Gravel-TransalpIn sechs Tagen mit dem Gravelbike durch Trentino-Südtirol

Monika Sattler

 · 16.05.2023

Unterwegs auf der zweiten Etappe nach Livigno, durchs Val S-charl zum Pass da Costainas
Foto: Gavin Kaps
Vom Reschensee zum Gardasee: Rund 400 Kilometer und 11.000 Höhenmeter bewältigte TOUR-Autorin Monika Sattler in sechs Tagen mit dem Gravelbike. Auf einer Transalp, die sie in die Abgeschiedenheit der Berge führte – und ein bisschen auch zu sich selbst.

Mein Tritt fühlt sich irgendwie teigig an. Was ist da los? Ich schaue nach unten. Mist! Ein Platten hat sich langsam angeschlichen – zur Unzeit. Gut, eine günstige Zeit für einen Platten gibt es nicht, aber hier, auf dieser abgelegenen, geschotterten Abfahrt südlich von Madonna di Campiglio, ist die Panne besonders ärgerlich. Ich rumple schon auf der Felge und spüre jedes Steinchen. So kann ich nicht weiterfahren. Also steige ich ab, um den Schleicher aufzupumpen, aber die Luftpumpe funktioniert nicht. ‚Wenn man nicht alles vorher zu Hause testet‘, denke ich.

Glücklicherweise sind an diesem warmen, sonnigen Maitag auch ein paar andere Radfahrer unterwegs. Und so frage ich die ersten zwei, die mir begegnen. Ich spreche zwar kein Italienisch, aber mit Englisch oder Spanisch bekomme ich es irgendwie hin. Die beiden haben leider keine Pumpe dabei. Also schiebe ich weiter bergab. Unten, am Ende der Abfahrt, öffnet sich der Wald. Auf der Wiese davor scheint eine Art Fahrrad-Festival stattzufinden. Was für ein Glück! Ich schiebe das Rad zu einem Mechanikerstand, vor dem zwei Mittvierziger in Achselshirts auf Klappstühlen hocken. Sie blicken auf, und ich versuche mein Glück mit Spanisch und frage, ob sie eine Pumpe haben. Einer bejaht auf Italienisch. Der Reifen wird aufgepumpt. Ich bedanke mich und fahre weiter. Heute liegen noch 33 Kilometer vor mir, davon eine Tragepassage mit 200 Höhenmetern und mehr als 30 Prozent Steigung – da hilft auch der kleinste Gang nicht mehr. Ganz so steil hatte es vor vier Tagen nicht angefangen ...

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Am Reschensee beginnt das Abenteuer

Meine Reise mit dem Gravelbike über die Alpen beginnt an einem See, dem Reschensee in Südtirol, keine drei Kilometer südlich der Grenze zu Österreich. Enden soll sie in sechs Tagen, nach rund 400 Kilometern und 11.000 Höhenmetern, wieder an einem See, am Nordufer des Gardasees. Auch wenn ich Gesellschaft liebe, bin ich diesmal alleine unterwegs. So bin ich weniger abgelenkt, erfasse und genieße alles um mich herum noch intensiver. Die Strecke führt in den ersten zwei Tagen hauptsächlich durch die Schweiz, dann nur noch durch Italien. Das war mein Plan, weil ich in Trentino-Südtirol noch nicht viel mit dem Rad unterwegs war – noch weniger mit dem Gravelbike – und die Region kennenlernen wollte. Vom Reschensee hatte ich schon viel gehört und davon, dass der Sonnenuntergang dort so schön sein soll. Für mich stand deshalb fest: Dort soll mein Abenteuer starten!

