Reise durch die SchweizPer Rennrad in fünf Tagen von Lindau nach Montreux

Jörg Wenzel

 · 12.03.2024

Tag 3: Gleich nach dem Frühstück klettern wir auf einem feinen Sträßchen vom Klöntalersee zum Pragelpass
Foto: Jörg Wenzel
Diese Tour, quer durch die Schweiz, ist kompakt und intensiv wie ein Brühwürfel: Inklusive An- und Abreise geht es in fünf Tagen von Lindau nach Montreux, über teils autofreie Bilderbuchstraßen, die in die Bergeinsamkeit führen.

Kann das wahr sein: 18 Prozent? Axel schaut mich fragend an. „Das geht ja gut los!“, grummelt mein Kumpel und geht aus dem Sattel in den Wiegetritt. Ich versuche ihn zu beruhigen: „Das Verkehrsschild kann nicht stimmen. Ich war schon mal hier und kann mich beim besten Willen nicht an 18 Prozent erinnern.“ Ja, ich kenne die Ostflanke des 1.548 Meter hohen Pragelpasses. Sie ist steil. Aber nicht so steil. Die giftigsten Meter dürften 16 Prozent erreichen – wenn man die Kehren innen schneidet. Jedenfalls schlängelt sich das fein asphaltierte Sträßchen vom Westende des Klöntalersees, dort, wo das 18-Prozent-Schild steht, zuerst moderat nach oben. Unten klettern wir noch vorbei an Bauernhäusern, dann tauchen wir ein in den Wald, in dem sich Weiden öffnen und den Blick freigeben auf die nahen Berge.

Schweizer Verniedlichungsformen

Wir passieren ein Bushalteschild, neben dem eine aus einem Baumstamm grob gezimmerte Bank steht. „Mitfahrbänkli“ steht darauf, was eine Art organisierter Autostopp ist, für Fußgänger, die von Autos mitgenommen werden möchten. Schweizer mögen anscheinend diese Verniedlichungsform: „Bänkli“ – oder „Knusperfischli“, die ich am Abend zuvor in der Unterkunft am Klöntalersee auf dem Teller hatte. Niedlich wirken auch die schmalen, gewundenen Sträßchen zum Pragelpass – oder über Schwägalp und Vorder Höhi, die wir gestern gefahren sind. Ihnen ein „li“ für Pässli anzuhängen, wäre aber vollkommen unangemessen ...

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Tag 3, Klöntalersee – Sörenberg: Anstieg (Ostseite) zum Pragelpass (1.548 m)Foto: Jörg WenzelTag 3, Klöntalersee – Sörenberg: Anstieg (Ostseite) zum Pragelpass (1.548 m)

Vor zwei Tagen sind Axel und ich an einem sommerlich warmen Septembertag am Hafen von Lindau gestartet, von der Insel im östlichen Zipfel des Bodensees, gerade noch in Deutschland gelegen, wenige Kilometer entfernt von Österreich und der Schweiz. Von dort soll es bis zum Genfersee gehen, in die südwestliche Ecke der Schweiz. Unsere Route schlängelt sich spielerisch durch die Voralpen, taucht mal mehr, mal weniger ein in die Berge und klettert über Pässe, deren Namen nur wenigen geläufig sein dürften.

Durch die Schweizer Puppenstube

Am ersten Tag fahren wir noch nicht über Pässe, sondern durch die Hügel des Appenzellerlandes. Kleine, einsame Straßen führen hoch übers Rheintal in ein stilles Bauernland aus Kuhweiden und Höfen, deren holzgeschindelte Häuser mal hellblau gestrichen sind, mal grau, rot oder rosa. Das Ganze vermittelt den Eindruck einer Puppenstube, und die Dörfer, die auf Kuppen hocken oder unter ihnen Schutz suchen, sehen von Weitem aus, als hätte ein Kind Bauklötze übers Land gestreut. So wie die Häuser der Siedlungen sind auch die Wirtshäuser übers Appenzellerland verstreut. In einem davon stellen wir die Räder an die Hauswand. Wir sitzen im kleinen, hell getäfelten Gasthaus Schäfli in Trogen. Wirt Ueli Künzle, der mit grauem Haar und Rauschebart aussieht wie der Alpöhi aus dem Heidi-Film, serviert uns hausgemachten Apfel- und Aprikosenkuchen, dazu Kaffee aus der Siebträgermaschine.

