Text: Oliver Andorfer
Es ist gefühlt der zehnte Bach, der sich uns in den Weg stellt. Ihn als knöcheltief zu bezeichnen – oder gar als willkommene Abwechslung – wäre beschönigend. Saukalt und kniehoch trifft es besser. Die ersten Bäche konnten wir noch mit Geschwindigkeit und Geschick durchfahren, dieser hier ist dafür aber augenscheinlich zu breit und zu tief. Rund 25 Kilogramm, Rad und Gepäck, müssen in einem Balanceakt ans andere Ufer getragen werden.
Wir wissen zwar, dass dies heute die Königsetappe werden wird, aber die vergangenen fünf Stunden, mit Windspitzen von knapp hundert Kilometern die Stunde über die Hochebene Dynjandisheiði, ziehen uns dann doch den Stecker – da helfen auch die mit Schokolade umhüllten Marshmallows als Energieriegelersatz nichts mehr. Anna versucht, auf der Hochebene trotz aller Einwände auf dem Rad zu fahren, hat aber Mühe, sich bei den Sturmböen überhaupt auf der Straße zu halten – und die ist immerhin sechs Meter breit.
Der lose Schotter auf der leicht nach links abfallenden Piste macht ihr das Stemmen gegen den Wind nicht unbedingt leichter. Wir anderen ziehen es sowieso vor, das Rad einige Zeit zu schieben; auf diese Weise kommen wir genauso schnell voran wie im Sattel. Wir bieten mit unseren Gravelbikes, samt Sattel-, Rahmen- und Lenkertaschen, auf der baumlosen Hochebene aber auch so viel Angriffsfläche für das isländische Sommerlüfterl, dass wir die Räder zu Segelbooten umfunktionieren könnten.
Eigentlich verwunderlich, dass in Island noch niemand auf die Idee des Wind-Gravelns gekommen ist. Es ist unser vorletzter von insgesamt acht Tagen in den Westfjorden. Dass diese Etappe uns alles abverlangen, uns aber auch, vielleicht genau deswegen, niemals wieder aus dem Kopf gehen würde, haben wir am Morgen, als wir im Fischerdorf Bíldudalur aufbrachen, nicht erwartet – und schon gar nicht vor vielen Monaten, als die Idee zu dieser Reise in mir keimte ...
Als ich damals die Fotos der Island-Tour von Bikepacking- und Ultracycling-Legende Lael Wilcox entdeckte, bekam ich sofort Lust, die Insel mit dem Rad zu entdecken. Die unfassbare Schönheit der Landschaft, die Herausforderung in der rauen, menschenleeren Natur ließen mich als Radenthusiast und Bikepacking-Fan nicht mehr los. Und der Funke meiner Begeisterung sprang über, schnell hatte ich drei Mitfahrer und eine Mitfahrerin gewonnen: Tomaz Druml, Ex-Kaderathlet der nordischen Kombinierer des Österreichischen Skiverbandes, ein Videofilmer, der auf Mountainbike, Rennrad und Gravelbike zu Hause ist. Dazu Outdoor- und Sportfotograf Moritz Klee sowie Anna Holzer, beide aus Tirol, also in den Bergen beheimatet, aber Novizen in Sachen Bikepacking. Außerdem Max Hofstätter, Steirer, Fotograf, Inhaber eines Ausdauermagazins, dessen Raderfahrung sich vom Enduro-Bike bis zum Rennrad und über die ganze Welt erstreckt.
Per Direktflug geht es nach Reykjavík, Islands Hauptstadt, von wo wir am nächsten Tag weiterfliegen zu unserem Ausgangspunkt Ísafjörður, dem Wirtschafts- und Verwaltungszentrum der Westfjorde, die den nordwestlichsten Zipfel Islands prägen. Dort heißen uns Dóra und Tyler von Cycling Westfjords herzlich willkommen, einer Koalition von Fahrradfahrern, die das Bikepacking fördern möchte. Die beiden sind die Urheber unserer Route und haben uns bei Planung und Organisation unterstützt.