Am ersten Morgen klettert meine Route sofort vom 1.500 Meter hoch gelegenen See durch lichten Wald auf 2.000 Meter. Selbst mit geschlossenen Augen würde ich die Bergluft spüren, sie ist viel frischer, trockener und belebender als im Flachland. Nach den 500 Höhenmetern bin ich oberhalb der Baumgrenze, wo Pferde auf den Almen weiden, und genieße die Aussicht auf den Reschensee. Ich fühle mich frei, jegliche Gedanken an den Alltagsstress sind verflogen. Das geschieht auf Gravelterrain schneller als auf der Straße, wo der Verkehr oft nervt und ablenkt. Im Gelände kann ich mich komplett auf das Hier und Jetzt konzentrieren, etwa auf den Grenzübertritt von Südtirol nach Tirol, von Italien nach Österreich. Hoch oben am Berg ist es spektakulär, weil spitze Bergpfeiler die Länder trennen. Dann geht es bergab ins österreichische Nauders, wo ich den nächsten Supermarkt suche. Statt Gels und Riegeln kaufe ich lieber die Zutaten für einen Wrap samt Käse und Salat. Eine gewickelte Tortilla esse ich sofort, alles andere wird eingepackt, denn ich will nicht mit vollem Magen in den nächsten Anstieg.

Schlenker über Schotterpfade

Nach dem Österreich-Abstecher biegt meine Route nach Südwesten ins Inntal ab, und damit in die Schweiz. Ich wollte nicht direkt vom Reschensee auf asphaltierten Straßen gen Süden fahren – deshalb der Schlenker auf Schotterwegen durch Österreich und die Schweiz. Die Grenze zur Schweiz überfahre ich im Gelände hoch über dem Inn. Unten im Tal, im Unterengadin, sprechen viele Menschen noch rätoromanisch, eine von vier Landessprachen der Schweiz. Als Wahlschweizerin bin ich immer wieder fasziniert, wie divers das Land ist. Im Tal lieg Scuol, das Ziel meiner ersten Etappe. Das Hotel gewährt eine super Aussicht nach Süden, dorthin, wo sich der Anstieg des Folgetages zwischen den Felswänden verliert. Alle Hotels habe ich schon vorher gebucht, da ich nicht riskieren wollte, dass ich irgendwo ankomme und alles belegt ist. Ich bin ziemlich fertig vom ersten Tag, weil ich in der Nacht zuvor vor Aufregung nicht viel geschlafen habe. Und obwohl das einfache Bett bei jeder Bewegung quietscht, bin ich so müde, dass ich schnell in einen tiefen Schlaf sinke.

Am nächsten Morgen ist mein erster Gedanke: Kaffee. Ohne den geht nichts. Mit schweren Beinen und trägem Körper schleppe ich mich zum Frühstück. Zwei, drei Tassen Kaffee verjagen die Trägheit, und nach einer Schüssel Müsli geht’s los. Es ist acht Uhr, noch etwas frisch, aber ich freue mich, in den Tag zu starten. Kurz geht es zum Inn runter, dann folgt sofort der Anstieg, zuerst noch durch Wald, bald durch eine Steinlandschaft. Gerade war ich noch im Dorf, jetzt bin ich gefühlt sehr weit weg von der Zivilisation. Der Anstieg will nicht enden, auch nicht als ich das kleine, 1.800 Meter hoch gelegene Sommerdorf S-charl hinter mir lasse und nur noch ein Schotterweg und viel Horizont vor mir liegen. Ich liebe das Gefühl, weit weg von allem zu sein, nur auf mich selbst gestellt. Der Alltag bleibt hinter den Bergen zurück – wie ein liegen gelassenes Gepäckstück.

Einsame Königsetappe

Heute will die Fahrt nicht enden. Am Abend meiner längsten Etappe werden 90 Kilometer und 2.770 Höhenmeter in meinen Beinen stecken. Längere Halte spare ich mir deshalb und genieße die Landschaft lieber vom Rad aus. Ich kenne mich zu gut: Je länger eine Pause dauert, desto schwerer fällt es mir weiterzufahren. Nur in Fuldera im Val Müstair stoppe ich kurz, um am Brunnen die Wasserflaschen aufzufüllen. Bisher offenbart mir dieser Tag wunderbare Gravelpassagen und wenig Verkehr. Auch am nächsten Anstieg begegnet mir kaum eine Menschenseele. Er ist lang und steil, der Weg zerfurcht von Bächen, die hier anscheinend bei Starkregen zu Tal stürzen. Ich bin voll konzentriert, um die beste Fahrlinie zu finden.

