwas eher, konnte er sich auch den Titel des Europameisters im MTB-Ultramarathon sichern.
“Vor zwei bis drei Jahren habe ich angefangen, mehr über Radreisen und Bikepacking nachzudenken”, steigt er ein. Beim Nachdenken ist es natürlich nicht geblieben. Jahrelang hatte er keinen MTB-Trainer, doch Radreisen sind nicht die ideale Vorbereitung auf Deutsche Meisterschaften. Schließlich setzte sich Sebastian Breuer das Ziel: “Wenn ich Deutscher Meister werde, dann ist für mich das Thema Mountainbike abgeschlossen, dann gibt es mehr Bikepacking, mehr Gravel und mehr Abenteuer.” Gesagt, getan. Seit Mitte 2021 trainiert er strukturiert, konnte sich den lang ersehnten Titel sichern und nun stehen andere Events in seinem Kalender.