Am nächsten Morgen pedalieren wir am Wasser des Skutulsfjörður entlang, mächtig beeindruckt von den steilen Bergen, die den Fjord flankieren. Fast 140 Kilometer liegen heute vor uns, auf feinstem Asphalt und entlang von fünf Fjorden. Der Tipp von Dóra, unterwegs unbedingt einen Waffel-Stopp einzulegen, hallt noch in uns nach. Es gebe sonst auf dieser Etappe keine Möglichkeit, Essen zu kaufen: keinen Supermarkt, keine Tankstelle, kein Restaurant.
Nur diese kleine Hütte, genannt Litlibær, mit den besten Waffeln, die man weit und breit bekommen könne. Kurz vor Litlibær, ich meine die Waffeln schon zu riechen, ein Aufschrei von Tomaz, als er eine Fontäne im Fjord entdeckt: „Wale, da vorne, das sind Wale!“ Tatsächlich, eine Herde Buckelwale mit Jungtieren taucht munter auf und ab. Wir vergessen völlig die Zeit, weil wir eineinhalb Stunden lang versuchen, das perfekte Video davon zu machen.
Irgendwann meldet sich aber der Hunger und es geht in die nahe Litlibær-Hütte. Waffeln, selbst gemachte Marmelade, Sahne bis zum Abwinken und eine Kanne voll Kaffee. Wir sind jetzt schon verliebt in Island. Fjorde, Wale, Waffeln: Besser kann man nicht starten. Und auch der Abend wird schön: Die erste Unterkunft liegt an einer heißen Quelle, einem Loch in der Erde mit 40 Grad heißem Wasser. Wir steigen hinein und genießen ein wohlverdientes Dosenbier – kalt, versteht sich!
Die Landschaft, die uns anfangs so staunen ließ, wird für uns von Tag zu Tag normaler. Aber sie bleibt atemberaubend, die karge Vegetation, die unendliche Weite. Manchmal haben wir das Gefühl, wir wären die einzigen Menschen auf der Insel. Die Landschaft wechselt zwischen sanften, saftigen Wiesen, markanten Tafelbergen, von denen Wasserfälle herunterstürzen, und schroffen, steil abfallenden Felskanten, die in engen Schluchten ihr Ende finden. Zivilisation? Fehlanzeige. Mit einem „He, hört mal! Da ist nichts. Einfach nichts – unfassbar!“ unterbricht Max die Stille um uns herum.
Der Untergrund auf unserer Route wechselt so schnell wie das Wetter. Von Asphalt geht es plötzlich auf Schotter, oft auch auf sehr raues Terrain, was besonders die Abfahrten mit schwer bepackten Gravelbikes zu einer Herausforderung werden lässt. Apropos Wetter: Wettergott Thor ist uns in den ersten Tagen gnädig, verwöhnt uns mit Sonne und schmettert uns mit seiner Axt keine Unwetter entgegen. Es ist Anfang September, die Temperaturen schwanken zwischen sieben Grad am Morgen und 16 bis maximal 20 Grad um die Mittagszeit. Und der Wind bläst die Wolken im Minutentakt vor die Sonne.
Am übernächsten Tag zeigt uns Island seine düstere Seite. Das Wetter ist so rau wie die Landschaft und verschlechtert sich immer mehr. Am fünften Tag kübelt es wie aus Eimern. Wir versuchen uns mit Regenjacken, langen Regenhosen sowie wasserdichten Hand- und Überschuhen trocken zu halten, sind aber früher oder später alle mehr oder weniger durchnässt. Dazu weht uns der Wind direkt ins Gesicht. Aber „Wind“ ist ein viel zu harmloses Wort. „Sturm“ trifft es besser. Stellenweise müssen wir das Rad schieben, weil an Fahren nicht mehr zu denken ist. Hinter einem Baum verstecken? Keiner da. Windkante bei Schritttempo und noch langsamer? Fehlanzeige. Falls es noch geht: Kopf einziehen und treten – oder es zumindest versuchen.