Die Aussicht lohnt jede Schweißperle. Ich kurbele über eine Hochebene, auf der Pferde und Kühe weiden; ab und zu pfeift ein Murmeltier, um seine Artgenossen vor dem seltsamen Eindringling zu warnen. Wieder fühle ich mich weit weg von allem, und, umgeben von mächtigen Bergen, sehr klein. Zunächst führt die Route über gut fahrbaren Schotter, dann wird es so eng und schwierig, dass der Singletrail mich zum Absteigen zwingt. Ich bezweifle schon, dass ich mein Ziel Livigno bei Tageslicht erreiche, falls das mit dem Schieben so weitergeht. Aber zum Glück kann ich bald wieder aufsitzen.

Im Bikepacking-Rhythmus

Auch die nächsten zwei Tage führen mich durch wunderschöne Landschaften und abwechslungsreiches Terrain. Ich habe meinen Rhythmus gefunden: packen, essen, Fahrweise – alles hat sich eingespielt. Der Luftverlust samt defekter Pumpe war bislang das einzig ernst zu nehmende Problem. An die Italiener und ihre Luftpumpe denke ich noch, während ich, das Rad geschultert, den 30-Prozenter 200 Höhenmeter hochstapfe. Oben wartet nach der Schinderei ein grandioser Abschluss: 25 Kilometer bergab bis Ponte Arche, meinem Tagesziel, bevor ich morgen den Gardasee erreichen werde.

Ponte Arche, der kleine Hauptort der Gemeinde Comano Terme, liegt auf 400 Metern Höhe. Übernachtungsmöglichkeiten sind rar, ich habe ein einfaches Hotel reserviert. Der Hotelier reicht mir den Zimmerschlüssel, und ich marschiere in den ersten Stock. Ohne Klimaanlage ist es im Zimmer so heiß, dass ich kalt dusche, um runterzukühlen, sonst kann ich nicht schlafen. Hunger überkommt mich, und ich gehe noch mal runter und frage den Hotelier: „Wo gibt es die beste Pizza?“ Er: „25 Kilometer von hier, ein paar Orte weiter.“ Ich schaue ihn fragend an. Wir sind in Italien – und er schickt mich 25 Kilometer weit für eine Pizza? „Woher bist du?“, fragt er. Ich: „Aus der Schweiz.“ Er: „Ach so, dann 400 Meter von hier.“ Ich muss lachen. Die Qualität einer Pizza ändert sich anscheinend nach Herkunft der Fragenden. Ich entscheide mich lieber für den Supermarkt um die Ecke, wo ich mir ein paar Wraps, Käse und Salat kaufe.

Die Nacht war ungemütlich, stickig, ich habe jede Feder der Matratze gespürt. Aber der Kaffee am Morgen besänftigt mich. Meine letzte Etappe. Etwas traurig steige ich aufs Rad. Hinter mir liegen keine extrem harten Tage, aber darum ging es mir nicht. Ich wollte auf dieser Transalp Zeit und Muße finden, Landschaften und Menschen erleben – und das auf relativ kurzer Distanz. So ein Trip, weg aus der Zivilisation, in die Berge und in einsamer Natur, eröffnet immer auch eine neue Perspektive aufs Leben. Aber noch ist es ja nicht vorbei – heute werde ich jeden einzelnen Kilometer bis zum Gardasee zelebrieren!

