OberallgäuRennradtouren mit Alpenpanorama

Alisa Rathke

 · 28.06.2023

Bergblick: Die Allgäuer Alpen sind auf den Runden im Oberallgäu stets gut zu sehen – wie hier bei Bolsterlang
Foto: Jörg Wenzel
Wiesen, Kühe, Seen und Berge: Wer Urlaub im Allgäu macht, wird nicht enttäuscht. Mittendrin im Alpenidyll: Immenstadt. Von dort stammt TOUR-Mitarbeiterin Alisa Rathke, die uns zwei ihrer Lieblingstouren vorstellt.

„Hast du gar nichts dabei?“ Fotograf Jörg spielt auf mein leichtes Gepäck an. Zumindest eine Windjacke wäre im Allgäu sicher nicht verkehrt, das Wetter kann so nah an den Alpen schnell wechseln. Doch der Himmel ist wolkenlos, und die Wetter-App sagt, es würde ein schöner Tag werden. Die Morgensonne steht noch tief, als wir mitten in Immenstadt am Marienplatz starten. „’S Städtle“, wie wir hier sagen, ist belebt, Schulbusse und Autos füllen die Straßen.

Wir entfliehen dem Stadtverkehr auf Radwegen und bald auf ruhigeren Nebenstraßen Richtung Süden, wo uns ein hübsches Mautsträßchen in die Berge führen soll – in ein Hochtal, das wir Einheimischen so nennen wie den zu Oberstdorf gehörenden Weiler, der dort oben liegt: Rohrmoos. Auf dem Weg dorthin passieren wir Dörfer mit Namen wie Ofterschwang oder Bolsterlang, in denen noch das ein oder andere alte mit Holz getäfelte oder geschindelte Allgäuer Bauernhaus steht. Vor uns: das Alpenpanorama mit seinen bewaldeten Wänden und großen Felszacken. Bis jetzt ist die Strecke hügelig, die wenigen Steigungen bleiben moderat.

Auch für die kleine Rampe vor Tiefenbach müssen wir nicht aus dem Sattel – und doch ist sie besonders, weil sich die schmale Straße hier zwischen hohen Felswänden hindurchschlängelt. Die Felsen rücken so nah heran, dass wir sie im Vorbeifahren berühren könnten. Das Felsentor fühlt sich an wie der Eingang in ein anderes Land, zu einem stillen und verlassenen Ort.

Schwelgen in Erinnerungen

Hinter Tiefenbach biegen wir nach Westen ab, nach Rohrmoos. Zuerst geht es über offenes Weideland, links und rechts stehen ab und an geschindelte Holzhäuser, in einem Weiler passieren wir eine hübsche, kleine Kapelle. Meine Vorfreude auf den kommenden Abschnitt steigt. Die Strecke kenne ich in- und auswendig. Im Winter verläuft dort nämlich eine der schönsten Langlaufloipen des Allgäus. Ich erinnere mich noch gut an die vielen harten Trainingseinheiten, die ich als jugendliche Biathlon-Leistungssportlerin des Ski-Clubs Immenstadt dort jeden Winter absolvierte. Doch auch im Sommer reizt das im Süden von Felsen flankierte Hochtal mit seiner Abgeschiedenheit.

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Wir passieren die letzten Wohnhäuser, genießen den weiten Ausblick auf die Berge. Direkt vor der Mautstelle wird vor einem Bauernhaus allerlei Trödel verkauft: Holzschlitten, Bauernschränke, Bilderrahmen, Schubkarren und vieles mehr. Jedes Mal, wenn ich hier vorbeikomme, muss ich schmunzeln. Es sieht aus wie ein Abstellhaufen, der immer mehr zu wachsen scheint. Kein Wunder: Die vorbeikommenden Radler und Wanderer können nichts mitnehmen.

