Rennrad-Reisen6 schöne Rennrad-Ziele am Mittelmeer für Herbst und Winter

Sven Bremer

 · 15.09.2024

Korsika: Radeln und Genießen am Cap Corse bei Nonza
Foto: Günther Standl
Zum Radfahren in Herbst und Winter locken kleine Fluchten an schöne Fleckchen rund ums Mittelmeer. Wir stellen sechs empfehlenswerte Ziele vor.

Korsika: Atemberaubend

Als „Kalliste“, die „Schöne“, bezeichneten die Griechen Korsika bereits in der Antike. Und wer einmal auf der französischen Mittelmeerinsel war, der wird wohl kaum widersprechen wollen. Flach ist es nur an der Ostküste, ansonsten sammelt man auf „Corse“ reichlich Höhenmeter. Mehr als 70 Gipfel ragen über 2.000 Meter in den Himmel, der Monte Cinto ist mit 2.706 Metern der höchste.

Korsika: Radeln und Genießen am Cap Corse bei NonzaFoto: Günther StandlKorsika: Radeln und Genießen am Cap Corse bei Nonza

Mit dem Rennrad in der korsischen Berglandschaft unterwegs zu sein, ist eine schweißtreibende Angelegenheit. Wobei es durchaus sein kann, dass man eine Gänsehaut bekommt beim Radeln durch diese atemberaubende Landschaft: nicht etwa, weil es kühl wird, sondern weil es so unfassbar schön ist. Die Highlight-Touren auf Korsika führen entlang der Westküste des Cap Corse ganz im Norden sowie über den Col de Bavella im Süden der Insel, eine Landschaft, die aufgrund ihrer bizarren Felsformationen auch als „korsische Dolomiten“ bezeichnet wird. Ein Geheimtipp sind die Touren durch die menschenleere Berglandschaft östlich von Corte, der „heimlichen Hauptstadt“ Korsikas.

Beschaulich: der Hafen von Erbalonga am Cap CorseFoto: Günther StandlBeschaulich: der Hafen von Erbalonga am Cap Corse

>> TOUR-Tipp: Auf dem Fernradweg GT (Grande Traversée) durchquert man Korsika von Nord (Cap Corse) nach Süd (Bonifacio) oder umgekehrt. Knapp 600 Kilometer, „nur“ rund 10.000 Höhenmeter.

  • Anreise: Flüge ab diversen Airports in Deutschland nach Bastia oder Ajaccio. Fähren ab Genua, Livorno und Marseille
  • Preisniveau: hoch
  • Leihrad: Cycles 20, 8 Rue Chanoine Bonerandi, Bastia, Tel: + 33 4 95 32 30 64
  • Verkehr: Wenig Verkehr auf den Nebenstrecken, allerdings sind viele korsische Autofahrer ziemliche „Heizer“.

Cilento: Entschleunigt

Lang gezogene weiße Sandstrände und versteckte Traumbuchten vor türkisem Wasser, historische Dörfer und Städtchen, die sich malerisch an die Felsen klammern: Der Cilento ist ein entschleunigter Mikrokosmos im sonst oft so chaotischen und bisweilen arg vermüllten Süditalien. Zu behaupten, der Cilento – besser gesagt die Küste des Cilento – sei vom Tourismus komplett verschont geblieben, wäre glattweg gelogen. Im Sommer stapeln sich die – überwiegend italienischen – Urlauber förmlich an den Stränden. Aber auf den Sträßchen im Hinterland, häufig mit traumhaften Ausblicken aufs Mittelmeer, herrscht eine himmlische Ruhe, erst recht nach „ferragosto“ Mitte August, dem Höhepunkt der ­Urlaubssaison und dem Wendepunkt des Sommers in Italien.

Das Hinterland des Cilento begeistert mit hübschen Dörfern in ursprünglicher Landschaft.Foto: Marco VitaleDas Hinterland des Cilento begeistert mit hübschen Dörfern in ursprünglicher Landschaft.

Während es im Hochsommer brutal heiß werden kann, sind die Temperaturen im Herbst höchst angenehm zum Radfahren. In der ursprünglichen Landschaft des Parco Nazionale del Cilento e ­Vallo di Diano, bereits 1997 von der UNESCO als Weltkulturerbe geadelt, begegnet man auf dem Rennrad oft über Kilometer keiner Menschenseele. Zwischen endlosen Olivenhainen und in den ausgedehnten Wäldern sagen sich Fischotter und Wolf „Gute Nacht“, in den Dörfern wird eine ­bodenständige und äußerst gesunde regionale Küche serviert.

>> TOUR-Tipp: Die schönsten Dörfer im ­Cilento sind Castellabate und Pisciotta, wo man wunderbar einen Zwischenstopp einlegen und die grandiose cilentanische Regionalküche genießen kann.