Infos zur Gravel-Transalp

Anreise

Bahn: Landeck erreicht man von Frankfurt/Main mehrmals täglich über München/Innsbruck oder über Lindau/ Bregenz und Feldkirch in sechseinhalb bis sieben Stunden. Der Radtransport ist reservierungspflichtig, das Ticket kostet neun Euro (zu buchen in DB-Reisezentren, -Agenturen oder unter Telefon 030/2970) inklusive Stellplatzreservierung. Ab Landeck-Zams mit dem Bus 210 (der, sofern am Heckträger Plätze frei sind, Fahrräder kostenlos mitnimmt) in gut einer Stunde nach Nauders. Von dort aus sind es acht Kilometer und 120 Höhenmeter zum Startort Reschen.

Auto: Aus Richtung München via Innsbruck: Inntal-Autobahn 12, Abfahrt Zams. Aus Richtung Stuttgart via Ulm, Füssen und Fernpass nach Imst. Von dort aus auf der Landstraße nach Landeck (ohne Autobahn-Vignette Österreich). Von Frankfurt/Main rund 550 Kilometer.

Zurück zum Auto (per Bus und Bahn/Bus): Von Torbole nach Rovereto mit den Buslinien B 301 oder B 332 (Räder im Gepäckraum), dort mit der Bahn – Umstieg in Bozen und Meran – nach Mals im Vinschgau. Von Mals nach Reschen mit dem Bus 273. Infos und Tickets: www.trenitalia.com/de.html und www. suedtirolmobil.info/de. Wichtig: Wegen Bauarbeiten ist die Bahnstrecke zwischen Meran und Töll bis voraussichtlich Herbst 2023 gesperrt (ab Sommer 2023 die komplette Bahnstrecke). In der Sommersaison fährt ab Meran vier- bis sechsmal täglich ein Bus für Radfahrer, der an Wochenenden reserviert werden muss; Telefon 0039/0473/201550 – dort erhält man auch Infos zu Abfahrtszeiten. Online-Infos (waren bei Redaktionsschluss noch nicht vorhanden) unter www.suedtirolmobil.info/de.

Unterkunft

Start, Reschen: Hotel Schwarzer Adler, Doppelzimmer mit Frühstück ab 67 Euro, www.adler-reschen.it

Tag 1, Scoul: Hotel Quellenhof, Doppelzimmer mit Frühstück ab 142 Euro, www. quellenhofscoul.ch

Tag 2 Livigno: Alpen Village Hotel, Doppelzimmer mit Frühstück ab 115 Euro, www.biviolifelivigno.it

Tag 3, Santa Caterina: Valfurva Hotel 3 Signori, Doppelzimmer mit Frühstück ab 69 Euro, www.3signori.it/de

Tag 4, Marilleva: Marilleva 900 Hotel Sporting Ravelli, Doppelzimmer mit Frühstück ab 89 Euro, www.ravellihotels.com/de

Tag 5, Ponte Arche (Comano Terme): Hotel Comano Cattoni Holiday, Doppelzimmer mit Frühstück ab 128 Euro, www.comanocattoniholiday.it/de

Tag 6, Torbole: Bike Hotel Caravel, Doppelzimmer mit Frühstück ab 121 Euro, www.caravelbikehotel.com

Essen & Trinken

Frühstück TOUR-Autorin Monika Sattler hat sich morgens mit Haferflocken und Schoko- Proteinpulver und Früchten für den Tag gestärkt. Dazu gab es ein paar Tassen Kaffee.
Unterwegs Meistens hatte Sattler Snacks dabei: Wraps, Käse, Avocado, Bananen und alles, was sich gut in Alu-Folie einwickeln lässt und im Trikot nicht ausläuft. Außerdem stoppte sie an Tankstellen, um das zu kaufen, worauf sie in dem Moment Hunger hatte – das konnte Salziges sein oder Süßes – und manchmal beides. Um einen Hungerast zu vermeiden, besonders auf abgelegenen Streckenabschnitten ohne jede Verpflegungsmöglichkeit, steckte sie immer einen Notfallriegel ein.

