Manchmal hat die Planungssoftware echt Humor. Oder vielmehr: Sie fordert ihn von ihren Nutzern ein, wenn eine Asphaltstraße plötzlich zur steinigen Traktorpiste wird, obwohl man doch bei der Streckenplanung extra auf Google Street View den Straßenbelag kontrolliert hat. Aber die Stichprobe lag eben 200 Meter entfernt ... Also zurück und auf einem anderen Weg nach Mogliano. Oder Petriolo. Oder Passatempo. Navigations-Apps wie Komoot lernen das Streckennetz offenbar präziser kennen, je mehr Rennradlerinnen und Rennradler dort unterwegs sind. Und das ist hier, im Hinterland der Adria, nicht der Fall. Oder fahren hier nur Einheimische, die ihre Runden ohnehin schon kennen und sie dem Internet lieber nicht verraten?
Mein auf Rennradler eingestelltes Hotel aus dem “Roadbike Holidays”-Hotelverbund zeigt zwar etliche Strecken online, doch als Reisereporter hat man seinen Stolz und obendrein die Idee, eine Region möglichst umfassend zu erkunden. Das gilt besonders, wenn ganz in der Nähe das bekannte Revier um Cesenatico in der Emilia-Romagna liegt, in dem sich Italiens einstiges Radidol Marco Pantani die physischen Grundlagen für seine legendären Berg-Attacken antrainierte. Die Region Marken schließt direkt südlich an. Der Blick auf die Landkarte kündet von Potenzial: Während im breiten Flachland hinter Cesenatico schnurgerade Straßen eher Langeweile androhen, geht es im Revier südlich von Ancona gleich kurvig zur Sache. Mit dem Monte Conero liegt ein 500-Meter-Gipfel in Steinwurfweite vom Meer, und ein Stückchen im Landesinneren soll es über 2.000 Meter hochgehen. Das sieht gut aus!
In der Gemeinde Potenza Picena macht auch die Wirklichkeit jenseits der Landkarte Spaß. Nach der Stippvisite in einem Delikatessenladen habe ich noch einen Bäcker mit duftender Focaccia schräg gegenüber gefunden und spontan beschlossen, die erste Inlandsrunde ruhig anzugehen. Mit einem zweiten Frühstück auf historischen Treppenstufen sitzend, schaue ich dem dörflichen Italien in den Alltag. Randnotiz: Für vier Euro genieße ich Leckereien, die zu Hause mit mieseren Aromen mindestens das Doppelte kosten würden. Der Punkt in der Disziplin “Feinkost“ geht nach Italien – in Potenza Picena und praktisch immer, wenn der Abstand zum Strand groß genug ist. Ein Café, vor dem viele sitzen? Ein Ristorante, vor dem mittags Handwerkerautos parken? Nichts wie rein!
Zu behaupten, die Marken seien aus Radlersicht ein einzigartiges Glanzlicht auf der Weltkarte, wäre dennoch verfehlt. Touristiker beschreiben die Marken als “echt”, “rau” oder gar “wild”. Tatsächlich wirken Orte und Äcker nicht ganz so geschleckt wie in der westlich gelegenen Toskana. Die schon früh im Jahr abgeernteten Felder liegen aber auch hier so akkurat da wie nass gekämmtes Haar oder ein Kiesbett nach der Morgenroutine eines Zen-Gärtners, doch vieles wirkt struppiger und weniger Instagram-geeignet als in der bekannteren Nachbarregion. Der Asphalt zum Beispiel: Die kleinen Sträßchen, die mitunter anstrengend geradlinig zu den hoch gelegenen Orten führen, erfordern im Wechsel von Licht und Schatten ständige Aufmerksamkeit auf Risse, Kanten, Kuhlen. Und von den breiteren, fein asphaltierten Straßen im küstennahen Bereich werden Radler rabiat verdrängt. Denn die von Freunden der italienischen Lebensart oft gerühmte Lässigkeit im Umgang mit starren Regeln bezieht sich offenbar auch auf das Gebot, Radler mit mindestens 1,5 Meter Abstand zu überholen. Und so gilt es, zumindest in einem etwa 15 Kilometer breiten Streifen ab Sandstrand die Nerven im Verkehr zu bewahren oder auf holperige Schleichwege zu flüchten.