Künzle, so erfahren wir, ist eigentlich gelernter Chemielaborant, verdient aber schon seit 1974 seinen Unterhalt als Biobauer und führt zusätzlich seit ein paar Jahren zusammen mit seiner Frau das Schäfli. Wir verabschieden uns, um die letzten Kilometer zum Ort Appenzell anzugehen. Kurz vor dem Tagesziel taucht südlich am Horizont das Alpsteinmassiv mit dem Säntis-Gipfel auf, dem mit 2.502 Metern höchsten Berg der Appenzeller Alpen. Dort wollen wir morgen zur Schwägalp hinaufklettern ...

Landsgemeindeplatz im Dorf Appenzell, dem Hauptort des Schweizer Kantons Appenzell InnerrhodenFoto: Jörg WenzelLandsgemeindeplatz im Dorf Appenzell, dem Hauptort des Schweizer Kantons Appenzell Innerrhoden

In der Früh starten wir mitten in Appenzell am schönen Landsgemeindeplatz, an dem die Häuser bunt bemalte Holzfassaden tragen. Ein historisch und bis heute wichtiger Platz, auf dem sich jeden letzten Sonntag im April die stimmberechtigten Innerrhoderinnen und Innerrhoder zur Landsgemeinde versammeln und über Verfassungs-, Gesetzes- und Kreditvorlagen abstimmen. Lange Zeit war die Landsgemeinde reine Männersache, Frauen durften erstmals 1991 teilnehmen. Frauenwahlrecht erst 1991 – solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während wir uns dem Säntis nähern und abbiegen auf eine schmale, für den motorisierten Verkehr gesperrte Straße, die in einem Bogen über mehrere Alpen zur Schwägalp führt.

Das Sträßchen ist gespickt mit bis zu 14 Prozent steilen Rampen, klettert aber meist zwischen 9 und 12 Prozent bergauf unter die mächtige Wand des mit Sendemasten gekrönten Säntisgipfels. Auf den unteren Alpen bimmeln noch die Glocken von ein paar Kühen auf der Weide, weiter oben wird es so still, dass ich nur unseren Atem höre. Kurz bevor das Sträßchen die Talstation der Säntis-Schwebebahn passiert, touchiert es fast die mächtige Nordwand. Zimmergroße Felsblöcke, die verstreut an ihrem Fuß liegen, zeugen davon, dass sich immer wieder einmal Ungetüme daraus lösen. Zuletzt ereignete sich 2020 ein Felssturz. Heute bleibt alles ruhig.

Tag 2, Appenzell – Klöntalersee: Autofreie Straße zur Schwägalp vor  der Säntis-NordwandFoto: Jörg WenzelTag 2, Appenzell – Klöntalersee: Autofreie Straße zur Schwägalp vor der Säntis-Nordwand

Vorder Höhi: Hart, aber kaum bekannt

Ruhig und einsam ist auch der nächste Anstieg zur 1.534 Meter hohen Vorder Höhi, der rund 650 Höhenmeter überwindet. Wie schon das Alpsträßchen zur Schwägalp ist auch dieses für den motorisierten Verkehr gesperrt, aber mit längeren 16-Prozent-Rampen noch steiler – und waldreicher. Aussicht: null. Das macht den Anstieg noch härter, weil nichts ablenkt von der Anstrengung. Hinzu kommt, dass der Asphalt bald Betonplatten weicht. „Bodum ... bodum ... bodum“ – nerven die Querrillen. Erst auf etwa 1.450 Meter Höhe bleibt der Wald zurück. Die sonnigen Alpwiesen und die Aussicht auf die Gipfel der Churfirsten wirken wie ein Energiedrink. War das Klettern im Wald noch zäh, flattere ich die letzten Meter hinauf zur Passhöhe beschwingt wie ein Schmetterling zwischen den Bergkräutern. Oben, auf der Vorder Höhi, warte ich auf Axel, der im Wald zurückgefallen war. Wir trinken etwas und genießen die Aussicht. „Für so lange, steile Anstiege bin ich einfach zu schwer“, sagt Axel, „aber die Aussicht hier oben ist toll! Schau, da hinten ist der Säntis, von dort sind wir gekommen.“

Tag 2, Appenzell – Klöntalersee: Abfahrt von der Vorder Höhi (1.534 m) mit Blick auf Churfirrsten, Rautispitz und das Glärnisch-MassivFoto: Jörg WenzelTag 2, Appenzell – Klöntalersee: Abfahrt von der Vorder Höhi (1.534 m) mit Blick auf Churfirrsten, Rautispitz und das Glärnisch-Massiv

Unsere Route glänzt aber nicht nur mit einsamen Anstiegen, großartigen Aussichten und verwinkelten Abfahrten, am dritten Tag haben wir auch eine gemütliche Seefahrt eingebaut. Mittags sitzen wir auf dem Oberdeck der Autofähre, die uns in 20 Minuten vom Nord- ans Südufer des Vierwaldstättersees bringt, und lassen uns von der Sonne wärmen. Am Südufer müssen wir uns aber sputen, Gewitterwolken schießen schon Richtung Stratosphäre und wir wissen, dass sich vor unserem Ziel in Sörenberg noch eine große Herausforderung auftürmt: der längste Anstieg unserer Reise, der Pass über den 1.611 Meter hohen Glaubenbielen.