Beste Reisezeit

Ende Mai, Anfang Juni – vorher sind die hohen Pässe noch geschlossen oder die Gravel-Übergänge noch nicht schneefrei – bis Oktober. Für die Provinz Bozen gibt der Verkehrsbericht verkehr.provinz.bz.it Auskunft; damit lässt sich einschätzen, wie es in angrenzenden Regionen mit den Schneeverhältnissen aussieht. Wer im Hochsommer früh startet, reduziert das Risiko, nachmittags in ein Gewitter zu kommen. Die Wochenenden in den Sommerferien, besonders im August, sollte man wegen des Urlaubsverkehrs meiden; dann sind auch viele Radreiseveranstalter mit ihren Gruppen unterwegs, und es könnte in den Unterkünften und auf der Strecke voll werden. Im September nimmt die Zahl der Gewitter ab und auch die der Autos auf den Straßen.

Buchtipp

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Wer mehr über Monika Sattlers Gravel-Transalp lesen möchte: Sie hat über diese Tour ein Buch geschrieben. Darin informiert sie ausführlich über die richtige Vorbereitung, gibt viele Tipps zur Ausrüstung und stellt noch zwei etwas leichtere Routen vor: eine mit 290 Kilometern und 8.000 Höhenmetern und eine 373 Kilometer lange mit etwas mehr als 10.000 Höhenmetern.
»Abenteuer Gravel-Transalp – von leicht bis heavy« Monika Sattler, Delius Klasing 2023, 144 Seiten; 29,90 Euro.

Karten

Michelin-Regionalkarte, Band 553, „Schweiz Südost“, 1:200.000, 2021; 9 Euro. Michelin-Straßen- und Tourismuskarte, Band 354, „Trentino, Südtirol“, 1:200.000, 2023; 9,95 Euro.

Ausrüstung

Um zu entscheiden, was mitkommt, stellte sich Monika Sattler folgende Fragen: Wie schwer und groß sind die Dinge? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie brauche? Wie lange, wie oft brauche ich sie? Dinge wie ein Kettenschloss, das fast nichts wiegt, kamen mit, auch wenn eine Kette selten reißt. Lieber sparte Sattler an der Kleidung, die am meisten Platz braucht. Sie empfiehlt leichte, multifunktionale Klamotten, die schnell trocknen, weil man sie auf einer Mehrtagestour auch mal wäscht. Untertags reichten ihr kurze Radhose, kurzärmeliges Trikot, Bein- und Armlinge, dazu zwei Paar Socken und ein Stirnband. Für lange Abfahrten und schlechtes Wetter nahm Sattler eine wasserabweisende, gefütterte Radjacke mit. Für abends hatte sie ein lang- und ein kurzärmliges Oberteil dabei, zudem Leggins mit aufgerauter Fleece-Innenseite. Dazu kamen Zahnbürste, Zahnpasta im Reiseformat, Sonnen- und Lippencreme, Flüssigseife in einer Minitube sowie ein kleines Erste-Hilfe-Set. Fürs Rad: Miniluftpumpe, Multitool, Kettenöl, Beleuchtung.

Das alles verpackte die Autorin in Sattel- (14 l), Lenker- (14 l), Oberrohr- (0,8 l) und Vorbautasche (1 l). In die Satteltasche kamen Essen und Klamotten für den Tag – Kleidung für abends in die Lenkertasche. Das Oberrohrtäschchen enthielt Gels, Sonnencreme, Schlauch, Luftpumpe, Multitool. Die Tasche neben dem Vorbau nahm eine weitere Trinkflasche auf.

Die Etappen

Unsere Strecke führt in sechs Etappen mit rund 400 Kilometern und 11.000 Höhenmetern von Reschen nach Torbole am Nordende des Gardasees – von Nord nach Süd mit einem leichten Bogen nach Westen. Nach einem winzigen Abstecher nach Nauders in Tirol und einem längeren ins Engadin und in den Schweizer Kanton Graubünden macht die Strecke einen Abstecher nach Westen, in die Lombardei nach Livigno. Am vierten Tag führt sie über den Passo Tonale wieder nach Trentino-Südtirol, zu dem auch Torbole gehört.

