Rennradregion Oberösterreich - Rennradtouren rund um Wels

Jörg Wenzel

 · 21.05.2019

Rennradregion Oberösterreich - Rennradtouren rund um WelsFoto: Jörg Wenzel

Die Kleinstadt Wels ist ein Begriff in Österreichs Radsportszene – und Ausgangspunkt für Touren zu Füßen des Toten Gebirges und Nationalparks Kalkalpen. Da im Voralpenland die ganz schweren und langen Anstiege fehlen, können Radler entspannt die Aussicht auf die Berge genießen.

Vom US-amerikanischen Kriegsfotografen Robert Capa stammt der Spruch: "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran." Bei den Landschaftsbildern, die sich südlich des Städtchens Wels auftun, mag man ihm widersprechen. Mit etwas Abstand betrachtet, breitet sich das Panorama der Alpen aus wie ein Film im Breitwand-Format. Die Weite hat etwas Erhabenes, das man aus der Nähe betrachtet, zu Füßen der Berge, so nicht findet. Es ist früh am Morgen, die schmale Straße, auf der meine Begleiterin Sandra und ich scheinbar schwerelos dahinfliegen, ist ein Traum. Nur leicht gewellt und gewunden, fast autofrei zielt sie nach Süden. Wie die Landebahn eines Flughafens weist sie uns im Fluchtpunkt das Ziel: die Berge, aus deren Silhouette im Westen der Traunstein wie ein freistehender Backenzahn hervorsticht.

Diesen Anflug auf die Alpen, auf dem Almtal-Radweg, hatte uns Astrid Pöcherstorfer-Wolf empfohlen; Wirtin aus Wels und passionierte Rennradlerin, die uns anderntags ein Stück aus der Stadt heraus begleitet. Die schlanke, quirlige Endvierzigerin, die jetzt, Ende August, schon 10.000 Rennradkilometer in den braungebrannten, drahtigen Beinen hat, ist gerade zurück aus Südfrankreich, wo sie mit ihrem Mann Touren fuhr, den Mont Ventoux nicht ausließ und auf der Heimfahrt noch kurz am Comer See ein paar Kilometer schrubbte. "Das war lässig", sagt sie. Und "lässig" ist ein Wort, das sie gerne benutzt. Mit dem Rennradfahren begann Astrid vor 14 Jahren, erzählt sie, wegen ihres Mannes, der schon Rennrad fuhr. "Der hat mich damals gleich den Glocknerkönig mitmachen lassen. Mei, bin ich da eingebrochen. Aber heut’ bin ich am Berg stärker als er, da zahl’ ich es ihm heim", sagt sie und lacht. Da wir die heutige Strecke noch nicht genau kennen, wissen wir nicht, ob wir auch darüber lachen sollen, oder ob uns Astrid später am Berg um die Ohren fährt. Aber die Welserin muss sich und uns nichts beweisen – und sowieso mittags zurück sein, in ihrem Restaurant.

Foto: Jörg Wenzel

Ein anderer Rennradler hat den ganzen Tag Zeit, uns zu begleiten: Franz Müller, ebenfalls Wirt, hat heute frei, sein Gasthaus bleibt dienstags geschlossen. Zu viert verlassen wir die Stadt und rollen bald auf stillen Straßen durch welliges Bauernland, wo hübsche Höfe inmitten von Streuobstwiesen stehen. Die Orte sind hier schmucker, nicht so gewöhnlich wie rund um Wels, wo Einfamilienhäuser aus den 60er- und 70er-Jahren das Bild bestimmen.

Balkon mit Aussicht

Astrid, die mit Sandra plaudernd vorwegfährt, muss sich bald verabschieden. Also führt uns Franz zum ersten Berg: dem Anstieg nach Weiß’n am Sattel. An dessen Beginn steht eine Tafel mit allen wichtigen Daten: Starthöhe 453 Meter, Zielhöhe 763 Meter, Länge 3,9 Kilometer, sowie die durchschnittliche (8 Prozent) und maximale Steigung (13 Prozent). Dazu gibt’s eine Tafel, anhand der jeder mit seiner gestoppten Zeit und seinem Gewicht (Radler samt Rad) seine durchschnittliche Leistung in Watt ablesen kann. Man erhält eine Einschätzung, ob man zu den "motivierten Hobbysportlern" (18 bis 26 Minuten) zählt oder sich "um einen Profivertrag kümmern" sollte (10 bis 12 Minuten). Wir wollen uns nicht messen, sei eh nicht sein Terrain, meint Franz lächelnd, der zwar schon mit 15 im Verein angefangen habe, Rennrad zu fahren, weil er aber schon damals groß und kräftig war, sei er schon immer eher ein Zeitfahrer gewesen. "Bis 20 Kilometer, das war so mein Ding", erzählt er, und dass er ein Jahr lang auch C-Lizenz-Rennen gefahren sei: "Das war aber zu hart für mich."