Tag 3, Klöntalersee – Sörenberg: Vierwaldstättersee, Autofähre Gersau-BeckenriedFoto: Jörg WenzelTag 3, Klöntalersee – Sörenberg: Vierwaldstättersee, Autofähre Gersau-Beckenried

An seinem Fuß steht ein Schild: „Steigt 1.120 m auf 12 km“, im Schnitt also knapp zehn Prozent – so steil ist kaum einer der namhafteren großen Alpenpässe. Nach wenigen Minuten tropft mir in der schwül-gewittrigen Luft der Schweiß auf Lenker und Oberrohr. Axel, der strikt nach Pulsuhr kurbelt, fällt zurück. Bald bin ich alleine am Berg – auch Autos begegnen mir selten – und sauge gierig die letzten Schlucke aus der Flasche. Ich hätte sie unten im Ort noch mal auffüllen sollen! Hätte, hätte ... Aber wie schon die Tage zuvor, ist es kein Problem, an Wasser zu kommen. Nach der Hälfte des Anstiegs rettet mich ein Brunnen. Ich schütte mir das kalte Wasser in den Nacken, trinke etwas und fahre weiter. Kurz vor der Passhöhe spüre ich die ersten Regentropfen im Gesicht.

An einem kleinen Parkplatz, mit Aussicht auf die Berge und den Sarnersee, warte ich auf Axel. Obwohl graue Wolken den Pass verhängen, bleibt es beim Tröpfeln. Dann kommt Axel, ruhig und mit gleichmäßigem Tritt, und mit ihm der Regen. Wir fliegen die letzten, nicht mehr so steilen Meter zum Pass, den nichts ziert und nichts verunziert: kein Parkplatz, keine Hütte, kein Kiosk. Nur ein Schild mit Namen und Höhenangabe steht am Wegrand. Nach sieben Kilometern Abfahrt, in der es wie aus Eimern gießt, sind wir froh, dass in Sörenberg eine heiße Dusche und ein Abendessen auf uns warten.

Wasserfolter im Gischtschweif

Auch am vierten Tag erwischt uns ein Unwetter, wie zuvor aber erst am Nachmittag. Hinter Thun biegen wir nach Süden in die Berge, deren Gipfel schon in dunklen Wolken stecken, und im Simmental auf die Nationale Veloroute 9. Das handtuchschmale Sträßchen schlängelt sich über Weiden, auf denen das Simmentaler Fleckvieh grast, die hier heimische Rasse mit rotbraunem bis hellgelbem Fell und weißen Flecken. Das Läuten seiner Glocken ist wie eine Meditation, die Landschaft und Radler in Einklang bringt. Ab und an säumen hübsche Bauernhäuser unseren Weg, die vom Wohlstand schon in früheren Jahrhunderten zeugen. Eines davon, eine Kathedrale des Kunsthandwerks, ist so prächtig geschnitzt und bemalt, dass wir nicht anders können, als abzusteigen und zu staunen. Das 1756 erbaute Knuttihaus in Därstetten gilt als schönstes Haus im Simmental und zählt wohl auch zu den prächtigsten im Kanton Bern.

Tag 4, Sörenberg – Saanen: Knuttihaus von 1756 an der Nationalen Veloroute 9 gilt als schönstes Haus im Simmental.Foto: Jörg WenzelTag 4, Sörenberg – Saanen: Knuttihaus von 1756 an der Nationalen Veloroute 9 gilt als schönstes Haus im Simmental.

Kurz darauf zwingt uns grober Schotterbelag zum Ausweichen auf die Hauptstraße. Platzregen setzt ein. Wir flüchten unters Vordach einer Bäckerei, die einsam zwischen zwei Orten an der Straße liegt, und kramen unsere Regensachen aus den Taschen. Nach einem Kaffee fügen wir uns dem Unvermeidlichen. Stumpf kurbeln wir durch die Sintflut, in der uns überholende Autos und Lastwagen mit ihrem Gischtschweif foltern. Den Abzweig zum Jaunpass lassen wir liegen. Die schöne, längere und um mehr als 800 Höhenmeter reichere Variante über den 1.508 Meter hohen Pass und den noch schöneren, einsamen Mittelberg (1.633 Meter) nach Saanen ergibt bei diesem Sauwetter keinen Sinn. Jetzt heißt es: ankommen!