Tourencharakter

Etappenlängen zwischen 50 und 90 Kilometern klingen vielleicht nicht nach viel – aber Schotterpisten, Singletrails, kurze Schiebestrecken, Gepäck am Rad und viele Höhenmeter brauchen Zeit und Körner, die kurzen Singletrails zudem auch eine gute Fahrtechnik. Trotzdem ist unsere Strecke auch von durchschnittlich Trainierten gut zu schaffen – einzig die 90 Kilometer lange Königsetappe am zweiten Tag erfordert mit fast 2.800 Höhenmetern besondere Kletterqualitäten. Wem die letzten beiden Anstiege (800 Höhenmeter) an diesem Tag zu viel werden, kann aber, statt nach Livigno zu klettern, nach Bormio abfahren. Alle Etappen haben ihren eigenen Charme und etwas Besonderes zu bieten: tolle Aussichten, lichte Wälder, urige Bergdörfer, berühmte Pässe, einsame Wege. Besonders die Gravel- Abschnitte führen zum Teil in abgelegene Täler, aus denen heraus die hohen Berge noch mächtiger wirken.

Foto: Geodaten: © OpenStreetMap und Mitwirkende, ODbL, CC-BY-SA; Design: Kartografie WinterFoto: Geodaten: © OpenStreetMap und Mitwirkende, ODbL, CC-BY-SA; Design: Kartografie Winter

Tag 1: Reschen – Scuol

48 Kilometer, 1.320 Höhenmeter

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Die Gravel-Transalp startet in Südtirol in Reschen im Vinschger Oberland. Obwohl der Start auf 1.500 Metern Höhe liegt, geht es Richtung Österreich/Tirol sofort durch den Wald auf über 2.000 Meter Höhe – samt großartiger Aussicht auf den Reschensee und die umliegenden Berge. Von dort hinab und über die Grenze nach Österreich und Nauders. Es folgen ein kurzer Straßenabschnitt zur Nobertshöhe, dann – nach Überqueren der Grenze in die rätoromanische Schweiz – Forstwege und Trails an der lichten, aussichtsreichen Südostseite des Inntals. Nach einem sechs Kilometer langen Forstweg – und einem unbeleuchteten Tunnel (Licht mitnehmen!) – zum Inn folgt die Strecke dem Fluss 18 Kilometer moderat bergauf bis Scuol.

Tag 2: Scuol – Livigno

90 Kilometer, 2.770 Höhenmeter

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Die Königsetappe lässt keine Zeit zum Einrollen: Kurz hinter Scuol (ab dem Inn) geht es bergan, diesmal auf Schotter durchs Val Clemgia, insgesamt warten tausend Höhenmeter zum Pass da Costainas (2.250 m). Der erste Teil steigt mit bis zu 14 Prozent. Die einsame, felsige Bergwelt und die Aussicht auf Wasserfälle und ins Tal belohnen für die Anstrengungen. Die Passhöhe: kein Mensch weit und breit, umgeben von hohen Bergen. Schotterwege und ein Singletrail führen durch die raue, felsige Landschaft bergab ins Val Müstair, wo der nächste lange Schotteranstieg 700 Höhenmeter in die karge, steinige Bergeinsamkeit klettert – nach Südwesten, über die Grenze nach Italien. Dort erreicht man den Lago di Giacomo und bald danach die asphaltierte Straße, die über Passo di Foscagno (2.291 m) und Passo d’Eira (2.210 m) zum Tagesziel Livigno führt.