Foto: Jörg Wenzel

Die erste Rampe lässt Franz verstummen, wir hören nur noch den Dreiklang unseres Atmens. Oben macht jeder ein Erinnerungsfoto, dann stürzen wir uns in die Abfahrt, die uns zum nächsten Anstieg führt und auf einen weiteren Aussichtsbalkon – den schönsten der Runde, einen Kamm mit großartigen Ausblicken nach allen Seiten. Links schweift der Blick über die Ebene, in der Wels liegt, dahinter begrenzen, im Dunst gerade noch sichtbar, die Hügel des Mühlviertels den Horizont. Blickt man nach rechts, sind die Alpen zum Greifen nah. Im Süden ragt das Tote Gebirge mit dem Großen Priel in den Himmel, gefolgt von den nahen Gipfeln im Nationalpark Kalkalpen. Verstreut liegen mächtige Bauernhöfe am Wegrand, viereckige Riesen mit rot gedeckten Walmdächern, deren große, oben abgerundete Holztore die Einfahrt zu den Innenhöfen verschließen. Solche Vierkanthöfe bestehen aus Wohnhaus, Stall, Stadel und Schuppen und können einen Umfang bis 200 Meter erreichen. Es wird vermutet, dass diese Bauform auf Plänen mittelalterlicher Burgen beruht und von Renaissanceschlössern zur Zeit der Türkeneinfälle stammt. Heute stürmen keine Türken über die Hügel, nur drei unbewaffnete Rennradler. Vom Aussichtsbalkon fällt das Sträßchen steil bergab zur Enns und führt in die Kleinstadt Steyr mit schönem Stadtplatz und historischem Rathaus, einem der bedeutendsten Rokoko-Baudenkmäler Österreichs. Während der Mittagspause packt Franz eine Straßenkarte aus, um uns Routentipps für die nächsten Tage zu geben, und fährt mit dem Finger darüber. "Hier könnt ihr die Hausruck-Runde nach Westen verlängern, in den Kobernaußer Wald. Wunderschön", schwärmt er und seine Augen strahlen. "Oder hier, im Süden, diese Ecke im Almtal ist großartig, dort bist du schon richtig im Gebirge."

Ein noch besserer Kenner schmaler, asphaltierter Wege, da waren sich Franz und Astrid schon am Morgen einig, sei der Wegerl-Pauli, den ein Redakteur der Salzburger Nachrichten einmal so nannte, weil er alle Schleichwege Oberösterreichs kenne. "Der verblüfft sogar mich immer wieder", hatte Astrid erzählt. Zudem sei er derjenige, der seit Jahren maßgeblich mitgeholfen hätte, dass Wels zu einem der wichtigsten Orte im österreichischen Radsport wurde. Die Tour de France ende in Paris, die Österreich-Rundfahrt in den vergangenen zwei Jahren nicht in Wien, sondern im kleinen Wels. Und so sitzen wir am Abend mit dem Wege-Kenner und Radsport-Förderer beim Essen in Astrids Restaurant. Der Wegerl-Pauli entpuppt sich als Präsident des Oberösterreichischen Landesradsportverbands und Ehrenpräsident des Radclubs Wels: Paul Resch. Der 67-Jährige, der jährlich noch 6.000 Kilometer im Rennradsattel sitzt, erinnert sich gut daran, wie er vor etwas mehr als 20 Jahren, als er mit seinem Bruder eine Großbäckerei betrieb, Sponsor des Radclubs wurde. Das heutige Profiteam der Stadt, das seine Wurzeln im RC Wels hat und lange von Reschs Bäckerei gesponsert wurde, das Team Felbermayr Simplon Wels, gilt als vielleicht bestes in Österreich. Und Sponsor Resch habe damals schon gewusst: Wir brauchen ein Kriterium! "Kriterien sind sportlich zwar zweifelhaft, aber zum Vermarkten des Radsports ideal, einfach eine gute Show", sagt der Umtriebige. Das Rennen heißt heute Welser-Innenstadt-Kriterium und hat namhafte Sieger in der Liste stehen, etwa Mark Cavendish, Bernhard Eisel und John Degenkolb. Schmunzelnd erinnert sich Resch daran, dass er den Sprintstar der 1990er- Jahre, Mario Cipollini, für einen Start in Wels einkaufen konnte: "Ich habe damals extra eine Zeitung fürs Rennen gedruckt, auf dem Titel war Cipo in einem Einteiler mit aufgedruckten Muskeln. Im Jahr zuvor hatten wir 2.000 Zuschauer, im Cipo-Jahr kamen 12.000 Leut’, darunter 5.000 Frauen."

