Die besonderen Anforderung eines Alpenmarathons besteht in der Länge und in der hohen Dauerleistung, die uns lange Berge abverlangen. Die Sitzposition sollte diese Anforderungen unterstützen. Es kommt, anders als in Straßenrennen, nicht so sehr auf die Aerodynamik an, der Oberkörper kann daher etwas aufrechter positioniert werden, was auch die tiefe Atmung unterstützt. Eine neutral sportliche Position bietet die beste Ausgangsbasis für eine gute Dauerleistung. Ganz aufrecht zu sitzen ergibt hingegen keinen Sinn, denn dann kann der kräftige Gesäßmuskel nicht wirkungsvoll arbeiten. Geklettert wird meist in Bremsgriff- oder Oberlenkerhaltung, dafür sollte die Position optimiert werden.
Das wichtigste Maß für die Ermittlung der richtigen Sitzhöhe ist die Innenbeinlänge. Faustformel: Innenbeinlänge (cm) mal 0,885 = Sitzhöhe (Abstand Tretlagermitte zur Satteloberkante). Diverse Faktoren ergeben aber einen Spielraum von mindesten fünf Prozent. Dazu gehören Sattelform, Schuhe, Kurbellänge, Einstellung der Pedalplatten und Beweglichkeit. Das rechnerische Maß für die Sitzhöhe ist daher nur ein erster Anhalt.
Die optimale Sitzhöhe findet man durch Probieren. Ziel: stabil im Sattel sitzen; der Oberkörper soll ein festes Widerlager für die Beine bilden, diese sollen sich leicht und rund bewegen. Sitzt man zu hoch, kippt das Becken seitlich hin und her. Das kann ein Beobachter leicht erkennen. Auch häufiges Hin- und Herrutschen auf dem Sattel kann darauf hinweisen, dass man zu hoch sitzt.
Der Fuß sollte im unteren Totpunkt der Kurbelumdrehung nicht überstreckt werden. Zur Kontrolle dient ein Videomitschnitt einer Fahrt auf der Rolle oder ein Test vor dem Spiegel. Steht der Sattel zu niedrig, drohen Kniebeschwerden. Gesucht wird die höchste stabil und ohne Probleme fahrbare Sattelposition. Experimentierlust ist essenziell, um das Optimum zu finden. Beginnen Sie mit einer Höhenverstellung des Sattels in 5-Millimeter-Schritten.
Der Abstand des Lenkers sollte so sein, dass die Arme locker und leicht gebeugt das Fahren in der Bremsgriffposition ermöglichen und der Rücken gerade gehalten werden kann. Gegenüber einer Aero-Position kann der Lenker etwas höher und der Abstand zum Sattel etwas kürzer sein. Eine zu gestreckte Position bringt Spannung in Schultern und Nacken – das kann insbesondere auch auf langen Abfahrten zu muskulären Verspannungen führen. Zu gedrängt sollte die Position aber auch nicht sein, da dann der effektive Krafteinsatz des ganzen Körpers leidet – im Sitzen wie im Stehen.
Lange Bergfahrten erfordern viel Haltearbeit, denn das Rad wird gegenüber der Schwerkraft gekippt und wir sitzen auf einer schiefen Ebene. Das lässt sich simulieren: Bocken Sie das Vorderrad bei der nächsten Rollensession um 10 Prozent des Radstands auf, also gut zehn Zentimeter; das entspricht dann einer Steigung von zehn Prozent. Sie werden erstaunt sein, wie stark die Auswirkungen sind. Erproben Sie Ihre Position auch unter diesen Bedingungen. Unterstützt der Sattel diese Haltung? Wenn Sie das Gefühl haben, von zu weit hinten zu treten, stellen Sie den Sattel etwas nach vorn, dann müssen Sie weniger gegenhalten.
Schmerzen töten Fahrspaß – das muss nicht sein. Eine Übersicht über Ursache und Wirkung
Knieschmerzen außen >> Sattel zu hoch, Fehlstellung Knie und/oder Fuß
Knieschmerzen vorne >> Sattel zu niedrig
taube Hände >> Lenker zu tief, zu kurz oder zu weit vorne, falscher Sattel; Griffsituation variieren
taube Füße >> falsche Schuhe/Innensohle/Schuhplattenposition
Nackenschmerzen >> Lenker zu lang/zu tief
unterer Rücken schmerzt >> Sattel zu hoch oder zu weit hinten, Lenker zu tief
taub im Schritt >> falscher Sattel, falsche Satteleinstellung
TOUR: Was gilt es vor einem Bergmarathon bei der Sitzposition zu beachten?
Uli Plaumann: Die Position ausreichend testen, schauen, dass der Sattel gut passt, der Körperschwerpunkt auf dem Sattel liegt und die Arme und Beine zum Radfahren da sind. Nicht zu viel Überhöhung fahren, also den Lenker nicht zu tief stellen.
TOUR: Ist es überhaupt sinnvoll, die Position zu überprüfen, wenn ich keine Beschwerden habe?
Plaumann: Auf jeden Fall. Aber nicht kurz vorher, sondern am besten mit einigen Monaten Abstand. Wenn man sich gut fühlt, ist das ein gutes Zeichen. Trotzdem kann man ein Bikefitting machen, um auf Nummer sicher zu gehen. Es schadet ja nicht, auch wenn man bestätigt wird.
TOUR: Wie viel Veränderung der Position ist ratsam vor einem Bergmarathon?
Plaumann: Das ist abhängig von der Körperkonstitution, davon, wie stabil der Oberkörper ist, wie lange man Rad fährt und wie lange es noch bis zum Wettkampf ist. Ich würde mit kleinen Veränderungen beginnen.
Der Sattel ist der Weg zum Glück!
TOUR: Wie lange vor dem Wettkampf sollte man das Fitting machen?
Plaumann: Möglichst lange vorher. Mindestens zwei Monate. Muskeln, Sehnen und Bänder brauchen Zeit, um sich anzupassen.
TOUR: Wie lange darf sich eine angepasste neue Position unangenehm anfühlen?
Plaumann: Wenn man regelmäßig fährt, höchstens zwei Wochen, sonst stimmt etwas nicht. Es gibt aber auch den Effekt, dass man eigentlich beschwerdefrei ist, aber nach Erhöhung des Trainingspensums auf einmal Schmerzen kommen. Dann sollte man unbedingt reagieren und einen Fitter aufsuchen.
TOUR: Was ist der meistgemachte Fehler?
Plaumann: Dass der Sattel nicht richtig eingestellt ist; dass er zu hoch steht, kommt häufiger vor, als dass er zu niedrig ist. Der Sattel wird unterschätzt, weil die Symptome woanders auftreten: Die Hände schlafen ein oder der Nacken schmerzt. Oft kommt das daher, dass der Sattel nicht richtig eingestellt ist. Viele denken, die integrierten Lenker seien das Problem, weil nicht einstellbar. Aber oft sind der Sattel und seine richtige Einstellung der Weg zum Glück.