Das Revier ist dreigeteilt. Unten – also: ganz unten – liegt der Küstenstreifen mit seinem fast schon industriell genutzten Adria-Sand voller kostenpflichtiger Liegestühle, Hüpfburgen und dem Blick auf ein zaghaft plätscherndes Meer plus vorgelagerten Wellenbrechern. Zum Klischee des Spülsaums gehört auch die unmittelbar anschließende Logistikzone aus Strandcafés, Parkplätzen und in Flipflops watschelnden Menschen mit Kühltaschen. Ein paar Meter weiter im Landesinneren liegt die gültige Grenze dieses schmalen Streifens: Fernstraße und Bahnlinie. Die Orte an der Küste selbst sind eher weniger bedeutend als diejenigen in der zweiten Zone der Landschaft. So ist Porto Recanati historisch gesehen nur der Meereszugang der 300 Meter hoch gelegenen prächtigen Stadt Recanati, und Porto Potenza Picena ist der kleine, touristische Ableger des größeren Ortes Potenza Picena, der hübsch auf einem Berg im Inland thront.
Damit wäre Zone zwei schon erwähnt. Sie reicht, grob geschätzt, 50 Kilometer ins Landesinnere. Hier spielt für Radler mit Küstenquartier die Musik. Die Orte liegen auf Kuppen, die scheinbar ungeordnet aus dem Flachland wachsen. Die vielen Flüsse der Region sind nicht dominant genug, um den Wildwuchs an mittelgebirgigen Aufwerfungen irgendwie zu strukturieren. Eher unauffällig sickern die Gewässer in der trockeneren Jahreszeit zwischen Schilfhalmen meerwärts. Nur die Hauptstraßen orientieren sich an diesen Senken, der Rest der Wege folgt den Hügelkämmen von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt. Und weil die Autofahrenden aller Geschlechter auch in der Provinz Marken ungern weite Bögen um Radler fahren, machen sportliche Radler eben weite Bögen um diese Hauptstraßen in den Tälern. Sie rollen stattdessen Kuppen herunter, klettern steil zwischen Getreidefeldern bergauf – und sammeln dabei ordentlich Höhenmeter. 1500 Höhenmeter auf hundert Kilometer Strecke sind im Marken-Mittelgebirge eine gute Kalkulationsgrundlage.
Zone drei beginnt dagegen eher allmählich. Wo die Hügel etwa 500 Meter Höhe erreichen, werden die Felder kleiner, die Waldflächen größer und die Autodichte immer geringer. Der Apennin formt dort die Monti Sibillini, von denen der kleinere Teil südlich in Umbrien liegt. Fast 2500 Meter hoch sind einige Gipfel, auf alpine 1500 Meter führen aussichtsreiche Passsträßchen. Von der weit entfernten Küste aus ohne Transfer dort hinaufzukurbeln, ist sehr ambitioniert. Doch an der Küste stationiert zu sein, ohne die Sibillini zu berennen, ist definitiv ein Versäumnis. Ein schöner Ausgangsort für eine Runde in die Monti Sibillini ist das mittelalterliche Städtchen Tolentino, eine knappe Autostunde hinter der Küste gelegen. Als ich am Hauptplatz aufs Rad steige, beginnt für elegant unter Arkaden stöckelnde Geschäftsfrauen der Arbeitstag, während die Herren von der Stadtreinigung schon mit einem Pausen-Espresso auf dem Pflaster stehen. Es ist früh am Tag, der mittelalterliche Uhrenturm wirft einen langen Schatten und weist mir die Richtung: Es geht landeinwärts, nach Westen. Dahin, wo die Horizontlinie vom Meer aus so vielversprechend zackig aussah und die Karte weite Maschen im Straßennetz verspricht.
