Schweiz: Tessin

Wer im Tessin, der Heimat von Mauro Gianetti radelt, lernt ursprüngliche Täler und hohe Pässe kennen, sanfte Hügel, markante Anstiege, eine weite Ebene und drei große Seen. Man trifft viele Radsportler – und vielleicht sogar das Idol der Gegend. (TOUR 3/2003)

Frühling im Tessin: An den Straßenrändern blühen hellrosa Magnolien, gelbe Forsythien, weißer Jasmin, Kamelien, Mimosen und Oleander. Und auf den grauen Asphalt-Bändern der Straßen sprießen die bunten Trikots der ortsansässigen „ciclisti“. Vor allem in den Ebenen von Mendrisiotto und Magadino, rund um den Luganer See und in den Hügeln des Malcantone treiben sie schon an sonnigen Wochentagen zahlreiche Blüten; und an warmen Wochenenden gibt es kein Halten mehr: Große Gruppen ziehen in Zweierreihen die Straßen entlang, die Vereinsfarben leuchten im weichen Frühlingslicht.
Noch nie sind mir unter der Woche so viele Rennradler begegnet wie im Tessin; und als ich in Minusio die Landkarte aus dem Trikot ziehe, um zu sehen, wie ich am besten durch Locarno und Ascona komme, hält schon einer an und fragt, ob er helfen kann. Werktags sei es auf der Seepromenade kein Problem, meint der Radler auf meine Frage nach der schnellsten Stadtdurchquerung. „Da sind kaum Flaneure unterwegs.“ Am Wochenende sei das allerdings anders: „Dann nimmt man besser die Straße. Auf der Promenade sind eigentlich nur 10 Kilometer pro Stunde erlaubt, und wir haben recht rabiate Spaziergänger.“
Wo ich denn hinwolle, fragt der hilfsbereite „ticinese“ und stellt sich als Stefano vor. Unter anderem ins Valle Cannobina. „Eine schöne Runde“, meint er, „und die Rückfahrt durchs Centovalli ist eine meiner Lieblingsstrecken.“ Stefano ist Mitglied im Velo Club Lugano, dem ältesten im Tessin. Wie vier weitere der neun Tessiner Rad-Clubs wurde er bereits im 19. Jahrhundert gegründet. Ein anderer, der Velo Club Rivera, ist außerdem der Heimatclub von Mauro Gianetti, bis Ende 2002 Profi im deutschen Team Coast. „Den musst Du treffen“, findet Stefano. „Schließlich ist er Namensgeber für das größte Jedermann-Rennen im Tessin.“ Sein Club könne sicher den Kontakt herstellen.
Am nächsten Morgen, nach zwei Telefonaten, habe ich einen Termin mit Mauro Gianetti. Wir treffen uns am Dorfplatz seines Wohnorts Agarone, nur wenige Kilometer von seinem Geburtsort Rivera am Monte Tamaro entfernt. Und er kennt das Gebiet wie kaum ein anderer.

Diese vier Touren finden Sie im Download:

Tour 1: Grenzerfahrung
(100 Kilometer, 1.100 Höhenmeter, max. 10%)
Bellinzona (228 m) – Locarno – Brissago – Cannobio (I) – Valle Cannobina (bis 1.048 m) – Malesco – Re – Centovalli – Intragna – Ponte Brolla– Locarno – Gordola – Agarone – Bellinzona

Tour 2: Bella Vista
(125 Kilometer, 2.100 Höhenmeter, max. 13%)
Bellinzona – Cadenazzo (205 m) – Taverne (856 m) – Gravesano (337 m) – Arosio (860 m) – Novaggio – Astano – Monteggio – Luino – Maccagno (218 m) – Valle Veddasca – Indemini (939 m) – Alpe di Neggia (1.395 m) – Vira – Magadino – Bellinzona

Tour 3: Kraftprobe
(205 Kilometer, 3.300 Höhenmeter, max. 11%)
Bellinzona – Biasca – Faido – Airolo (1.175 m) – St.-Gotthard-Pass (2.108 m) – Andermatt (1.447 m) – Oberalp-Pass (2.044 m) – Disentis (1.142 m) – Lukmanier-Pass (1.914 m) – Olivone – Biasca – Bellinzona

Tour 4: Zu Eis und Schnee
(150 Kilometer, ca. 2.200 Höhenmeter, maximal 21% (kurzzeitig)
Bellinzona – Locarno (198 m) – Solduno – Ponte Brolla – Avegno – Maggia – Bignasco (443m) – Prato – Fusio (1.289m) – Val Sambuco – Lago di Naret (2.420 m) – und zurück

(Text: Wolfgang Press)