Steilrampe vor dem Saanenmöser-Pass

In Zweisimmen können wir wieder dem Radweg 9 folgen, der sich uns sofort als lange, 16 Prozent steile Rampe entgegenstemmt. Im Anstieg zerquetscht mein Vorderrad fast eine Schnecke, die ihr Häuschen durch den Regen über die Straße schleppt. Gefühlt kriechen wir nicht viel schneller. Kurz vor dem Saanenmöser, dem Übergang nach Saanen, müssen wir sogar absteigen. Die 24-Prozent-Rampe schaffen wir mit Gepäck nicht. Wir schieben, wie demütigend! Das Gefühl der Schmach ist aber vergessen, als wir nach Saanen hinabrauschen, und erst recht, als wir den Tag bei Simmentaler Rind und Käsefondue beenden.

Am nächsten Morgen kleben nur noch Wolkenreste des Unwetters an den Bergen. Wir biegen wieder auf die Veloroute 9, die uns abseits des Verkehrs durch das Tal der Saane führt, die bald „La Sarine“ heißt, weil wir die Grenze zum französischsprachigen Teil der Schweiz passieren. Die Wiesen, die wir durchfahren, liegen im Tal wie Buckelwale, die durchs Meer schneiden, ebenso bucklig ragen die flankierenden Berge auf, über denen die Morgensonne gerade hervorblitzt. Nach zwölf beschaulichen Kilometern erreichen wir die Straße zum Col des Mosses (1.445 Meter). Bis auf die Pissot-Schlucht zu Beginn bietet sie wenig Spektakel, das wusste ich von früheren Fahrten und hatte deshalb den entlegenen schönen Umweg über den Hongrin-Stausee eingeplant. Nicht bedacht hatte ich leider, dass die Straße, die über den militärischen Schießplatz „Petit Hongrin“ führt, im September an Werktagen gesperrt ist. Nichts zu machen, der Militärposten an der heruntergelassenen Schranke lässt uns nicht passieren. Etwas frustriert klettern wir über den Col des Mosses, rauschen 18 Kilometer hinab ins Rhonetal und erreichen wenig später den Genfersee, der spiegelglatt daliegt, von Hügeln eingefasst wie ein Diamant in der Zarge. Das Ende unserer Tour am See erinnert mich an den Start vor viereinhalb Tagen. Viereinhalb nur? Es müssen viel mehr gewesen sein ...

Tag 5, Saanen – Montreux: Promenade am GenferseeFoto: Jörg WenzelTag 5, Saanen – Montreux: Promenade am Genfersee

Infos zur Reise durch die Schweiz

An- und Abreise

Bahnhinfahrt

In vier bis viereinhalb Stunden beispielsweise von Frankfurt am Main nach Lindau-Reutin (Festland). Für den ICE bis Ulm braucht man für die Radmitnahme eine Fahrradkarte inklusive Stellplatzreservierung für 9 Euro, sie gilt auch für die Weiterfahrt im Interregio-Express (IRE). Wer will, steigt in Reutin um in den österreichischen Regionalexpress (REX), der in vier Minuten auf die Insel fährt – per Rad ist man von Reutin genauso schnell dort. Infos: bahn.de

Bahnrückfahrt

Von Montreux nach Frankfurt am Main in fünfeinhalb Stunden. Erst kurz per Interregio (IR) nach Lausanne, dort umsteigen in den IR nach Bern (Infos unter www.sbb.ch). In Bern weiter mit dem ICE. Für die nicht reservierungspflichtigen beiden IR-Züge braucht man eine Velo-Tageskarte für 15 Schweizer Franken, für den ICE wie auf der Hinreise die Fahrradkarte für den Fernverkehr für 9 Euro.

Beste Reisezeit

Mai bis Oktober. Juli und August herrscht mehr Urlaubsverkehr, was aber auf vielen von uns gewählten Nebenstrecken nicht so stark ins Gewicht fällt. Ab Oktober, in dem man mit Glück noch schöne Tage erleben kann, kann aber in der Höhe schon der Winter einbrechen – und wer an Tag 4 noch über Jaunpass und Mittelberg will, darf an kurzen Herbsttagen bei 133 Kilometern und 2.430 Höhenmetern nicht bummeln.