Im Jahr 2016 zerstörte ein Erdbeben einige Orte im Inneren des Gebirges, auch Straßen und Brücken waren betroffen. Doch der Ostabhang der Sibillini, den ich befahren will, hat offenbar wenig abbekommen. Ein paar Einträge im Routenplaner künden zudem von diversen beglückten Rennradlern und ihren Strecken. Auf der Suche nach größtmöglichem Kontrast zum Sandstrand führt meine Planung so rasch wie möglich in ein Seitental. Ganz allmählich regelt die Straße die Steigungsprozente hoch – irgendwie müssen die 2000 Höhenmeter der Tagesdosis schließlich zustande kommen. Hinter dem winzigen Ort Morichella addiert sich beiläufig Meter um Meter. Eine breite, einsame Serpentinenstrecke windet sich durch mediterranen Laubwald und erlaubt ab und zu die Aussicht bis zum Meer. Nach zehn Kilometern macht die Steigung Pause. Topfeben begleitet die Straße das Ufer des Lago di Fiastra. Ein paar Wochenendhäuser und Restaurants stehen um den Stausee herum, an seinem Westende knistern abkühlende Motorräder in der Sonne. Ich habe höhere Ziele und klettere weiter.
In kühler Luft wird die Vegetation immer alpiner, die immer noch zweispurige Straße ist fast autofrei. In Bolognola, dem letzten Ort vor der Passhöhe, speisen die örtlichen Handwerker ein nahrhaftes Drei-Gänge-Menü, doch für mich muss eine Minestrone reichen. Zu weit ist es noch zum Scheitelpunkt am Valico di Santa Maria Maddalena (1455 Meter), um mit vollem Bauch zu treten. Das für alpine Verhältnisse eher putzige Skigebiet am Pass unterhalb des Monte Sassotetto ist menschenleer: kein geöffneter Kiosk, der eine Konzentrations-Cola für die Abfahrt anböte, kein Parkplatz mit Aussichtsplattform. Ganz unspektakulär neigt sich die Straße immer steiler und in zunehmend scharfen Kurven vom Skigebiet wieder Richtung Küste – eine Art Powder Run für Radler, mit genau der richtigen Mischung aus nötiger Tempokontrolle und aufblitzender Fernsicht für einen gepflegten Abfahrtsrausch.
Etliche Hundert Höhenmeter tiefer, bei zwei Espressi und leckeren Törtchen (für zusammen knapp vier Euro) ist die Zeit reif für ein Zwischenfazit: Was spricht dafür, bis hinter Ancona zu fahren, statt um Rimini oder Cesenatico zu kreisen? Neugier ist immer ein gutes Argument. Die Suche nach touristisch weniger erschlossenen Orten wird erfolgreich verlaufen. Doch den stärksten Eindruck hinterlässt die Vielfalt auf engem Raum: Zwischen den akkuraten Liegestuhlreihen der Adria und der menschenleeren Weite der Sibillini-Berge liegen in gerader Linie vielleicht 60 Kilometer. Ein Konzentrat aus Küste, Hügelland und Hochgebirge, gewürzt mit markanten Dörfern und reichlich Fernsicht. Es gibt schlechtere Gründe, das Rad einzupacken.
Anders als fast überall in Deutschland liegen die historischen Ortskerne in den Marken (und etlichen anderen Regionen Italiens) meist auf den Bergkuppen. Warum eigentlich? Wir haben einen Experten gefragt: Professor Dr. Thomas Ertl lehrt an der Freien Universität Berlin “Geschichte des Mittelalters”.