  • Anreise: mit dem Zug ab ­München in ca. 12 Std. nach Salerno. Direktflüge nach ­Neapel von mehreren deutschen Airports, ab dort ca. 150 km mit dem Mietwagen oder mit der Regionalbahn
  • Preisniveau: günstig bis mittel
  • Leihrad: unter anderem bei www.antares91.com
  • Verkehr: Selbst an den ­Küstenstraßen ist wenig los

Marokko: Ursprünglich

Wer bei Marokko an endlose Wüsten denkt, an Kamele, brütende Hitze und ganz viel Sand, der liegt durchaus richtig – und gleichzeitig falsch. Wer glaubt, man würde ganz im Nordwesten Afrikas ausschließlich über ruppige Pisten brettern müssen, der liegt sogar komplett daneben. Die Straßen im Norden Marokkos sind überraschend gut und das Mobilfunknetz ist übrigens selbst in den abgelegensten Regionen besser als ein paar Kilometer vom Marienplatz in München entfernt.

Die Straßen im Norden Marokkos sind überraschend gut und das Mobilfunknetz ist übrigens selbst in den abgelegensten Regionen besser als ein paar Kilometer vom Marienplatz in München entfernt.Foto: Henning AngererDie Straßen im Norden Marokkos sind überraschend gut und das Mobilfunknetz ist übrigens selbst in den abgelegensten Regionen besser als ein paar Kilometer vom Marienplatz in München entfernt.

Die Region rund um das legendäre Tanger, das einst Spione, Ganoven und Künstler aus aller Welt geradezu magisch anzog, präsentiert sich hügelig bis bergig, grüner als man denkt und landschaftlich abwechslungsreich. Unweit des Mittelmeers kann man auch im Herbst noch „kurz-kurz“ fahren. Während in Tanger in den Shoppingmalls westliche Luxusprodukte im Angebot sind, leben viele Landbewohner in bitterer Armut; wer eine Ziege oder eine Kuh besitzt, gilt bereits als reich. Als Rennradfahrer rollt man durch eine fremde und faszinierende Welt, wird bestaunt und meistens auch gefeiert. Die wohl schönste Tour in Marokkos Norden führt von Chefchaouen ans Mittelmeer. Auch wenn zurück noch reichlich Höhenmeter warten, die auf dem offenen Feuer gegarte Fisch-­Tajine an der Strandpromenade von Oued Laou sollte man probieren.

Lecker: Fisch-Tajine in Oued LaouFoto: Henning AngererLecker: Fisch-Tajine in Oued Laou

>> TOUR-Tipp: Wer das pure, ursprüngliche Marokko erleben will, der sollte die Medina von Tetouan besuchen.

  • Anreise: Direktflüge von mehreren deutschen Airports
  • Preisniveau: sehr günstig
  • Leihrad: so gut wie unmöglich
  • Verkehr: im Landesinneren extrem wenig

Andalusien: Sonnenverwöhnt

Vor knapp hundert Jahren bereits, im Jahr 1928, hatte der österreichische Hotelier ­Rodolfo Lussnigg eine geniale und bei 325 Sonnentagen pro Kalenderjahr durchaus ­naheliegende Marketing-Idee. Er verpasste dem Abschnitt der andalusischen Küste westlich und östlich von Malaga den Namen Costa del Sol („Sonnenküste“). Rennradfahren entlang der Küste mit ihren zahlreichen Bettenburgen und veritablen Bausünden ergibt allerdings nur bedingt Sinn. Aber kaum ist man vom Mittelmeer ein paar Kilometer ins Landesinnere geklettert, wähnt man sich im Radlerparadies. Es geht vorbei an den ­berühmten „weißen Dörfern“ Andalusiens, geprägt durch die Zeit der Mauren in der Region, durch eine einsame Berglandschaft. Und wenn dann in der Ferne das Mittelmeer in der Sonne wie eine Discokugel glitzert, ist das Rennradfahrerglück perfekt.

Zuheros ist eines der maurisch geprägten „weißen Dörfer“ im andalusischen Hinterland.Foto: Günter StandlZuheros ist eines der maurisch geprägten „weißen Dörfer“ im andalusischen Hinterland.

>> TOUR-Tipp: Atemberaubend schön sind die Radstrecken rund um ­Zuheros, eines der „weißen Dörfer“ im Hinterland. Der Ort ist vom Tourismus weitgehend verschont geblieben.

  • Anreise: Direktflüge nach Malaga von mehreren deutschen Airports
  • Preisniveau: mittel
  • Leihrad: www.bike2malaga.com
  • Verkehr: Sobald man den Großraum Malaga nach ein paar Kilometern verlässt, herrscht auf den Nebenstraßen kaum noch Verkehr, und die spanischen Autofahrer befolgen fast alle die Regel, mindestens 1,5 Meter Abstand zu halten.