Unterkünfte

Tag 1, Appenzell: Hotel Löwen, Telefon 0041/(0)71/7888787, loewen-appenzell.ch
Im Zentrum gelegen, mit hübsch renovierten Zimmern. Im gediegenen Frühstücksraum ist morgens ein feines Büffet aufgebaut. Zwei Personen zahlen fürs Doppelzimmer mit Frühstück ab 180, meist 220 Schweizer Franken.

Tag 2, Klöntalersee: Hotel Rhodannenberg, Telefon 0041/(0)55/6501600, rhodannenberg.ch
Großartig gelegen am Ostzipfel des Klöntalersees. Renovierte Zimmer, gutbürgerliche, leckere Küche. Zwei Personen zahlen fürs Doppelzimmer mit Frühstück ab 175 Schweizer Franken.

Tag 3, Sörenberg: Hotel Sörenberg, Telefon 0041/41/4881361, hotel-soerenberg.ch
Einfach, aber gemütlich, direkt an der (nachts stillen) Hauptstraße gelegen. Doppelzimmer mit Frühstück ab 173 Schweizer Franken. Wir haben gegenüber im Alpenrösli (www.restaurant-alpenroesli.ch) gegessen: fleischlastig, es gibt aber auch Forelle oder Älplermagronen.

Tag 4, Saanen: Jugendherberge Gstaad Saanenland, Telefon 0041/(0)33/7441343, youthhostel.ch
Der moderne Bau aus Holz und Beton liegt wenige Gehminuten vom Dorfzentrum entfernt. Pro Person kostet die Übernachtung samt Frühstück im Mehrbettzimmer ab 48 Schweizer Franken, im Doppelzimmer 124 Schweizer Franken.

Essen & Trinken

Die Schweizer Küche verbindet Einflüsse aus Deutschland, Frankreich und Norditalien. Sie ist regional zwar sehr unterschiedlich, einige Gerichte sind aber in der ganzen Schweiz beliebt. Dazu zählen Raclette, geschmolzener Käse serviert mit „Gschwellti“ (Pellkartoffeln), Essiggurken und -zwiebeln; Älplermagronen, eine Art Gratin aus Kartoffeln, Makkaroni, Käse, Rahm und Zwiebeln, zu denen Apfelmus gereicht wird – und Rösti, ein flacher, in heißer Butter oder Fett in der Pfanne ausgebackener Fladen aus geriebenen gekochten oder rohen Kartoffeln. Und da unsere Radroute zu vielen Seen führt, gehört auch Fisch, etwa Felchen, Egli (Flussbarsch) oder Forelle auf den Teller.

Unbedingt probieren sollte man auch Schweizer Käse! Nach Abfolge unserer Route erst den weichschnittigen Appenzeller, dann den harten, würzigen Sbrinz aus der Zentralschweiz, danach den löcherigen Emmentaler, dessen Verwaltungskreis wir am vierten Tag kurz durchfahren, und zum Abschluss den weltberühmten Gruyère, dessen Herstellung sich im Greyerzerland bis in das Jahr 1115 zurückverfolgen lässt.

Einen Wermutstropfen hat das Essen in der Schweiz allerdings: Es ist teuer. Wer essen geht, muss rund doppelt so viel ausgeben wie in Deutschland.

Restaurant-Tipps

  • Appenzell (Tag 1): Romantik-Hotel Säntis, Telefon 0041/717881111, saentis-appenzell.ch
    Im holzgetäfelten, noblen Restaurant am Appenzeller Landsgemeindeplatz serviert man saisonale Schweizer Küche auf hohem Niveau zu entsprechenden Preisen.
  • Thun (Tag 4): Ristorante Primavera, Telefon 0041/332222420, primavera-thun.ch
    Mitten in Thun, direkt an der Aare, kann man zur Hälfte der Etappe (Km 61,8) die Energiespeicher mit leckeren Holzofenpizzas füllen – zu moderaten Preisen.
  • Saanen (Tag 4): Restaurant Landhaus, Telefon 0041/33/7484040, landhaus-saanen.ch
    Küchenchef Christian Zoss mischt seine langjährige Erfahrung aus Mexiko mit der Schweizer Küche, zu Letzterer zählen hier Simmentaler Rindsfilet, Gerstensuppe, Rösti mit Käse und Spiegelei und natürlich Käsefondue.

Nicht verpassen!