Dr. Thomas Ertl sagt Folgendes:
Dass die Dörfer auf den Hügeln liegen, ist keine Spezialität der Marken. Es ist eher ein verbreitetes Phänomen im Mittelmeerraum. Das hat sicher etwas mit dem Klima zu tun, mit der Flucht vor der Hitze. In manchen Tallagen, gerade an sumpfigen Flussmündungen, könnte auch der Schutz vor Malaria eine Rolle spielen. Was aber definitiv dazukommt, ist die bessere Verteidigung aus einer erhöhten Position. Im Mittelalter gab es vonseiten der Herrscher in Italien den Trend zum „Incastellamento“, also zur Ansiedlung der Bevölkerung innerhalb befestigter Siedlungen. Das war eine Win-win-Situation: Die Fürsten hatten die Bevölkerung besser unter Kontrolle, und gleichzeitig waren die Leute besser vor Raubzügen und Überfällen geschützt. Man musste sie da nicht mit der Peitsche hineintreiben – die Machtverhältnisse waren einfach sehr instabil und die Zeiten unruhig. Denn obwohl die Marken seit dem 12. Jahrhundert im Besitz der Päpste waren, bekämpften sich die vielen vom Kirchenstaat begünstigten Adelsgeschlechter untereinander. Die befestigten Ortskerne sind also eher das Ergebnis eines Wettrüstens untereinander als eine gemeinsame Abwehrmaßnahme gegen Invasoren.
Bahn: Ab München (das für die meisten deutschen Startorte auf der Route liegt) fährt die Bahn mit mindestens zweimaligem Umstieg (Bologna und Senigallia oder Ancona) in etwa 9,5 Stunden nach Porto Recanati (mit Rad in 10,5 Stunden), das vier Kilometer nördlich unseres Standorts liegt. Fahrradmitnahme ist nach Reservierung möglich, Infos und Reservierung unter der Service-Rufnummer 030/2970. Tipp: Wer sich die komplizierte Zubuchung und Reservierung des Rades sparen will, nimmt den Renner zerlegt in Radtasche oder Radkoffer kostenlos mit.
Auto: Von Frankfurt am Main bis zum 1.160 Kilometer entfernten Ziel und wieder zurück werden etwa 140 Euro Maut fällig. Dafür verläuft die Strecke praktisch komplett auf Autobahnen.
Die besten Zeitfenster öffnen sich von Anfang Mai bis Anfang Juni und von September bis Oktober. Weil die touristische Infrastruktur nicht so radorientiert ist wie etwa um Rimini, sind vor Mai nur wenige Unterkünfte geöffnet. Früher im Jahr wäre auch die prachtvolle Etappe in die Monti Sibillini mit ihrer fast 1.500 Meter hohen Passhöhe schwer kalkulierbar – es könnte Schnee liegen. In der sommerlichen Hauptsaison sind Flach- und Hügelland zu heiß und zu voll.
Das Hotel mit Werkstatt, Abstellplätzen und Waschplatz für Räder ist Mitglied bei „Roadbike Holidays“, einer Gruppe von Hotels, die sich auf die Bedürfnisse von Rennradfahrern spezialisiert haben. Das Resort selbst besteht aus einem eng mit etwa 200 kleinen Holzhäusern bebauten, schmuck bepflanzten Grundstück zwischen der Hauptstraße SS16 und einer Bahnlinie. Zum Privatstrand führt ein Fußgängertunnel, ein großer Pool und ein Restaurant gehören zum Resort. Halbpension mit reichhaltigem Büffet ist empfehlenswert. Durch die Lage zwischen den beiden Verkehrswegen sind diese jedoch hörbar. Ein Chalet für zwei Personen kostet für fünf Nächte ab 400 Euro, mit Halbpension ab 600 Euro. www.natural-village.it