Seeblic: Unser Startort Immenstadt liegt südöstlich des Großen AlpseesFoto: Jörg WenzelSeeblic: Unser Startort Immenstadt liegt südöstlich des Großen Alpsees

Wir passieren das Mauthäuschen, und sofort steigt die Straße merklich an. Bis auf kurze Rampen werden Kletterer hier aber nicht groß gefordert: Auf den nächsten sieben Kilometern überwindet die Mautstraße knapp 250 Höhenmeter. Oben schlängelt sie sich durch das Rohrmoostal, in dem uns auf vielen Kilometern kein Auto begegnet – und auch Radler sind rar. Das Panorama hat sich hier oben verändert. Weiter unten waren die Berge noch entfernt, hier ragen die nahen Felsen der Gottesackerwände 2.000 Meter in den Himmel und versperren den Blick nach Süden. Wir sind umgeben von Bäumen, grünen Wiesen und grasenden Kühen.

Unbemerkt nach Österreich

Ohne dass wir es bemerken, führt uns das Sträßchen bald nach Österreich, wo nach zwei kurzen Zwischenanstiegen die lange Abfahrt nach Hittisau führt. Der kleine Ort lädt mit seinen holzgeschindelten Häusern zum Einkehren ein, doch uns ist das noch zu früh. An gusseisernen Dorfbrunnen mitten im Ort füllen wir unsere Flaschen auf und steuern zurück nach Deutschland. Nach knapp 20 Kilometern, in Oberstaufen, halten wir für einen Kaffeestopp – und ich kenne von vielen früheren Ausfahrten mit Freunden einen schönen und ruhigen Rastplatz mitten im Ort. Kurze Zeit später sitzen wir bei hausgebackenem Kuchen im Garten vor dem Café Blaues Haus.

Die meisten Höhenmeter und Kilometer liegen hinter uns. Vor uns: das Alpenvorland, ein Bilderbuch-Allgäu mit feinen Straßen und hübschen Dörfern, die uns nach Norden, fast bis Isny führen, danach über einen letzten Anstieg, das Stixnerjoch (950 Meter). Die Steigung ist an sich nicht hart, aber auf der langen Geraden vor dem letzten Stich zum Joch bremst uns ein fieser Gegenwind. Ein Gewitter zieht auf – und ich habe keinen Wetterschutz dabei. Jetzt also schnell nach Hause, letzte Körner raushauen! Vom höchsten Punkt stürzen wir uns in die lange Abfahrt nach Immenstadt.

Vor uns liegt das Alpenvorland, ein Bilderbuch-Allgäu mit feinen Straßen und hübschen Dörfern

Hassliebe am Grünten

Über Nacht zieht ein Gewitter auf, noch am nächsten Tag schüttet es. Die geplante zweite Runde nach Nordosten, Richtung Füssen, fällt damit erst einmal ins Wasser. Zwei Tage später hole ich sie nach. Diesmal begleitet mich mein Vater, der mich als Jugendliche zum Rennradfahren gebracht hat. Damals fuhr er mit mir auf eine meiner ersten Rennradtouren zum Königssträßle, das am nahen Grünten (1738 Meter) von Burgberg Richtung Wertach führt. Das steile Sträßchen ist auch heute der harte Auftakt unserer Runde. Es bleib kaum Zeit zum Einrollen nach dem Start in Immenstadt: Schon nach wenigen Kilometern geht es in Burgberg steil wie eine Abschussrampe am Grünten hinauf: 18 Prozent zeigt der Computer. Mit der schmalen Straße verbindet mich eine Art Hassliebe. Denn bei meiner Premiere dort hatte ich Zweifel, es bis nach oben zu schaffen. Ich kannte die Steigung zwar vom Mountainbiken und Wandern, aber mit dem Rennrad kam sie mir viel steiler vor, unfahrbahr. Aber als ich den Anstieg doch geschafft hatte, war ich überglücklich – ich verstand aber auch, warum Freunde über meinen Vater immer sagten: „Mit’m Michl geht’s allat nüf.“

Weiter oben, auf flacheren Stücken, schenkt uns das Sträßle als Lohn für die Kletterei großartige Ausblicke auf die Allgäuer Alpen. Dann verschwinden sie hinter der Dreiangelhütte im Wald. Mein Vater fährt voraus. „Komm, bleib dran, über die Kuppe ziehen!“, ruft er nach hinten. Wie oft ich diesen Satz schon von ihm gehört habe … Aber immer wieder zeigt er Wirkung. Ich halte mit – und obwohl wir im kühlen Schatten fahren, läuft mir der Schweiß in die Augen.

