Andreas Kublik
· 12.07.2022
Rund 16000 Teilnehmer versuchten sich beim Jedermann-Rennen L’Étape du Tour an der Königsetappe der Tour de France, auf der einst Greg Lemond und Bernard Hinault Hand in Hand ins Ziel fuhren - über die Alpenriesen Galibier und den Croix-de-Fer nach Alpe d’Huez.
Auf dieser Strecke wurde einst bei der Tour-de-France-Geschichte geschrieben - im Jahr 1986. Am Tag zuvor hatte damals der US-Amerikaner Greg Lemond bei der Bergankunft auf dem Col du Granon Bernard Hinault entthront, dem Franzosen das Gelbe Trikot abgenommen.
An diesem Tag griff Hinault früh an, nur Teamkollege Lemond konnte ihm folgen bis hinauf nach Alpe d’Huez. Hand in Hand fuhren die beiden schließlich Richtung Ziel, Hinault durfte als Erster über die Linie und sich den Tagessieg sichern. Die Fotos der Szene sind in die Radsport-Geschichtsbücher eingegangen. Am Ende gewann Lemond in Paris als Erster US-Amerikaner die Tour de France, Hinault verpasste seinen sechsten Gesamtsieg und beendete am Ende der Saison seine Karriere.
Die Veranstalter der Tour de France haben sich diese historische Etappe ausgesucht, um über die gleichen Straßen die 30. Auflage des Jedermann-Rennens bei der Tour de France (L’Étape du Tour de France) zu führen: eine Herkulesaufgabe für Hobbyradsportler, schließlich waren auf den 167 Kilometern zwischen Briançon und Alpe d’Huez rund 4700 Höhenmeter verteilt.
Trotz der großen Herausforderung mit der Fahrt über die Pässe Lautaret, Galibier und Croix-de-Fer und ins Ziel in Alpe d’Huez waren die insgesamt 16000 Startplätze im vergangenen Oktober binnen eines Tages vergriffen.
Die 14 Startblöcke des Jedermann-Rennens zogen sich am Morgen des 10. Juli 2022 durch ganz Briancon, ehe die Teilnehmer aus 70 Nationen auf die gesperrten Bergstraßen losgelassen wurden. Nach der Härteprüfung auf der Profistrecke erreichte Stefan Kirchmair als Erster nach 5:17:25 Stunden das Ziel in Alpe d‘Huez. Der 33-jährige Österreicher hatte einst beim Team Tirol versucht, Radprofi zu werden und zuletzt auch den Ötztaler Radmarathon gewonnen.
Die legendäre Strecke hatte ihn wie viele andere an den Start in die französischen Alpen gelockt. Bei den Frauen war eine Brasilianerin bei heißen Temperaturen am schnellsten über alle Berge: Flavia Oliveira (6:31:58 Stunden). Sie sagte im Ziel: “Es war wirklich ein hartes Rennen. Man muss sich ständig zwingen, über die eigenen Grenzen zu gehen, speziell am letzten Anstieg hinauf nach Alpe d’Huez.”
Olympiasiegerin Anna Kiesenhofer, die ursprünglich einen Start geplant hatte, sagte kurzfristig ab. “Es passt nun doch nicht in den Trainingsplan”, begründete die Österreicherin ihren Startverzicht. Für die Masse der Starter wurden die extrem hohen Temperaturen zum Problem, zumal an den wenigen Verpflegungsstellen (darunter keine einzige im Anstieg nach Alpe d’Huez) das Wasser nach Auskunft von Teilnehmern nicht für alle reichte. Ein weiteres Manko: Nach der Etappe gibt es keinen Bus-Transfer zum weit entfernten Startort - diese Möglichkeit bietet der Veranstalter nur am Vortag oder frühmorgens vor dem Start an.
Die Strecke des Jedermann-Rennens wird in diesem Jahr auch die Königsetappe der Tour de France sein - der Tagesabschnitt mit den meisten Höhenmetern: Vier Tage nach den Hobby-Radsportlern messen sich am 14. Juli (Donnerstag) die Profis auf der gleichen Strecke während der 12. Etappe der diesjährigen Tour de France der Männer.
“Das wird eine der beiden Schlüsseletappen dieser Tour”, sagt der französische Radprofi Romain Bardet - zusammen mit dem Abschnitt tags zuvor auf den Col du Granon. Und sein deutscher Teamkollege bei DSM, John Degenkolb, sagt über die Etappe, die Jedermänner und Profis auf dem gleichen Parcours bestreiten: “Wenn ich darauf gucke, dass es nach dem Start gleich auf den Galibier geht, wird das sicher nicht meine Lieblingsetappe. Ich habe sogar ein bisschen Angst vor dem Tag.”
Auf welcher Strecke das Jedermann-Rennen der Tour im Jahr 2023 stattfinden wird, wird immer anlässlich der Präsentation der Tour de France im Herbst bekannt gegeben. Wer einen Startplatz ergattern will, muss schnell sein. Infos dazu gibt es auf der Seite des Veranstalters.