Nicht nur der Wind lässt uns wie Schnecken kriechen, auch die Bachdurchquerungen bremsen. Am siebten Tag stellt sich uns der anfangs beschriebene knietiefe Bach in den Weg. Wir kennen das Prozedere bereits: Socken und Schuhe aus, Räder geschultert, eine geeignete Stelle suchen, an der wir durch das knapp zehn Grad kalte Wasser waten können. Ah, wie sich dabei der Wadenmuskel wunderbar in seiner Faszie zusammenzieht, um sich vor dem Kälteschock zu verkriechen, kurz vor dem Krampf aber lockerlässt, weil man mit seiltanzender Grazie auf das andere Bein wechselt.
Es wäre aber nicht Island, wenn uns die Insel nicht immer wieder überraschen würde. „Jungs, schauts amol da vorn, wia schian is des bitte!“, ruft Anna und deutet nach vorne, wie ein Matrose im Ausguck, der Land erspäht. Wie aus dem Nichts taucht ein traumhaft schöner Strand auf. Der Barðastrandarsandur ist ein mehrere Kilometer langer, feiner, heller Sandstrand, der mit dem hellblauen Meer eher an die Karibik erinnert als an eine Insel auf der Höhe Grönlands.
Gab es in den vergangenen Tagen kaum eine Minute, in der nicht irgendjemand von uns irgendetwas zu sagen hatte, bleiben wir hier alle sprachlos. Viele Minuten sitzen wir stumm am Strand, bis ich das Schweigen durchbreche: „Ich glaube, das ist der schönste Gravel-Tag meines Lebens. Aber es hilft nichts – wir müssen weiter!“
Am nächsten Tag fahren wir auf einem – wie wir in Österreich sagen würden – Traktorweg direkt am Meer. Rechts die isländische Mixtur aus Gräsern, schroffen Vulkangesteinsblöcken. Links ein knapp zwei Kilometer breiter Fjord und die Aussicht auf die für die Westfjorde typischen, von den eiszeitlichen Gletschern abgeschliffenen Tafelberge. Und der landschaftlich schönste Abschnitt des Tages, vielleicht der ganzen Reise, soll noch kommen. Seit Tagen reden wir davon. Sein Name: Kjaransbraut-Straße.
Vor mehr als 30 Jahren wurde dieser Abschnitt, der in eine knapp 150 Meter hohe Felswand geschnitten werden sollte, von der isländischen Straßenbaubehörde schließlich als „Mission Impossible“ bezeichnet. Die Bauarbeiter wurden angewiesen, das Projekt aufzugeben. Dann kam Elís Kjaran Friðfinnsson, der auf einem nahe gelegenen Bauernhof lebte, und grub auf eigene Faust mit seinem kleinen Bulldozer die Straße in den Fels. Der isländische Bulldozer-Fahrer hat aber sicher nicht an Leute wie uns gedacht – mit Gravelbikes stößt man bald an Grenzen.
Spätestens an der Stelle, wo es unter einer Felswand über den schmalen Sandstrand geht, den man nur passieren kann, wenn sich die Flut zurückzieht, die bei Hochwasser bis an die Felsen klatscht. Dóra von Cycling Westfjords hatte uns zwar die genauen Zeiten von Ebbe und Flut durchgegeben, aber auch ohne Flut machen handballgroße, vom Meer rund geschliffene Steine das Fahren unmöglich. Wir müssen die Räder tragen, fünf Meter neben der Brandung und direkt unter der Felswand, von der das Wasser unaufhörlich auf unsere Köpfe tropft. Die Sonne neigt sich langsam gegen den Horizont. Ein weiterer Traumtag auf dem Gravelbike, denke ich. Und der ist noch nicht zu Ende …
Nach dem langen Tag und dem ausgedehnten Abendessen, es ist etwa halb elf, sind alle müde. Ich gähne, als mein Telefon klingelt. Moritz, der sich nach draußen verdrückt hat, ist dran. „Ähm … ich würde kurz nach draußen kommen, Freunde – Nordlichter!“, sagt er aufgeregt. Moritz hatte schon Tage zuvor mittels einer App die Nordlicht-Vorhersage gecheckt. Bis jetzt: vergebens. Bis jetzt! Also: rein in die lange Hose, Fleecejacke übergestreift, Kamera gezückt – und raus!