Kurz vor dem Scheitelpunkt zieht lässig ein E-Biker an uns vorbei. Wir treten noch kräftiger in die Pedale, und schon nach wenigen Metern bergab haben wir ihn wieder eingeholt. Die hohe Geschwindigkeit macht Spaß. Flott geht es weiter nach Norden, meist auf Nebenstraßen und über sanfte Wellen. Nachdem sich unsere Tour wieder Richtung Süden wendet, haben wir auch wieder die Berge vor Augen. Davor, in den Senken der Hügelketten, glitzern kleine Seen, wir rollen beschwingt durch hübsche Dörfer und Weiler, die manchmal nur aus zwei Häusern bestehen. „Wir haben’s schon schön hier“, sagt mein Vater. „Wohnen, wo andere Leute Urlaub machen.“ Ich kann ihm nur zustimmen: Jede Fahrt mit dem Rennrad hier ist ein kleiner Urlaub.

Das hübsche Aach (oder Dra, wie die Einheimischen sagen) gehört zu OberstaufenFoto: Jörg WenzelDas hübsche Aach (oder Dra, wie die Einheimischen sagen) gehört zu Oberstaufen

Allgäu - Informationen

Anreise

Bahn

Immenstadt ist gut angebunden: Von Frankfurt am Main per ICE nach Ulm, dann per Regionalexpress (RE) zum Ziel in vier Stunden; von München per RE direkt bis Immenstadt in 1,5 Stunden. Die Radmitnahme im ICE (falls möglich) ist reservierungspflichtig und kostet innerhalb Deutschlands neun Euro; die Fahrradkarte gilt auch im RE.

Auto

Von Frankfurt am Main sind es 400 Kilometer bis Immenstadt, von München 150 Kilometer.

Radservice

Immenstadt, Alpsee Bikes, Telefon 08323/2078830, www.alpsee-bikes.com
Bikeshop mit kompetentem Service und Werkstatt. Kleine Reparaturen werden, wenn möglich, sofort und schnell erledigt.

Essen & Trinken

Immenstadt, Schlosswirtschaft, Telefon 08323/2078840, www.schlosswirtschaft.com
Zentral gelegen, uriges Ambiente: Das heutige Restaurant wurde 1550 als Amtshaus erbaut und später zum Schloss erweitert. Serviert werden für das Allgäu typische Fleischgerichte, aber auch Fisch, Kässpatzen und vegetarische Krautwickel.

Akams (7 km nördlich von Immenstadt), Zum Lustigen Hirsch, Telefon 08323/4915, www.lustiger-hirsch.de
Der Familienbetrieb serviert in seinem gemütlichen Gasthaus und im Sommer im Biergarten traditionelle Allgäuer Küche. Unser Tipp: Kässpatzenabend – Zubereitung in der Stube und so viel Nachschlag, wie man schafft.

Unterkunft

Stein, (2,5 km nördlich von Immenstadt), Hotel Krone, Telefon 08323/96610, www.hotel-krone-stein.de
Modernes, gemütliches familiengeführtes Hotel. Die vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club zertifizierte Bett+Bike-Unterkunft verfügt über eine Rad-Werkstatt und einen abgesperrten Fahrradraum. Die Abendkarte bietet Allgäuer Küche, vegetarische und vegane Gerichte. Doppelzimmer mit reichhaltigem Frühstück (ab 7 Uhr) ab 148 Euro.

Nicht verpassen!