Tag 3: Livigno – Santa Caterina

58 Kilometer, 1.640 Höhenmeter

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LivignoDie ersten 30 asphaltierten Kilometer folgen in weiten Teilen dem Finale des Vortags (Passo d’Eira und Passo di Foscagno). Am Stausee Lago di Cancano (Tipp: Vor der Staumauer befindet sich linker Hand ein schönes Café, de.cancano.com) auf fast 1.900 Metern Höhe beginnt geschottertes Neuland: Acht Kilometer durch einsamen, duftenden Pinienwald. Danach biegt die Gravel-Route auf die Straße, die vom Stilfser Joch nach Bormio hinabführt, folgt aber oberhalb Bormio für sechs Kilometer Waldwegen, zum Schluss, 400 Höhenmeter bergauf, der Straße Richtung Passo di Gavia folgend.

Tag 4: Santa Caterina – Marilleva 900

73 Kilometer, 1.940 Höhenmeter

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Gletscher, Dreitausender, Almwiesen, Lärchen- und Zirbenwald: Herrlich aussichtsreiche 800 asphaltierte Höhenmeter warten am Morgen hinauf zum Passo di Gavia (2.618 m). An einem kleinen See weiß man, dass die Passhöhe nicht weit ist. Oben unbedingt ins Rifugio Bonetta einkehren, in dem Fotos vom 5. Juni 1988 hängen: Giro d’Italia, Naturstraße, Schneesturm. Auch bergab folgen wir dem schmalen Asphaltband – mit Blick aufs Panorama der Adamello-Gruppe. Kurz vor Ponte di Legno führt ein Schotterweg knapp zehn Kilometer auf der Ostseite des Tals entlang, danach wartet die Hauptstraße zum Passo Tonale (1.882 m). Dem Val di Sole folgen wir bergab weitgehend auf einfachem Gravel- Terrain bis Ossana, wo eine letzte 300-Höhenmeter-Hürde auf gut zu fahrendem Schotter wartet.

Tag 5: Marilleva 900 – Ponte Arche

59 Kilometer, 1.810 Höhenmeter

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Nach knapp sechs Kilometern Einrollen im Val di Sole beginnt mit dem Abzweig nach Süden der erste lange Anstieg des Tages: 13 Kilometer mit fast 900 Höhenmetern führen Richtung Madonna di Campiglio über eine namenlose Anhöhe auf knapp 1.670 Metern Höhe. Der schöne Schotterweg beansprucht die Beine und testet das Reifenprofil: 18 Prozent Steigung stehen zeitweise an. Hinter Madonna di Campiglio führt der Weg auf einen kurzen, technisch anspruchsvollen Singletrail (eventuell Tragestrecke). Danach geht’s auf breitem Schotterweg weiter. Es folgt der zweite lange Anstieg: Knapp 700 Höhenmeter auf acht Kilometer. Es beginnt moderat ansteigend im Wald und steigert sich mit unfahrbaren 30 Prozent am Lago di Valàgola – 200 Höhenmeter zum Schieben. Die Aussicht auf die Berge ist Lohn für die Schlepperei. Auf den 35 Kilometern nach Ponte Arche werden fast 1.500 Höhenmeter vernichtet, zuerst auf Schotter, dann auf Asphalt.

Tag 6: Ponte Arche – Torbole

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Heute führt die Strecke nicht mehr über 1.000 Meter Höhe. Auch die 1.420 Höhenmeter sind kein Schrecken: Die Hälfte verteilt sich gleich auf den ersten 18 Kilometern. Auf Schotterwegen und über Pflastersteine geht es durch Dörfer zum höchsten Punkt des Anstiegs auf etwas mehr als 900 Meter. Es folgt eine Panoramastraße an einer Felswand entlang. Die Aussicht ist spektakulär, man schaut 700 Meter in die Tiefe – und übers Tal bis zum Gardasee. Bergab nach Fraveggio, dann zwischen Weinreben auf schmalen Straßen Richtung Gardasee, vorbei am Lago di Cavedine und durch die Marocche di Dro – eine Gerölllandschaft, die durch Bergstürze entstanden ist.

Download der Gravel-Transalp

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