Natürlich gibt es Wein in den Marken, auch Käse und Olivenöl in erfreulicher Qualität. Doch zwei regionale Leckereien sind uns besonders aufgefallen: Die weiche, streichfähige Ciauscolo- Salami ist als Produkt mit geschützter geografischer Angabe eine amtlich anerkannte Spezialität. Auch die tischtennisballgroßen, fleischgefüllten und frittierten Ascolana-Oliven sind ein echtes Marken-Produkt. Während eines Stopps in Potenza Picena (Tour 2 und 3) sind wir eher zufällig in die sehr gut mit prämierter Salami, Käse und diversen anderen Spezialitäten sortierte Salumeria Tre Torri (www.salumitretorri.it) geraten, eine von sechs Filialen des Produzenten in der Region. Eine echte Empfehlung fürs Souvenir-Shopping. #
Im großen Landgasthof „Zur Goldenen Zwiebel“ gönnen sich einheimische und reisende Fleischfreunde eine große Auswahl an teils einfallsreich zubereiteten Stücken von Lamm, Wildschwein, Rind und Ente. Auch Pasta und Pizza sind geboten, doch die Fleischspezialitäten sind das Kerngeschäft. Sehr gute Qualität und große Portionen. Für Pasta und „Secondo“ sind schnell 35 Euro beisammen. Telefon 0039/0733/676424 www.cipolladoro.it
Fisch und Meeresfrüchte sind das Thema des Restaurants, das abseits der strandnahen Flaniermeile in Sirolo (Tour 1) liegt. Dort geht es eher um Genuss und Esskultur als um rasche Sättigung. Ein vielseitiges Menü mit diversen Fischgängen kostet inklusive Kaffee und Nachspeise 60 Euro. Telefon 0039/331/4109480 www.ristorantedellarosa.it
Eine Sehenswürdigkeit, die ohne Adresse auskommt: Die Basilika krönt das Städtchen Loreto unübersehbar. Sie gilt als eines der wichtigsten katholischen Pilgerziele weltweit, denn in ihrem Inneren steht der Überlieferung zufolge das Haus aus Nazareth, in dem die Gottesmutter Maria geboren wurde. Dieses Haus soll im 13. Jahrhundert von Engeln aus Nazareth nach Loreto gebracht worden sein. Auch wenn sich die Geschichte technisch anders abgespielt haben dürfte, fanden Archäologen Belege dafür, dass die in der Basilika aus dem 15. Jahrhundert prachtvoll umbauten Steine der Grundmauern tatsächlich aus dieser Gegend stammen und mutmaßlich von Kreuzrittern vor den anrückenden Muslimen gerettet wurden. Loretos Zentrum ist auch für Nicht-Katholiken höchst eindrucksvoll.
Die Extrem-Runde der 5 Mila Marche, womit 5.000 Höhenmeter der Marken gemeint sind, umfasst das komplette Revier dieser Reportage. Außer dieser Strecke über 274 Kilometer und 5.300 Höhenmeter gibt es auch kürzere Runden. Das Event ist Teil der Granfondo-World-Tour. Nächster Start ist vom 19. bis 21. September 2025. www.5milamarche.com Darüber hinaus listet die Seite granfondomarche.it ein halbes Dutzend weiterer Veranstaltungen in der Gegend auf, vom Zeitfahren bis zum Rennen über „strade bianche“ (Schotterstraßen).
In Numana, zwölf Kilometer nördlich des Standorts, verleiht Conero by Bike Rennräder. Beispiel: Mittelklassige BMC-Carbonräder kosten für fünf Tage 210 Euro, die Anlieferung ist möglich. www.conerobybike.it/en/ bike-rental
letsmarche.it - Webseite des Tourismussektors der Region Marken
www.italia.it/en/marche - Website des staatlichen italienischen Fremdenverkehrsbüros (italienisch oder englisch).
Auto- und Freizeitkarte „Marken, Ancona“, 1:150.000, Freytag und Berndt, 2020; 12,90 Euro.