Diepholz, Bergbauernmuseum
Das Allgäuer Bergbauernmuseum liegt zehn Kilometer nordwestlich von Immenstadt auf 1.037 Meter Höhe. Es erklärt die Milchwirtschaft und zeigt das Leben von Bergbauern, deren Arbeitsweise gestern und heute. Infos unter Telefon 08320/9259290 und www.bergbauernmuseum.de

Rathlz, Alpsee Bergwelt
Sieben Kilometer westlich von Immenstadt liegt das Freizeitgelände der Alpsee Bergwelt. Zu Fuß oder mit dem Lift geht es von der Talstation (760 Meter) bis zur Bergstation auf 1.090 Meter Höhe. Der Erlebnisberg lockt mit der „Bärenfalle“, Bayerns größtem Hochseilgarten, einem Abenteuergelände für Kinder und mit Berghütten. Wer will, rast 2,8 Kilometer mit dem „Alpsee Coaster“ bergab, Deutschlands längster Ganzjahres-Rodelbahn. Infos unter Telefon 08325/252 und www.alpsee-bergwelt.de

Infos

Alpsee-Grünten Tourismus GmbH www.alpsee-gruenten.de

Tourist-Info Immenstadt Telefon 08323/9988-77

Karte

Rad- und Freizeitkarte „Südliches Allgäu“, 1:75:000, GeoMap 2019; 8,95 Euro.

tour/tour_20230614_202307_new-img_90-1-imgFoto: Geodaten: © OpenStreetMap und Mitwirkende, ODbL, CC-BY-SA; Design: Kartografie Winter

Tour 1: Einsamens Rohrmoos

106 Kilometer, 1500 Höhenmeter, max. 10 % Steigung

Über Radwege und Nebenstraßen wellig nach Süden bis Tiefenbach, wo wir nach Westen rund 300 Höhenmeter über ein Mautsträßchen ins einsame Rohrmoostal klettern und damit zur Wasserscheide von Rhein und Donau auf 1120 Meter Höhe. Dort durch Wald und Wiesen, über kurze Anstiege und Abfahrten, bevor eine lange Abfahrt nach Hittisau in Österreich führt. Es folgen 15 entspannte Kilometer bis Weißach (wieder in Deutschland), wo eine kurze Rampe nach Oberstaufen steigt. Weiter nach Norden durch welliges Terrain, bis wir kurz vor Isny nach Süden Richtung Immenstadt schwenken. Doch vor der rauschenden Abfahrt zum Ziel, inklusive Berg- und Alpseeblick, fordert der langgezogene Anstieg zum Stixnerjoch (950 Meter) noch ein paar Körner.

tour/tour_20230614_202307_new-img_90-2-imgFoto: Anner Grafik

Abkürzung: Wem der Schlenker nach Isny zu lang ist, bleibt in Oberstaufen am Bahnhof (Km 64,3) geradeaus, biegt an der nächsten Einmündung rechts nach Immenstadt ab, das man via Knechtenhofen erreicht.

Rasttipp: Oberstaufen (bei Km 64,6 kurz links), Blaues Haus Telefon 08386/4476 Café im Bauernhaus-Stil mit kleiner Speisekarte. Man sitzt gemütlich im Garten unter Obstbäumen. Wer schon vorher Hunger hat, wird in

Hittisau (Km 46,8) fündig. Hinter Nesselwang (Tour 2) thronen die Ammergauer Alpen
Foto: Jörg Wenzel

Tour 2: Aussicht im Ostallgäu

90 Kilometer, 1070 Höhenmeter max. 18 % Steigung

Nach wenigen Einroll-Kilometern beginnt am Fuße des Grünten in Burgberg der härteste Anstieg der Runde, das bis zu 18 Prozent steile Königssträßle, das mit Einsamkeit belohnt und in oberen Abschnitten mit herrlichen Ausblicken auf die Allgäuer Alpen. Kontrast: Auf breiter Straße rauscht man nach Wertach und flach geht’s über Radwege nach Nesselwang. Vom nördlichsten Punkt, der Ortschaft Wald, führen wellige Straßen über Görisried, Sulzberg und Martinszell zurück. Fast 40 Prozent der Höhenmeter warten gleich zu Beginn am Königssträßle, danach fehlen lange Berge, dafür hat man auf dem Heimweg nach Süden alle Zeit, die Aussicht auf die Alpen zu genießen.
Rasttipp: Görisried (Km 58,4). Der Gasthof zum Hirsch Telefon 08302/249, www.hirsch-goerisried.de serviert regionale, deshalb fleischlastige Küche.

tour/tour_20230614_202307_new-img_91-2-imgFoto: Anner Grafik

Download der zwei Rennradtouren im Oberallgäu

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