Wo die Alpen Richtung Ungarn verebben, liegt in Niederösterreich eine fast vergessene Region mit einem fein gewobenen Netz aus Nebenstraßen – und unzähligen Buckeln, die viele Höhenmeter versprechen.
Haste mal ’nen Riegel?", sollte der vom Hungerast geplagte besser nicht fragen. Zumindest nicht, wenn er in der Buckligen Welt mit Einheimischen radelt. Dann kann es nämlich passieren, dass die niederösterreichischen Freunde nichts Nahrhaftes für den kleinen Hunger aus der Trikottasche ziehen, sondern unverzüglich die nächste Rampe ansteuern. Zum Beispiel die auf den 896 Meter hohen Kühriegel. Direkt aus dem Örtchen Krumbach heraus, schwingt sich das Sträßchen – vorbei an stattlichen Bauernhöfen – in die Höhe, steiler und länger als erwartet. Oben angekommen, braucht man einen Energieriegel noch nötiger als unten. Jetzt nur nicht noch mal danach fragen, denn in der Buckligen Welt staffeln sich die Riegel hintereinander wie Wellen auf dem Ozean.
Kaiserriegel, Reitriegel, Glanznriegel – und Andreas Ottner kennt sie alle. Der Wirt vom Krumbacherhof steigt in den Sattel, wenn es die Arbeit in der Küche zulässt. Oft aufs Mountainbike, immer öfter auch aufs Rennrad. Dabei ist der Unterschied zwischen Rennradfahren und Mountainbiken in der Buckligen Welt, wo die Nebenstraßen eher asphaltierten Trails gleichen, gar nicht so groß. "Am besten rechnest du immer mit einem Hügel mehr", empfiehlt Andreas, als wir bei einem kühlen Bier unsere Tagestour Revue passieren lassen. Stimmt, mehr als einmal habe ich mich unterwegs täuschen lassen. So sah ich, aus fast jeder Himmelsrichtung, greifbar nah die Doppeltürme der Wallfahrtskirche Maria Schnee, die auf der Lichtenegger Höhe hockt. Doch die Nähe trügt. Als wir sie endlich erreichten, hatten wir fünf oder sechs Täler durchquert und das Dreifache der Wegstrecke per Luftlinie zurückgelegt, inklusive einiger "Zupfer", wie die niederösterreichischen Rennradler giftige Rampen nennen. Offensichtlich, weil’s hinterher ordentlich in den Waden zupft.
Den gesamten Reisebericht und die GPS-Daten zu diesen Touren finden Sie unten als Download:
• Tour 1: Zum Semmering (85 km, 1.900 Hm, max. 12 % Steigung)
• Tour 2: Wellige Wallfahrt (80 Kilometer, 1.350 Höhenmeter, max. 15 % Steigung)
• Tour 3: Seiten-Wechsel (71 Kilometer, 1.360 Höhenmeter, max. 9 % Steigung)
• Tour 4: Über alle Riegel (96 Kilometer, 1.880 Höhenmeter, max. 13 % Steigung)
In Niederösterreich erstreckt sich die Bucklige Welt, auch genannt "Land der 1.000 Hügel", südlich von Wiener Neustadt bis zum Burgenland und der Steiermark. Im Osten verläuft die Grenze zu Ungarn. Im Westen, jenseits des Pittentals, erheben sich Wechselgebirge und Semmering: Diese Gebirgszüge werden vielfach noch zur Buckligen Welt gezählt. Im Gegensatz zum typischen Alpenvorland (beispielsweise dem Allgäu) findet man in der Buckligen Welt aber kaum Viehwirtschaft, sondern vor allem Obstanbau (Äpfel und Birnen). In den Hügeln selbst liegen nur wenige, meist kleinere Dörfer mit kaum mehr als 2.000 Einwohnern. Größere Gemeinden findet man entlang des Nordrandes im Wiener Becken.
Man könnte die Region als eine Mischung aus Alpenvorland und Mittelgebirge beschreiben. Dementsprechend zeichnen sich die Touren durch typische Sägezahnprofile aus. Man bewegt sich hauptsächlich zwischen 400 und 800 Metern Meereshöhe. In Richtung Wechselgebirge und Semmering geht es bis knapp auf 1.000 Meter. Schmale Nebenstraßen sind häufig, man begegnet dort eher einem Bauern auf dem Trecker als Autos. Der große Verkehr fließt durchs Pittental (Autobahn A 2) und Richtung Semmering. Die Steigungen an einigen Rampen sind nicht zu unterschätzen, und allein die Anzahl der Hügel kann zermürben.