Tag 2, Schaukäserei Schwägalp: Von Mai bis September liefern etwa 55 Landwirte Alpmilch in die Käserei am Fuß des Säntis. In der kleinen Schaukäserei wird aber kein Appenzeller „gekäst“, der Hauptteil der Milch wird zu feinem Schwägalpkäse verarbeitet, aber der schmeckt genauso lecker. Aus dem Rest entstehen Raclettekäse, Butter, Mutschli und Ziegenkäse. Tipp: Die sommerlichen Ausflugswochenenden sollte man für einen Besuch der Schwägalp meiden. Infos unter alpschaukaeserei.ch

Tag 4, Schloss Thun: Der mächtige, von den zähringischen Herzögen um 1200 errichtete Donjon (Wohn- und Wehrturm) mit dem prächtigen, hochmittelalterlichen Rittersaal kann besichtigt werden. Von den Türmen hat man einen beeindruckenden Blick auf Stadt, See und Alpen. Infos unter schlossthun.ch

Infos

www.myswitzerland.com – die offizielle Seite von Schweiz Tourismus

Karten

Landeskarten der Schweiz, Blatt 2 „Nordostschweiz“ und Blatt 3 „Südwestschweiz“, 1:200.000, Swisstopo-Verlag 2022; je 14 Schweizer Franken, zu bestellen unter shop.swisstopo.admin.ch

Die Route von Lindau nach Montreux

tour/tour4-24-schweizkarte2mio-152x122mm-utm32-20240124_b9c2a34fafcfc4e2e1c4df2f7bc30fcaFoto: Karin Kunkel-Jarvers, Kartengrundlagen: OpenStreetMap contributors, ASTER-GDEM SRTM (3 arc-sec)

Unsere Tour in fünf Etappen vom Bodensee zum Genfersee startet in Deutschland in Lindau, führt wenige Kilometer durch Österreich, danach in der Schweiz durch die Kantone Appenzell Ausser- und Innerrhoden, St. Gallen, Schwyz, Nidwalden, Obwalden, Luzern, Bern und zum Schluss Waadt/Vaud. Nicht nur der Start in Lindau und das Ziel in Montreux liegen an Seen, auch die drei Etappen dazwischen führen zu großartigen Bergseen: zum Walen-, Klöntaler-, Vierwaldstätter-, Sarnen- und Thunersee. Die 423 Kilometer lange Route orientiert sich an den Schweizer Alpen und verläuft deshalb von Nordost nach Südwest.

Sie lässt die großen Pässe südlich liegen und schlängelt sich eher durch die Voralpen. Das hat den Vorteil, dass der größte Teil der Strecke über einsame, schmale Sträßchen führt, manche der Anstiege sind sogar für den motorisierten Verkehr gesperrt. Und obwohl Übergänge wie Pragelpass (1.548 Meter), Vorder Höhi (1.534 Meter) und Glaubenbielen (1.611 Meter) es an Höhe nicht mit den über 2.000 Meter hohen Pässen der Zentralalpen aufnehmen können, sind sie aufgrund ihrer Steilheit ernst zu nehmen! Die meisten sind gespickt mit 12 bis 16 Prozent steilen Rampen, vor dem Saanenmöser (Tag 4) stellen sich sogar kurz 24 Prozent in den (Rad-) Weg. Insgesamt summieren sich auf 423 Kilometern 7.200 Höhenmeter; wer unsere schönen Alternativen am vierten und fünften Tag einbaut, darf noch 1.000 Höhenmeter zusätzlich klettern. Und noch etwas sollte man nicht unterschätzen: Mit Gepäck sind die Anstiege deutlich schwerer zu meistern als ohne. Um an steilen Bergen noch einigermaßen flüssig treten zu können, empfehlen wir mindestens eine Übersetzung mit einem 34er-Kettenblatt vorne und einem 30er-Ritzel hinten.

Tag 1: Von Lindau nach Appenzell

 | Grafik: Martin Anner | Grafik: Martin Anner
  • 62 Kilometer
  • 900 Höhenmeter
  • max. 10 % Steigung

Die kurze Etappe zum Einfahren klettert durch bäuerliche Voralpen und lässt zum Schluss erahnen, welche schönen Landschaften uns die nächsten Tage erwarten. Wir starten am Hafen von Lindau. Nach den kopfsteingepflasterten Gassen auf der Insel folgt ein breiter Radweg dem Seeufer bis Bregenz, wo es kurz durch die Stadt geht, dann auf einem Radweg über den Rhein und auf dessen westlicher Seite an und auf dem Rheindamm auf einem Radweg nach Süden. Ein Schild zeigt bei Kilometer 20, dass wir die Grenze in die Schweiz passieren. Nach zwei Kilometern verlassen wir den Rheindamm nach Westen und beginnen in Au einen langen, aber insgesamt moderaten Anstieg Richtung Appenzell. Kleine Straßen klettern mit bis zu zehn Prozent hoch übers Rheintal, erlauben immer wieder wunderbare Ausblicke zurück und führen in ein stilles Bauernland. Nach 39 Kilometern erreicht die Etappe hinter Oberegg auf 966 Metern ihren höchsten Punkt. Dass es am nächsten Tag noch höher hinaufgehen soll, wird klar, als kurz vor dem Tagesziel, dem Ort Appenzell, südlich davon der mächtige Säntis am Horizont auftaucht ...