Kreta: Vielseitig

Kreta wird gerne auch als „Gebirge im Meer“ bezeichnet. Flach fahren kann man sich auf Griechenlands größter Insel jedenfalls abschminken. Dafür kann man bei rund 300 Sonnentagen übers Jahr die dicken Radklamotten getrost zu Hause lassen: Von September bis in den späten November hinein herrschen auf der Insel, die nur rund 300 Kilometer entfernt vom afrikanischen Kontinent liegt, höchst ­angenehme Temperaturen zum Rennradfahren. Nur für die Touren in den Höhenlagen empfiehlt es sich, eine Weste, Arm- und Beinlinge dabei zu haben.

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Wunderschön verschlungene Bergstraße bei KarinesFoto: Standl/laifWunderschön verschlungene Bergstraße bei Karines

Denn abgesehen von zahlreichen Traumstränden hat Kreta im zentralen Ida-Gebirge die Lefká Óri („Weiße Berge“) sowie im Dikti-Gebirge gleich mehrere Zweitausender zu bieten. Im Landesinneren, abseits der Touristenströme, präsentiert sich „Kriti“ ursprünglich und unfassbar abwechslungsreich: Kreta ist eine widerspenstige Wildnis, Kreta ist ein prächtiger und farbenfroher Obst- und Gemüsegarten, Kreta ist ein Paradies für Rennradfahrer. Allerdings weiß man ja, dass im Paradies auch nicht alles perfekt war: Die einsamen Sträßchen auf Kreta sind bisweilen ziemliche Rumpelpisten; auf ein Gravelbike umzusteigen, ist also keine schlechte Idee.

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In Rethymno lockt eine günstig gelegene Taverne.Foto: Standl/laifIn Rethymno lockt eine günstig gelegene Taverne.

>> TOUR-Tipp: Bei Pano Vouves, unweit der Hafenstadt Chania, ist der wohl älteste Olivenbaum der Welt zu bestaunen, der mehr als 3.500 Jahre alt sein soll.

  • Anreise: Direktflüge von mehreren deutschen Airports
  • Preisniveau: günstig im Landesinneren, mittel in den Touristenorten an der Küste
  • Leihrad: https://cyclingcreta.gr, www.olympicbike.com
  • Verkehr: Jenseits der Küsten­straßen herrscht abgesehen vom Gemecker der Ziegen eine himmlische Ruhe

Dalmatien: Mediterran

Fußball, Tennis, Basketball – eigentlich alles, bei dem ein Ball im Spiel ist, fasziniert die Kroaten, und sie sind verdammt gut darin; im Picigin sind sie sowieso unschlagbar. Bei dem an den Stränden von Split erfundenen Spiel im seichten Wasser „ditschen“ sich die Spieler einen „rasierten“ Tennisball zu, der auf keinen Fall das Wasser berühren darf. Rennradfahren hingegen ist den Kroaten eher suspekt, irgendwie scheinen sie immer noch verhaftet in dem Glauben, nur Menschen, die sich kein Auto leisten können, würden Fahrrad fahren. Dabei bietet insbesondere der Süden und die dalmatinische Inselwelt Rennradfahrern ein wahres Traumrevier bis in den späten Herbst hinein. Von Split aus ist man im Handumdrehen mit der Fähre auf den Inseln Brač oder auf Hvar. Dort rollt – und klettert – man auf gut ausgebauten, überwiegend verkehrsarmen Sträßchen mit atemberaubenden Ausblicken durch eine ­mediterrane Bilderbuchlandschaft. Auch auf Korčula, wo angeblich Marco Polo einst das Licht der Welt erblickte, lassen sich fantastische Touren machen. Und wenn es zu heiß werden sollte im Süden Kroatiens – der nächste Traumstrand ist nur ein paar Pedalumdrehungen entfernt.

Der frühe Vogel und so … Sonnenaufgang bei HvarFoto: Skyshot GmbH / Markus GreberDer frühe Vogel und so … Sonnenaufgang bei Hvar

>> TOUR-Tipp: Das Unternehmen Inselhüpfen bietet kombinierte Schiffs- und Radreisen in Kroatien an

  • Anreise: Direktflüge nach Split oder Dubrovnik von mehreren deutschen Airports
  • Preisniveau: mittel
  • Leihrad: www.inselhuepfen.com
  • Verkehr: Auf den Inseln herrscht nur dann viel Verkehr, wenn gerade eine Fähre ankommt. Dort, wo die Autobahn zwischen Split und Dubrovnik bereits fertiggestellt wurde, hält sich der Verkehr auf der Küstenstraße auf dem Festland ebenfalls in Grenzen.

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