Klettern an den Badeseen

Aber etwas wurmt den Wegerl-Pauli: Ein Jedermann-Rennen fehlt. "Ich habe von einem 224 Kilometer langen Marathon geträumt, der die drei Eurothermen Bad Hall, Bad Ischl und Bad Schallerbach verbindet", erzählt er. Nach ersten Austragungen wollte Resch, dass der Öberösterreichische Tourismus einsteigt und den Marathon bewirbt. Es wurde nichts daraus. Warum? "Do hamma’n Streit g’habt", bleibt Resch knapp. Dabei hätten sie doch hier die besten Voraussetzungen: "Du bist schon einen Kilometer außerhalb der Stadt auf einem asphaltierten Wegerl ohne viel Verkehr, wo hast du das sonst?"

Foto: Jörg Wenzel

Zur Runde am nächsten Tag verlassen Sandra und ich Wels nicht auf Wegerln, sondern im Zug. In zwölf Minuten sind wir 30 Kilometer weiter südwestlich, um ins nahe Salzkammergut zu starten und unser Tourenprogramm um zwei wunderbare Bergseen zu erweitern: den Atter- und den Mondsee. Früh erreichen wir das Nordufer des Attersees, blicken bis zu seinem Südende, wo sich die Berge schemenhaft aus dem Dunst schälen. Am Nordufer beginnen die Bediensteten der Cafés Tische für die Gäste herzurichten. Ein paar Spaziergänger genießen die Morgensonne. Der See liegt ruhig, sein Wasser ist so glatt, dass sich die Schwäne darin spiegeln. Auch auf der Uferstraße herrscht noch Ruhe, der Verkehr ist in den Morgenstunden noch erträglich. Wir rollen einen langen, moderaten Anstieg und eine wunderbare Abfahrt später am Mondsee über einen Uferradweg, der fast das Wasser berührt. Von dort geht’s flach zurück zum Attersee und steil zum noch weiter östlich gelegenen Traunsee. Den hatten wir schon auf der von Astrid empfohlenen Almtal-Radweg-Strecke vor zwei Tagen besucht; auf dem Rückweg nach Wels kam sie uns entgegengefahren. Und obwohl wir die meiste Zeit auf kleinen Straßen unterwegs gewesen waren, bog Astrid auf den letzten Kilometern in ein noch einsameres Sträßchen ab, den Güterweg ins Schauertal. Noch so ein Wegerl. Vielleicht ein Tipp vom Pauli ...

Informationen

Anreise Auto
Aus Süddeutschland via A 8 bis Salzburg, A 1 bis Voralpenkreuz, dort A 8 bis Wels-West und B 1 ins Zentrum; von München 250 Kilometer. Sonst via Regensburg, Passau (A 3), in Österreich A 8 bis Wels-West; von Frankfurt/Main 540 Kilometer. Die 10-Tages-Vignette für Autobahnen in Österreich kostet für Pkw 9,20 Euro.

Anreise Bahn
Per Eurocity nach Salzburg, dort per Railjet bis Wels; von Frankfurt/Main in sieben Stunden. Tipp: Der Europa-Sparpreis der Bahn kostet pro Strecke ab 39,90 Euro – solange der Vorrat reicht. Für die grenzüberschreitende Fahrradmitnahme ist eine Internationale Fahrradkarte erforderlich. In Deutschland kostet sie 10 Euro, beinhaltet eine Stellplatzreservierung und ist bis zum Zielbahnhof gültig.

Beste Reisezeit
Mai bis Oktober. In Oberösterreich mischen sich im Sommer wechselhaftes atlantisches mit trockenem Festlandklima. An den Alpen können sich Wolken stauen und Gewitter entladen (Regenschutz in die Trikottasche!), dafür bringt der Föhn manchmal warmes, trockenes Wetter an den Alpenrand. Die wärmste Region Oberösterreichs liegt zwischen den Städten Linz, Wels und Steyr, Richtung Berge kann es deutlich kühler werden; die trockensten Radmonate im Alpenvorland sind September und Oktober.