Tag 2: Von Appenzell zum Klöntalersee

 | Grafik: Martin Anner | Grafik: Martin Anner
  • 76 Kilometer
  • 1.900 Höhenmeter
  • max. 16 % Steigung

Rund 1.900 Höhenmeter verteilt auf nur 76 Kilometer – das klingt anstrengend. Diese Etappe ist aber durch lange, steile Rampen noch schwerer, als es die Zahlen ausdrücken. Und trotzdem wunderschön, weil an den Anstiegen zur Schwägalp und zur Vorder Höhi zwei autofreie Bilderbuchsträßchen in die Bergeinsamkeit führen. Nach 16,5 Kilometern auf feinen, relativ verkehrsarmen Landstraßen biegen wir links ab auf eine schmale, für den motorisierten Verkehr gesperrte Straße, die in einem Bogen über mehrere Alpen zur Schwägalp führt. Das Sträßchen ist gespickt mit bis zu 14 Prozent steilen Rampen, klettert unter die mächtige Wand des Säntis. Vom höchsten Punkt der Straße auf 1.360 Metern rauscht man auf der Hauptstraße 448 über die Schwägalp-Passhöhe (1.299 Meter) 540 Höhenmeter hinab nach Neu St. Johann, von wo es in sanften Wellen leicht bergauf geht Richtung Wildhaus. In Starkenbach (Km 41) versteckt sich hinter einem Sägewerk der kleine Abzweig zur Vorder Höhi (1.534 Meter). Die für den motorisierten Verkehr gesperrte Straße klettert meist 10 bis 12 Prozent steil bergauf, gewürzt von einigen längeren 16-Prozent-Rampen. Meist geht es durch Wald, ab 1.450 Meter Höhe über sonnige Alpwiesen. Auch die Abfahrt von der Vorder Höhi ist anspruchsvoll: bis 16 Prozent steil, eng, unübersichtlich. Unten, am Walensee, warten zwölf flache, verkehrsreiche Kilometer, bis der finale, fünf Kilometer lange Anstieg hinauf zum Klöntalersee abzweigt.

Tag 3: Vom Klöntalersee nach Sörenberg

 | Grafik: Martin Anner | Grafik: Martin Anner
  • 106 Kilometer
  • 2.100 Höhenmeter
  • max. 16 % Steigung

Gleich zu Beginn und ganz am Ende warten an diesem Tag zwei steile Pässe: der 1.548 Meter hohe Pragelpass, der vom Klöntalersee 700 Höhenmeter überwindet, und als Abschluss der Glaubenbielen mit 1.120 Höhenmetern. Die steilsten Meter auf der Ostrampe des Pragelpasses dürften 16 Prozent messen, sonst pendelt der Anstieg zwischen acht und zwölf Prozent. Die gut asphaltierte, schmale Straße schlängelt sich zuunterst vorbei an Bauernhöfen, taucht dann ein in Wald, in dem Alpweiden den Blick freigeben. An der Passhöhe hat man eine grandiose Aussicht nach Westen, auf die felsigen Gipfel der Schwyzer Alpen. Dann heißt es: Volle Konzentration für die steile Abfahrt, auf der die Kurven im Wald nicht einzusehen sind. Ab Muotathal rollt man 26 Kilometer bis zur Autofähre (www.autofaehre.ch), die uns von Gersau in 20 Minuten nach Beckenried ans südliche Ufer des Vierwaldstättersees bringt. Die Fähre verkehrt vom 29. März bis 13. Oktober 2024 stündlich, montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr, an Wochenenden und feiertags ab 9 Uhr und kostet pro Person und Rad zehn Schweizer Franken. Vom Südufer führen 32 leicht gewellte Kilometer über den schönen Ort Sarnen und entlang des Sarnersees nach Giswil, wo der längste Anstieg der gesamten Tour beginnt. Die zwölf Kilometer zur unverbauten Passhöhe am Glaubenbielen (1.611 Meter) pendeln meist zwischen 8 und 13 Steigungsprozenten. Danach rauscht man sieben Kilometer hinab nach Sörenberg.