Etwa 100 Kilometer südlich des bekannten Rennrad- Trainingsreviers um Rimini liegt Ancona, der nördliche Eckpunkt unseres Zielgebietes, an der mittelitalienischen Adriaküste. Die Region Marken grenzt im Norden an Emilia- Romagna und Toskana, im Süden an die Regionen Latium und Abruzzen und im Westen an Umbrien. Die Küste mit ihren langen, geradlinigen Sandstränden wird intensiv touristisch genutzt, während die über 2.000 Meter hohen Gipfel des Apennins im Landesinneren kaum besucht werden. Die meist mittelgebirgige Landschaft dazwischen ist intensiv landwirtschaftlich genutzt und wenig bewaldet.
Drei der vier Touren starten direkt am Meer, ausgehend vom „Natural Village Resort“ bei Porto Potenza Picena. Genauso gut ließe sich ein Hotel im nördlich gelegenen Porto Recanati wählen. Diese Touren bewegen sich größtenteils in Höhen bis 300 Meter und – wo immer möglich – auf kleinen und kleinsten Straßen. Die besser ausgebauten Straßen in den Tälern oder in Küstennähe sind tendenziell verkehrsreich oder schmal. Flachstrecken und für größere Gruppen geeignete Passagen sind daher selten. Im Landesinneren wird es rasch ruhiger, doch der Asphalt ist bisweilen grob oder schadhaft. Wir empfehlen voluminöse Reifen und bergtaugliche Übersetzungen für oft hochprozentig steile Anstiege. Die Ortschaften liegen meist auf den Gipfeln der rundlichen Berge, viele Straßen verlaufen daher auf Höhenrücken. Ganz anders stellt sich das hochgebirgige Gelände der Monti Sibillini dar, in das eine unserer Touren führt. In der dünn besiedelten Gegend sind die Anstiege (bis auf 1.500 Meter Höhe) teils lang, doch auch auf etwas breiteren Straßen sehr entspannt zu fahren. Die Versorgungslage in diesem Gebirge ist schlecht.
Diese und viele andere Touren finden Sie unter touren.bike-magazin.de. TOUR-Leser und Premium-Abonnenten kommen auch über “mein Bereich” auf tour-magazin.de an die GPS-Daten.
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63 Kilometer | 1.000 Höhenmeter | max. 16 % Steigung
Der Monte Conero ist mit seiner Höhe von 572 Metern kein Gigant, doch er steigt unmittelbar aus dem Mittelmeer und liegt nur einen Steinwurf vom Blau der Badebuchten entfernt. Damit ist er ein prima Aussichtspunkt über die Küste – zumindest, wenn man oben von der Aussichtsterrasse des Café Americano zwischen den Bäumen herausspäht. Nicht ganz die Hälfte der 63 Kilometer führen topfeben direkt hinter den parzellierten Stränden entlang. Aufmerksamkeit ist zwischen den Badegästen geboten, zum Glück fahren die Autos dort langsam. Ab Numana steigt die Straße dann unvermittelt an, von wenigen Flachpassagen unterbrochen. Die ruhigste, aber anhaltend mehr als zehn Prozent steile Passage ist die Stichstraße zur Kirche und den Cafés in Gipfelnähe, die an einem Parkplatz auf 474 Metern Höhe endet. Der fast hundert Meter höhere Gipfel ist Militärgelände, die Straße dorthin ab rund 520 Meter Höhe gesperrt. Nach der Abfahrt schließen aussichtsreiche, an Wochenenden aber abschnittsweise lebhafte Straßen den Kreis nach Numana. Zum Ausrollen und für einen Kaffee mit Meerblick ist auf dem Rückweg längs der Uferstraße reichlich Gelegenheit.
108 Kilometer | 1.600 Höhenmeter | max. 10 % Steigung
Diese Runde entspricht weitgehend der mittleren Strecke des Granfondo 5 Mila Marche. Dass sie sich bei Montefano problemlos (durch Auslassen der nördlichen Schleife) abkürzen lässt, ist evident. Doch gerade der nördliche Teil ist besonders aussichtsreich, gut asphaltiert und reizvoll. Die offene Landschaft bietet wenig Sonnenschutz, dafür sind die Anstiege deutlich moderater als beispielsweise auf Tour 3. In der Innenstadt von Macerata geht es etwas hektisch zu, weshalb wir die höchst beschauliche Rast in ein Café in Montecassiano verlegen. Der letzte größere Ort auf der Strecke, Recanati, glänzt einmal mehr mit einer einladenden Altstadt. Und weil es von dort nur noch bergab geht, ist ein weiterer Stopp sicher kein Fehler; die Granfondo-Streckenscouts haben jedenfalls gute Arbeit geleistet.