Was wir dort sehen, übertrifft alle Erwartungen: eine dreistündige Lasershow mit grünen Lichtern, die ab und zu ins Lilafarbene wechseln und über den Himmel tanzen. Sie verschwinden an einer Stelle, um an einer anderen wieder aufzutauchen. Still und andächtig liegen wir nebeneinander am Strand von Þingeyri, die Kameras auf Langzeitbelichtung gestellt.
Unser achter und letzter Tag. Wir haben Zeit, nur etwa 50 Kilometer und rund tausend Höhenmeter müssen wir heute noch zurücklegen. Ein letztes Mal in die Radklamotten, ein letztes Mal die Taschen ans Rad geschnallt. Die ersten, asphaltierten Kilometer, die rund um den schmalen, von kahlen Bergen umsäumten Dýrafjörður führen, sind perfekt zum Einrollen. Es ist kühl, wolkig, Nebelschwaden hängen uns fast im Gesicht. Im Ort Flateyri legen wir eine Kaffeepause ein, samt Waffeln mit Schlagsahne, um verbrauchte Kohlenhydrate gleich nachzuladen.
Nördlich des kleinen Ortes überragt der 660 Meter hohe Eyrarfjall den Fjord. Wir müssen über seine Ostflanke, auf immerhin 610 Meter Höhe, über einen Pass namens Breiðadalsheiði. Seitdem für den motorisierten Verkehr ein Tunnel durch den Berg getrieben wurde, ist die alte Passstraße für den Verkehr gesperrt. Die Schotterstraße gehört uns heute also allein. Schotterstraße, welche? Wir können kaum einen Weg erkennen und folgen notgedrungen dem GPS-Track. Loses Geröll und Steine, zwischen der Größe eines Tennis- und Medizinballs, verlangen fahrerisches Können. Und weil der Wind eingeschlafen ist und die Sonne scheint, rinnt uns der Schweiß von der Stirn – das erste Mal in den acht Tagen.
Ich blicke zurück und sehe den Fjord weit unten glitzern. Aber ich muss mich auf den Weg konzentrieren, neben dem das Gras gefühlt viel grüner ist als bei mir zu Hause und wo ein kleiner Bach, den wir gerade passieren, aus dem Lavagestein sprudelt. Es ist, als wolle sich Island uns noch einmal von seiner schönsten Seite präsentieren. Was mich zugleich etwas traurig stimmt, weil wir bald Ísafjörður erreichen, wo unser Abenteuer begann und auch enden wird.
Nach drei Stunden Bergfahrt queren wir auf der Passhöhe ein kleines Schneefeld und sehen den Ort unten am Fjord liegen. Wir umarmen uns. Die Anstrengungen der vergangenen Tage sind wie vom Sturm weggeblasen. Alles, was uns jetzt noch vom Ziel trennt, sind 600 Höhenmeter auf einer sieben Kilometer langen Abfahrt über losen, scharfkantigen Schotter. Danach, in Ísafjörður, sitzen wir mit gelösten Gesichtern und breitem Grinsen zufrieden und dankbar am Meer, das hin und wieder leicht an unsere Füße klatscht.
Direktflüge mit Lufthansa, etwa von Frankfurt am Main, nach Reykjavík (3,5 Stunden) kosten hin und zurück ab 400 Euro, dazu kommen noch 100 Euro für den Radtransport. Wer mit Icelandair von Reykjavík in 45 Minuten zum rund 450 Straßenkilometer nördlich gelegenen Startort der Tour, Ísafjörður, fliegen möchte, muss für Flug und Rad ab 350 Euro rechnen; zwei Flüge täglich,
Infos unter: www.icelandair.de.