Tag 4: Von Sörenberg nach Saanen

 | Grafik: Martin Anner | Grafik: Martin Anner
  • 119 Kilometer
  • 1.600 Höhenmeter
  • max. 24 % Steigung

Von Sörenberg geht es 15 Kilometer leicht bergab bis Schüpfheim, es folgen zehn Kilometer Richtung Emmental, auf denen man dem Verkehr meist auf parallel geführten Radwegen ausweichen kann. Ab dem Abzweig nach Süden, Richtung Thun, verebbt der Verkehr. Es geht durch breite Täler in den Berner Voralpen. Im Emmental, hinter Schangnau, beginnt der knapp sechs Kilometer lange Anstieg zum Schallenberg (1.168 Meter), 350 moderate Höhenmeter. Von der Passhöhe hat man schöne Ausblicke zurück ins Emmental. Nach 20 Kilometern bergab erreichen wir Thun am Thunersee und bestaunen das mittelalterliche Zentrum mit den hübschen Gassen und dem gepflasterten Rathausplatz, über dem der große Wohn- und Wehrturm des Schlosses wacht. Hinter Thun biegen wir nach Süden in die Berge und im Simmental bei Wimmis von der verkehrsreichen Hauptstrasse 11 ab auf die Nationale Veloroute 9, ein schmales Sträßchen, dass sich über Weiden schlängelt und vorbei an hübschen Bauernhäusern. An zwei Stellen, am Eingang ins Simmental bei Erlenbach und später bei Oberwil, zwingt uns Schotter zum Ausweichen auf die Hauptstraße. In Zweisimmen geht’s wieder auf den Radweg, der sofort mit einer langen, 16 Prozent steilen Rampe beginnt und kurz vor Saanenmöser (1.279 Meter) sogar für 150 Meter mit 24 Prozent ansteigt. Vom höchsten Punkt rauscht man 6,5 Kilometer hinab nach Saanen.
Variante: Schöner, 14 Kilometer länger und 830 Höhenmeter zusätzlich. Hinter Reidenbach (Km 96,9) rechts zum Jaunpass (1.508 Meter), nach der Abfahrt links via Abländschen auf der Veloroute 59 über Alpweiden hinauf zum stillen Mittelberg (1.633 Meter) und rasant durch Wald hinab nach Saanen.

Tag 5: Von Saanen nach Montreux

 | Grafik: Martin Anner | Grafik: Martin Anner
  • 60 Kilometer
  • 700 Höhenmeter
  • max. 9 % Steigung

Hinter Saanen folgen wir für knapp vier Kilometer der Hauptstrasse 11 nach Westen und biegen in Rougemont links ab auf die Veloroute 9, ein wunderbares Sträßchen, das nur an einer Stelle für 500 Meter über gut fahrbaren, feinen Schotter führt. Abseits des Verkehrs genießen wir den Morgen im grünen Tal der Saane, die bald „La Sarine“ heißt, weil wir die Grenze zum französischsprachigen Teil der Schweiz passieren. Nach zwölf beschaulichen Kilometern biegen wir ein auf die Passstraße zum Col des Mosses, die meist mit sieben bis acht, maximal mit zehn Prozent Steigung nach Süden klettert. Bis auf die Pissot-Schlucht zu Beginn bietet die Straße ebenso wenig Spektakel wie ihr höchster Punkt, der Col des Mosses (1.445 Meter). Von dem fliegen wir 19 Kilometer hinab ins Rhonetal nach Aigle, dem Sitz des Internationalen Radsportverbands UCI, und 15 flache Kilometer weiter zum Zielort Montreux am Genfersee.
Alternative: Schöner, einsamer, mit großartigen Tiefblicken zum Genfersee, zusätzlich acht Kilometer und 200 Höhenmeter. Zum Stausee Lac de l’Hongrin biegt man im Anstieg zum Col des Mosses in La Lécherette (Km 22,8) rechts ab und fährt über den Militärschießplatz „Petit Hongrin“. Laut SchweizMobil (schweizmobil.ch) ist die Strecke trotz Militärbetrieb vom 1. Juli bis 15. August geöffnet, es kann aber am beschrankten Zugang zu kurzen Wartezeiten kommen. Im Juni und ab der zweiten Augusthälfte bis Ende Oktober ist die Route für Radfahrer nur samstags und sonntags geöffnet. Wer’s genau wissen will und französisch spricht, ruft beim Schießplatz an: 0041/(0)58/4614222.

GPS-Daten vom Bodensee zum Genfersee

Die Touren-Daten zum kostenlosen Download (GPX-Format) finden Sie hier.

Meistgelesen in der Rubrik Touren