Foto: Jörg Wenzel

Essen & Trinken
Oberösterreichs Küche ist bekannt für Knödelgerichte, Wurst und Fleisch und die Linzer Torte. Die Knödel werden gebacken, gekocht, gefüllt, süß oder sauer verspeist, als Hauptgericht, in der Suppe oder als Beilage und heißen dann beispielsweise Grammelknödel, Krautknödel oder Semmelknödel. An den Seen des Salzkammerguts gehört Fisch auf die Speisekarte. Oberösterreich gilt auch als Land der Biere und des Mosts. Mehr als 50 Brauereien brauen Biere vom beliebten Märzen bis zum Lager. Der Most, ein vergorener Saft mit fünf bis acht Prozent Alkoholgehalt, wird aus Birnen oder Äpfeln hergestellt und war früher ein Bauerngetränk, das zur Arbeit am Feld serviert wurde.

Restaurant-Tipps
Olivi (Wels)
Hafergasse 3
Telefon 0043/(0)7242/911900
www.olivi.at
Im Zentrum von Wels serviert Rennradlerin Astrid Pöcherstorfer-Wolf feine italienische Küche und Holzofenpizza in modernem Ambiente.

Gösserbräu (Wels)
Kaiser-Josef-Platz 27
Telefon 0043/(0)7242/60460
Gute regionale Küche, auch Vegetarisches, serviert bei gutem Wetter im großen Biergarten.

Gasthaus zur Kohlstatt (Thalheim)
Ascheterstraße 40
(15 Geh-Minuten vom Zentrum in Wels)
Telefon 07242/44340
www.kohlstatt.at

Bei Rennradler Franz Müller und seiner Frau Eva kommt gute bodenständige Küche auf den Tisch, traditionell oft mit Fleisch, es gibt aber auch feine Fischgerichte.

Unterkunft
Boutique Hotel Hauser
Bäckergasse 7
Wels
Telefon 0043/(0)7242/45409
www.hotelhauser.com
Das freundlich geführte Haus im Zentrum besitzt einen Fahrradraum, Werkzeug fürs Rad, eine Duschmöglichkeit am Abreisetag nach einer Tour und bietet Rennradfahrern Pauschalen an: z. B. zwei Nächte im Doppelzimmer mit sehr gutem Frühstück und einem üppigen Snack nach der Radtour kosten 169 Euro pro Person. Weitere, auf Rennradler eingerichtete Unterkünfte unter www.wels.at/rennrad

Literatur & Karten
Reiseführer: "Oberösterreich: Natur und Kultur zwischen Böhmerwald und Alpen", 380 Seiten,
Trescher-Verlag 2018; 17 Euro

Karte: Autokarte "Oberösterreich", 1:150:000, Freytag & Berndt 2017; 10,90 Euro

Infos
Wels Marketing & Touristik GmbH
Stadtplatz 44
4600 Wels
Telefon 0043/(0)7242/6772222
www.wels.at/rennrad

Ein Roadbook mit 14 Rennradtouren ist dort für 9,90 Euro zu kaufen – im Paket enthalten, für alle, die in einem der Rennrad-Hotels eine Rennrad-Pauschale buchen.
Steyrs schmucke Altstadt ist ein hübscher Rast- und Wendepunkt unserer Tour 3
Typisch Alpenvorland: Bauernhof südlich von Wels

Radservice
4Sports
Dragonerstraße 67
Wels
Telefon 0043/(0)7242/77703
www.4sports.at
Auch Rennradverleih: ab 29 Euro pro Tag, 130 Euro für eine Woche; Alu-Rahmen mit Shimano-105-Gruppe.

CFK Sportartikelhandel
Innbachtalstraße 17
Kematen
(15 km westlich von Wels)
Telefon (mobil) 0043/(0)43664/2148373
www.cfk.cc

Radrennen

Österreich-Rundfahrt
Seit 2014 führt eine Etappe durch Oberösterreich, 2017 und 2018 endete die Rundfahrt in Wels, dieses Jahr wird sie dort am 6. Juli starten. Infos unter www.oesterreich-rundfahrt.at

Oberösterreich-Rundfahrt
Findet im Juni statt und führt über drei Etappen. Infos www.ooe-radsportverband.at, dort unter "Veranstaltungen".

Welser Innenstadt-Kriterium
Am Mittwoch, drei Tage nach Ende der Tour de France, startet das Profirennen; 2019 zum 21. Mal. Infos unter www.innenstadtkriterium.at

Welser Kirschblütenrennen
Das älteste Straßenradrennen Österreichs findet jährlich im April statt.
Infos unter www.radclubwels.at

Retro-Touristikfahrt
Die Kirschblüten-Radklassik ist eine Touristikfahrt ohne Zeitnahme, die Ende April in Eferding, 20 Kilometer nördlich von Wels, startet. Kategorien: "Vintage", mit Rennrädern von vor 1987, und "Stahlrennrad", auch moderne. Distanzen: 50, 75 und 100 Kilometer. Infos unter www.kirschbluetenradklassik.at

Foto: Jörg Wenzel