Grundsätzlich ist es möglich, mit dem Bus nach Ísafjörður weiterzureisen (falls Platz vorhanden ist, nehmen Busse auch Fahrräder mit), aber da es keine direkten Verbindungen gibt, bedarf es einiger Planung; diese Seiten helfen dabei: straeto.is/en und www.publictransport.is
Die beste Zeit sind die Monate Juni, Juli und August; wir waren Ende August bis Anfang September unterwegs. Mit durchschnittlich zwischen 10 und 15 Grad lässt sich der isländische Sommer gefühlt am besten mit unserem Herbst vergleichen.
An unseren Gravelbikes mit 1 x 13 Gängen (38er-Kettenblatt, 10-44-Ritzelpaket) rollen 44 Millimeter breite Reifen. Das Gepäck verteilt sich auf Satteltasche (16 l), Lenkertasche (2,5 l), Rahmen- (3,5 l) und Oberrohrtasche (0,8 l). Islands Schotterstraßen rütteln einen extrem durch – zusätzliches Lenkerband und/oder Schaumpads dämpfen Stöße und entlasten die Handgelenke.
Komplette Regenbekleidung ist ein Muss in Island! Es kann jederzeit regnen. Werkzeug, mehrere Ersatzschläuche und ein größeres Erste-Hilfe-Set einpacken! Im dünn besiedelten Island ist man auf sich allein gestellt, deshalb muss man für Radpannen und Unfälle gewappnet sein. Während Wasser im Überfluss vorhanden ist, sollte man genügend Stauraum für Nahrung einplanen. Supermärkte oder Tankstellen sind Mangelware. Wenn man aber etwas zum Kaufen findet, kann man bargeldlos bezahlen – überall und alles. Für die Tour braucht man eine solide Grundkondition. Islands wechselhaftes Wetter, der teils grobe Schotter und der Wind machen die Etappen viel härter, als es die reinen Streckendaten vermuten lassen.
Im Durchschnitt liegen die Lebenshaltungskosten in Island etwa 20 bis 30 Prozent über denen in Deutschland. Unsere über Cycling Westfjords gebuchten Unterkünfte kosteten zu Saisonende pro Nacht für fünf Personen im Schnitt 270 Euro mit Frühstück. Fürs Abendessen muss man noch mal 20 bis 35 Euro pro Person einplanen. Gästehäuser und Hotels sind außen schnörkellos schlicht wie die Landschaft, innen aber doch komfortabel. Wer das Geld dafür sparen will, muss Zelt und Schlafsack mitschleppen – Zelten in freier Natur ist erlaubt, solange man die Umwelt respektiert, und es gibt auch einige Campingplätze auf der Strecke.
www.cyclingwestfjords.com
Cycling Westfjords ist eine Koalition von Fahrradfahrern, die Bikepacking fördern möchte. Sie organisieren selbst geführte und geführte Touren für jedes Abenteuerniveau. Seit zwei Jahren veranstalten sie auch die „Arna Westfjords Way Challenge“, ein Etappenrennen rund um die Westfjorde, das im Juni stattfindet.
Island, ein Inselstaat im äußersten Nordwesten Europas, südöstlich von Grönland, ist rund 20 Prozent größer als Österreich. Dort leben aber nur 366.000 Menschen; hinsichtlich Lebensstandard und Pro-Kopf-Einkommen ist Island jedoch einer der führenden Staaten der Welt. Die Insel liegt auf dem Mittelatlantischen Rücken, an dem nordamerikanische und eurasische Platte auseinanderdriften; das führt zu einem bis heute aktiven Vulkanismus.
Unsere Achttagerunde führt über die stark von Fjorden zerklüftete Halbinsel im nordwestlichen Teil Islands, die Vestfirðir (deutsch: Westfjorde), die mit der übrigen Insel nur über einen schmalen Landhals verbunden ist. Rund 30 Prozent der Küstenlinie von ganz Island entfallen auf die Westfjorde, auch viele Kilometer unserer Tour führen an Fjorden entlang. Die Region ist sehr dünn besiedelt (0,78 Einwohner pro Quadratkilometer), es gibt kaum größere Orte, ab und an vielleicht einen Hof; viele Straßen bestehen nur aus Schotterpisten. Der Start- und Zielort unserer Rundreise, Ísafjörður, liegt rund 450 Straßenkilometer nördlich der Hauptstadt Reykjavík.