Rasttipp: Montecassiano (Km 42,8), Pasticceria-Bar Carnevali, Via Borgo Garibaldi 35.
106 Kilometer | 1.500 Höhenmeter | max. 15 % Steigung
Früh am Sonntagmorgen, bevor die Ausflügler aufbrechen, dominieren einheimische Radsportler die flache Küstenstraße. Es ist eine „Strada statale“ (Staatsstraße), das Äquivalent zu einer deutschen Bundesstraße, und entsprechend nicht zu jeder Zeit entspannt zu befahren. Für den Anstieg hinter Civitanova haben wir uns für ruhige, dafür teils rumpelige Straßen über die Hügel entschieden – aufgrund des dichten Straßennetzes gibt es viele Alternativen. Montegiorgio, auf gut 400 Metern Höhe gelegen, bietet reichlich Gelegenheiten für einen Kaffee oder ein Stück Pizza, bevor man überwiegend auf Bergrücken über Mogliano und Petriolo abwärts zu einem großen Gewerbegebiet an der Fernstraße rollt. Das ist aber schnell durchquert und verschwindet mit einem Gegenanstieg im Tal. Etliche Berge später führt ein Schleichweg zurück ans Meer.
Rasttipp: Montegiorgio (bei Km 44,2 nicht links, sondern der Hauptstraße 200 Meter bergauf folgen), Il Grottino de lu Papa, Via Ospedale Diotallevi 5, Telefon 0039/3311555170.
96 Kilometer | 2.000 Höhenmeter | max. 12 % Steigung
Auf den Touren 1 bis 3 waren die Monti Sibillini nur eine blaugraue, alpine Silhouette am Horizont, nun sind sie das Zielgebiet. Zum Startort Tolentino führt eine mautfreie Straße in einer knappen Autostunde. Wir haben den Start dort an einen videoüberwachten Parkplatz (40 Cent/Stunde) am Westrand der Altstadt gelegt. Auch per Bahn ist Tolentino direkt mit der Küste (Civitanova Marche) verbunden. Nach etwa zehn Kilometern verlassen wir das Haupttal und folgen einer ruhigen, grünen Nebenstrecke allmählich immer tiefer ins Gebirge. Ein erstes Highlight ist die breite, in der Nebensaison fast autofreie Straße zum Fiastra-Stausee, an dem die meisten der wenigen Touristen ihr Tagesziel erreichen. Wir klettern auf immer noch guter Straße links aufwärts, um mit der Passhöhe Valico di Santa Maria Maddalena (1.455 Meter) ein kleines Skigebiet zu erreichen. Von dort geht es 14 rasante Kilometer hinab nach Sarnano. Die folgenden wenigen Kilometer auf der Staatsstraße sind undramatisch, danach schlingt sich die Route mit etlichen Gegenanstiegen wieder einsam zurück nach Tolentino. Eine großartige Ergänzung zum übrigen Revier – mit wenigen Einkehrmöglichkeiten im oberen Bereich. In Bolognola, etwa 400 Höhenmeter unterhalb der Passhöhe, haben wir jedoch sehr gut gegessen.
Rasttipp: Bolognola (Km 43,8), Bar Ma & Pa, Piazza Giacomo Leopardi 17, Telefon 0039/3333374488.In den Marken, wie in vielen Regionen Italiens, hocken die mittelalterlichen Dörfer auf den Hügeln. Das zwingt Radler unweigerlich zu einiger Kletterei | Foto: Jörg Spaniol