Einrollen auf feinem Asphalt entlang der isländischen Fjorde – der erste Tag ist ein perfekter Start zum Eingewöhnen, geprägt von sanften Anstiegen und fortwährendem Blick aufs Meer. Mit etwas Glück bekommt man auch den einen oder anderen Buckelwal zu Gesicht. Ein Muss: die Waffeln im Café des kleinen Bauernhofes Litlibær (km 73).
Gravel, jetzt geht’s los! Nicht nur der erste Bach will nach knapp 500 Metern bereits durchquert werden, es folgen auch die ersten Anstiege sowie Abfahrten auf teils blockigem und scharfkantigem Untergrund. Wir verlassen nach 40 Kilometern die Fjorde, um über eine mehr als 400 Meter hoch gelegene Ebene zu klettern. Zum Lohn wartet am Tagesziel in Laugarhóll das Bad in einer 40 Grad heißen Quelle.
Der Tag wird geprägt von viel Asphalt und dem ersten langen Anstieg mit knapp 380 Höhenmetern auf die Höhe Pröskuldar (369 m). Kommt der Wind von der falschen Seite, sind auch die letzten Höhenmeter nach Svínadalur (220 m) und die Abfahrt nach Laugar eine Herausforderung. Wie am Vortag werden die harten Muskeln wieder am Ziel in einer heißen Quelle gelockert, in der schönsten der gesamten Reise.
Für uns eine der schönsten Gravelstrecken der Welt: links das Meer, rechts die islandtypischen Tafelberge. Der Tag hat keine längeren Anstiege, aber das stetige Auf und Ab macht in Summe 1100 Höhenmeter. Ein Tag, den wir nie vergessen werden.
Zurück in der „Zivilisation“: Der Untergrund ist eine Mischung aus Asphalt und Schotter. Heute warten zwei Anstiege mit jeweils knapp 350 Höhenmetern – der zweite führt zwar ein wenig weg vom Meer ins Land, aber man hat wieder den gesamten Tag Ausblick aufs Meer. Und schon obligatorisch: In Flókalundur wartet direkt am Strand eine heiße Quelle zum Entspannen.
Wenn man glaubt, es geht nicht mehr schöner, kommt dieser Sandstrand daher. Mit Namen: Barðastrandarsandur. Ein kilometerlanger Strand, der direkt hinter einem tosenden Wasserfall nach rund 25 Kilometern einlädt, Pause zu machen. Danach wird’s knackig: Drei Anstiege klettern zwischen 350 und fast 500 Meter über die Fjorde; allein diese drei summieren sich auf rund 1300 Höhenmeter. Gastro-Tipp am Zielort: Das Lachssteak im „Vegamót Bíldudal“ (www.facebook.com/Vegamotbildudal) inklusive des etwas schrägen Chefs des Restaurants ist ein Erlebnis.
Königsetappe! 131 Kilometer, von Asphalt bis Tragestrecken wird alles geboten. Nach 27 flachen Kilometern biegt die Straße in die Berge, erreicht im Auf und Ab zweimal fast 500 Meter Höhe und sammelt dort rund 800 Höhenmeter. Am anderen Ende, unten am Fjord, rauscht der Dynjandi-Wasserfall (oder Fjallfoss) hundert Meter tief ins Tal, einer der größten Wasserfälle der Insel. Die abschließenden 50 Kilometer am Wasser, besonders die geschotterte, unter Klippen und in Felsen gebaute Kjaransbraut-Straße, brennen diesen Tag tief ins Gedächtnis. Versprochen!
Das anfangs lockere Heimrollen in Richtung unseres Ausgangsorts Ísafjörður wird nach 35 Kilometern versüßt mit Waffeln und Kaffee in Flateyri. Die Stärkung ist nötig, denn anschließend wartet der 610 Meter hohe geschotterte Pass Breiðadalsheiði. Danach, am Ende des einzigen Schneefelds der Tour, erblicken wir tief unten am Fjord das Ziel: Ísafjörður. Jetzt nur noch bergab …